"Atemberaubender Aufschwung"
"Definitiv werden wir der Region in den nächsten Jahren mehr Beachtung schenken", hatte vor einigen Wochen der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf seinem Besuch in der kasachischen Hauptstadt Astana gesagt und den "geradezu atemberaubenden Aufschwung" des Landes gelobt.
In der Tat: 15 Jahre nach Staatsgründung boomt in Kasachstan, dem neuntgrößten Staat der Erde, die Wirtschaft. Zehn Prozent Wirtschaftswachstum gab es im Jahre 2006. Dank umfangreicher Erdöl- und Erdgasvorkommen ist Kasachstan mit seinen 15 Millionen Einwohnern stärkste Wirtschaft in Zentralasien und damit weit erfolgreicher als seine Nachbarstaaten Turkmenistan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan.
Die Beziehungen zwischen Kasachstan und Deutschland gelten dabei als gut, und wenn am 29. Januar Präsident Nursultan Nasarbajew zum Staatsbesuch in Berlin eintrifft, wird es in erster Linie auch um wirtschaftliche Themen und Fragen der Energie gehen. "Merkel wird sich insbesondere um eine Bekräftigung der Energiepolitik Kasachstans bemühen", glaubt Bodo Lochmann, Wirtschaftsexperte und Direktor der Deutsch-Kasachischen Universität in Almaty.
Der Bauboom im kasachischen Almaty ist eine Folge des starken Wirtschaftswachstums. Deutschland importiert jährlich etwa sieben Millionen Tonnen Erdöl aus Kasachstan und deckt damit etwa sechs Prozent seines Gesamtbedarfes. Bisher ist Kasachstan jedoch noch auf Russlands Leitungsnetz angewiesen, um sein Erdgas auf dem Weltmarkt und nach Europa zu verkaufen. Man verstünde sehr gut, dass die Entwicklung der kasachischen Erdgasindustrie ohne Kooperation mit Russland unmöglich sei, hatte KazTransGas-Chef Serik Sultangalijew erst vor kurzem gesagt. "Doch allerdings schauen wir auch nach neuen Wegen, Energie auf dem Weltmarkt zu exportieren", so der Chef des Hauptbetreibers von Gas-Pipelines in Kasachstan.
Auch deutsches Know-How ist in Kasachstan gefragt und wird Thema beim Treffen in Berlin sein. "Präsident Nasarbajew wird sicher die zurückhaltende Investitionsbereitschaft deutscher Unternehmen in Kasachstan bemängeln", so Lochmann. Schließlich habe "Made in Germany" hierzulande nach wie vor einen ausgezeichneten Ruf, den man nutzen sollte, meint der Universitätsprofessor.Die von ihm geleitete Deutsch-Kasachische Universität (DKU) dürfte auch auf der Tagesordnung in Berlin stehen, denn Bildung und Ausbildung wird von der kasachischen Regierung als zentrales Entwicklungselement gesehen. Die vor sieben Jahren gegründete DKU könnte Teil dieser Strategie sein. "Die kasachische Seite wünscht sich starke ausländische Partner auch im Bildungswesen, um modernes Bildungs-Know-how zu bekommen", sagt Lochmann. Er wünscht sich die Unterzeichnung einer Absichtserklärung, die die Entwicklung der DKU auf einem höheren Niveau als bisher möglich macht.
Auf Unterzeichnungen in Berlin hofft auch die Deutsche Simone Wunsch. Sie leitet seit zwei Jahren das Regionalbüro der KfW Entwicklungsbank in Almaty und sagt: "Wir wünschen uns, dass die von uns geplanten Vorhaben, beispielsweise im Bereich der Tuberkulose-Bekämpfung sowie bei der Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen nach Unterzeichnung der Verträge in Berlin demnächst beginnen können."Präsident Nursultan Nasarbajew kommt in einer innenpolitisch schwierigen Phase nach Berlin. In der Führungsspitze Kasachstans hatte es erst zum Jahreswechsel Veränderungen gegeben: Anfang Januar trat überraschend die Regierung von Ministerpräsident Danial Achmetow zurück. Achmetow war seit 2003 kasachischer Ministerpräsident. Zum neuen Präsidenten wurde der bisherige Vizeregierungschef Karim Massimow gewählt. In Kasachstan wird der 41-jährige Wirtschaftswissenschaftler als kühner Reformer gehandelt, er hat in den USA und in China studiert, spricht Englisch, Chinesisch und Arabisch.
Seit der Staatsgründung Kasachstans am 16. Dezember 1991 ist Nursultan Nasarbajew der erste Mann an der Spitze des Landes am Kaspischen Meer zwischen Russland und China. Sein internationaler Ruf ist umstritten: Nasarbajew fördert die Wirtschaft, zugleich herrscht er mit harter Hand. Erst im Sommer hatte der Präsident ein neues Gesetz unterschrieben, das die Freiheit der Medien in Kasachstan stark beschränkt. Vorläufiger Höhepunkt einer Reihe von Repressionen war die Ermordung des einflussreichen Nasarbajew-Gegners Altynbek Sarsenbajew im Frühjahr 2006. Aufsehen erregte auch der Mord an einem französischen Journalisten im August vergangenen Jahres in Almaty, der bislang ebenfalls ungeklärt ist.Angesichts des drohenden Imageschadens setzt die kasachische Regierung viel Hoffnung auf den OSZE-Vorsitz im Jahr 2009. Es ist zu vermuten, dass neben Energiefragen auch Kasachstans Bewerbung um den Vorsitz Gegenstand des Gesprächs zwischen Angela Merkel und Nursultan Nasarbajew sein wird.