Bosnien-Herzegowina

Schallende Ohrfeige für die alten Nationalparteien

Aus den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Bosnien-Herzegowina vom Sonntag sind nach Auszählung der letzten Stimmen zwar erneut nationalistische Kräfte als Sieger hervorgegangen. Aber die seit dem Bosnienkrieg dominanten Nationalparteien haben allesamt deutlich verloren. Dies gilt sowohl für die Wahlen zu den verschiedenen Parlamenten als auch zum dreiköpfigen Präsidium des kompliziert aufgebauten Staates, der seit dem Dayton-Abkommen in zwei Teilrepubliken gegliedert ist. Laut Verfassung gehören dem Staatspräsidium je ein Vertreter der bosnischen Muslime (Bosniaken), Serben und Kroaten an. Die Wahlberechtigten in der Bosniakisch-Kroatischen Föderation können einem bosniakischen oder kroatischen Präsidentschaftsanwärter ihre Stimme geben, während in der Serbischen Republik lediglich serbische Kandidaten zur Wahl stehen.

Als bosniakischer Vertreter wurde Haris Silajdzic, Vorsitzender der Partei für Bosnien und Herzegowina (SBiH) und Außenminister während des Krieges, ins Staatspräsidium gewählt. Er holte mehr als doppelt so viele Stimmen wie der bisherige Amtsinhaber Sulejman Tihic, Chef der muslimischen Partei der Demokratischen Aktion (SDA). Silajdzic profitierte davon, dass seine SBiH im April eine Verfassungsreform scheitern ließ. Die SBiH hatte kritisiert, die Reform gehe nicht weit genug, weil die Serbische Republik und damit die auf Krieg und Vertreibung basierende Zweiteilung des Staates bestehen bleibe. Tihics SDA hingegen hatte die Reform fast einstimmig unterstützt. In den Parlamenten von Gesamtstaat und Föderation bleibt die bislang klar dominierende SDA zwar weiterhin stärker als die SBiH, wenn auch nur noch knapp.

Auf serbischer Seite fuhr die Allianz der Unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD) mit dem Präsidentschaftskandidaten Nebojsa Radmanovic einen überwältigenden Sieg ein. Damit beerbte die SNSD die Serbische Demokratische Partei (SDS) des flüchtigen mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic, die auf allen Ebenen die Macht verlor. Die Sezessionsrhetorik des Regierungschefs der Serbischen Republik und SNSD-Vorsitzenden Milorad Dodik machte sich offenbar bezahlt. Als Antwort auf Silajdzics Forderung nach Auflösung der Serbischen Republik hatte Dodik ein Referendum über die Abspaltung seiner Teilrepublik vom Gesamtstaat angedroht. Im Parlament der Serbischen Republik verfügt die SNSD nun über eine absolute Mehrheit und hat gute Chancen, auch stärkste Kraft im 42 Sitze umfassenden gesamtstaatlichen Parlament zu werden. Die Partei hat bereits Anspruch auf das Amt des Premierministers erhoben.Beim kroatischen Präsidiumssitz war erst nach Auszählung der Städte Sarajewo und Tuzla klar, dass Ivo Miro Jovic von der nationalistischen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) seinen Präsidentensessel Zeljko Komsic von der Sozialdemokratischen Partei (SDP) überlassen muss. Die HDZ gestand zwar ihre Niederlage ein.

Sie machte aber gleichzeitig klar, dass sie Komsic niemals als Vertreter der bosnischen Kroaten anerkennen werde, denn „95 Prozent seiner Stimmen“ habe er von Bosniaken bekommen. Komsic profitierte von der Zersplitterung der kroatisch-nationalistischen Kräfte, die mit vier Kandidaten angetreten waren.Die neue Zusammensetzung des bosnisch-herzegowinischen Staatspräsidiums ist eine schallende Ohrfeige für die drei bislang dominierenden Nationalparteien SDA, SDS und HDZ. Erstmals seit dem Friedensabkommen von Dayton ist keine dieser politischen Kräfte mehr in der Staatsspitze vertreten. Doch auch der Bosniake Silajdzic und der Serbe Radmanovic treten vor allem für die Interessen ihrer jeweiligen Volksgruppe ein. Der Kroate Komsic hingegen hatte schon vor der Wahl immer wieder betont, er wolle ein Präsident für alle Bürger Bosnien-Herzegowinas sein. Seine multiethnische SDP konnte vor allem in einigen großen Städten der Föderation hohe Gewinne einfahren und ist zu einer bedeutenden politischen Kraft geworden.Die von der OSZE geleitete Wahlbeobachtungsmission erklärte, die erstmals ohne internationale Unterstützung durchgeführten Wahlen hätten im Allgemeinen den demokratischen Standards entsprochen. 54,5 Prozent der 2,7 Millionen Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. Der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft, der ehemalige deutsche Postminister Christian Schwarz Schilling, forderte die Wahlsieger auf, nun entschlossen Reformen voranzutreiben, damit rasch ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnet werden kann. Gleichzeitig betonte er, dass er sich nicht in den Prozess der Regierungsbildung einmischen werde.


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