Polnische Regierung will Fußballverband säubern
Verbandsspitze nach Korruptionsaffäre entlassen // FIFA fühlt sich übergangenWarschau (n-ost) - Zwischen der polnischen Regierung und dem Weltfußballverband FIFA ist ein Konflikt über die politische Unabhängigkeit des Fußballs entbrannt. Sportminister Tomasz Lipiec hatte Ende vergangenen Woche den Vorstand des nationalen Verbandes PZPN um dessen Präsident Michal Listkiewicz wegen einer Korruptionsaffäre abgesetzt. Gleichzeitig wurde dem PZPN ein so genannter "Kurator" zur Seite gestellt, der bis auf weiteres die Geschicke des Verbandes leiten soll. Dieser Regierungscoup stieß sowohl bei der FIFA als auch bei dem europäischen Fußballverband UEFA auf scharfe Kritik: In einer gemeinsamen Erklärung kritisierten sie am Montag, dass die polnische Regierung "gegen den Grundsatz der Unabhängigkeit des Sports verstößt".Hintergrund für das Regierungshandeln ist die Rolle des PZPN in einem umfangreichen Korruptionsskandal, der Polen seit Monaten beschäftigt. Die Staatsanwaltschaft in Breslau ermittelt gegen 67 Personen, die an der Verschiebung von Spielen in der ersten und zweiten polnischen Liga beteiligt sein sollen, darunter Schiedsrichter, Funktionäre und Spieler. Erst in der vergangenen Woche wurde ein prominentes Vorstandsmitglied des PZPN unter dem Verdacht der Korruption festgenommen: Wit Zelasko arbeitete früher als internationaler Schiedsrichter und zuletzt als Kommentator des Bezahlsenders Canal+ , der in Polen die Übertragungsrechte der ersten Liga (Ekstraklasa) besitzt. Beobachter sehen in seiner Festnahme den Anlass für die Absetzung des Verbandsvorstandes. Aus Regierungskreisen verlautet es, dass Premierminister Jaroslaw Kaczynski, der sich bislang nicht öffentlich zu dem Fall äußert, im Kabinett über die Absetzung habe abstimmen lassen. Kurator Andrzej Rusko - der hauptamtliche Ligachef der Aktiengesellschaft "Ekstraklasa" - traf sich heute, an seinem ersten Arbeitstag in der Verbandszentrale, mit der Disziplinarkommission des PZPN, der er zögerliches Handeln in der Aufklärung der Affäre vorwirft. Noch im November sagte der Kommissionsleiter Jacek Kryszcuk, der nun stark in der Kritik steht, dem deutschen Fußballmagazin "Rund" zu diesem Vorwurf: "Wir sind ja nicht die Polizei".Der Hauptbeschuldigte in der Korruptionsaffäre, der ehemalige Clubmanager des Erstligisten Wronki, Ryszard F., hatte gleich nach seiner Festnahme einen Rechtsanwalt aus dem Vorstand des PZPN mit seiner Verteidigung beauftragt. Auf politischen Druck legte dieser kurze Zeit später sein Amt nieder. Auch für unabhängige Beobachter, wie der Anti-Korruptionsorganisation "Transparency International" gilt der Verband als korrupt. Dort ist von "kranken Strukturen im PZPN" die Rede. Im politischen Fokus steht der PZPN seit Antritt der rechtskonservativen Regierung im Herbst 2005, deren Kernthemen der Kampf gegen die Korruption und die so genannte Lustration der Gesellschaft sind. Mehrere Funktionäre des PZPN wurden in dieser Zeit als ehemalige Mitarbeiter des polnischen Inlandsgeheimdienstes zu Zeiten der sozialistischen Volksrepublik enttarnt. Der Verband gilt in Polen als Relikt des alten Systems.So wurde die Absetzung des Vorstandes von den meisten Medien überschwänglich begrüßt. Die größte polnische Tageszeitung, das Boulevardblatt "Fakt", betreibt ohnehin seit Monaten eine Kampagne mit dem Titel "Aktion Fakt: Wir reinigen den polnischen Fußball!". Die Kritik der internationalen Verbände findet in dieser Atmosphäre keine Zustimmung, zumal über einen Ausschluss Polens aus der FIFA spekuliert wird. Auch die Teilnahme Polens an der Europameisterschaft 2008 in der Schweiz und Österreich sei "in Gefahr", schreibt die "Gazeta Wyborcza". Unterdessen hat Kurator Andrzej Rusko die Anwälte der FIFA zu einem Besuch der Staatsanwaltschaft in Breslau eingeladen. Beim UEFA-Gipfel am Freitag in Düsseldorf will er um Verständnis für die polnische Position werben.
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Olaf Sundermeyer
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