Frieden im Kaukasus hängt am seidenen Faden
Trotz der Freilassung von russischen Offizieren aus georgischer Haft halten die ernsten Spannungen zwischen beiden Ländern weiter an. Russland hat eine Blockade über Georgien verhängt. Alle Verkehrsverbindungen mit dem südlichen Nachbarn wurden abgebrochen. Begründet wird dies von russischer Seite mit angeblichen Schulden der georgischen Post und anderer georgischer Behörden gegenüber Russland. Auch Geldüberweisungen von Privatpersonen nach Georgien sollen in Zukunft nicht mehr möglich sein.
Am gestrigen Montag wurden die wegen angeblicher Spionage in Georgien verhafteten russischen Offiziere dem OSZE-Vorsitzenden Karel de Gucht übergeben. Am Freitag hatte ein Gericht in Tbilissi die vier Männer, die Mitarbeiter der russischen Militärspionage GRU sein sollen, noch zu einer zweimonatigen Haftstrafe verurteilt. Mit den jüngsten Maßnahmen versucht der Kreml offenbar, die georgische Bevölkerung gegen den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili aufzubringen. Hunderttausende georgische Gasarbeiter verdienen Geld in Russland und ernähren damit ihre Familien zuhause. Den Import von georgischen Wein und Mineralwasser hatte Russland bereits vor Monaten untersagt. Die Visa-Vergabe für georgische Gastarbeiter ist seit Freitag ebenfalls eingestellt.
Lager abchasischer Soldaten im zwischen Abchasien und
Georgien umkämpften Kodori-Tal. / Timo Vogt, n-ost
Der Kreml zeigt Tbilissi auf diese Weise, dass Georgien nur lebensfähig ist, wenn es Russlands Spielregeln akzeptiert, das heißt den russischen Einfluss in den abtrünnigen Provinzen Abchasien und Süd-Ossetien hinnimmt. Der russische Politologe Sergej Markow forderte, Europa und die USA müssten Saakaschwili zur Mäßigung rufen. Die Moskauer Zeitung „Kommersant“ kommentierte, zwischen Russland und den USA sei „ein offener Kampf um Georgien ausgebrochen“. Nicht verstummen wollen auch die Stimmen, welche eine militärische Konfrontation zwischen Georgien und Russland für möglich halten. Wie die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass meldete, kam es am Montag auf Initiative Washingtons zu einem Telefongespräch zwischen Bush und Putin. Aleksej Gromow, der Sprecher von Wladimir Putin, erklärte, der Kreml-Chef habe seinem Gesprächspartner zu verstehen gegeben, „der Friede und die Stabilität in der Region“ seien durch „dritte Länder“ gefährdet, „deren Tätigkeit von der georgischen Führung als Ermunterung ihrer destruktiven Politik interpretiert werden kann.“
Freigelassene Offiziere auf dem Weg nach Russland
Am Montagnachmittag wurden die vier russischen Offiziere im Rahmen einer offiziellen Zeremonie im Hof der georgischern Staatsanwaltschaft dem belgischen Außenminister und OSZE-Vorsitzenden Karel de Gucht übergeben. Jeder der vier Offiziere wurde von einem georgischen Polizisten und einer Polizistin gehalten, während eine Vertreterin der georgischen Staatsanwaltschaft eine Erklärung vorlas, nach der die Vier nicht mehr nach Georgien einreisen dürfen, da sie als Spione tätig waren. Das georgische Innenministerium wirft den vier Offizieren auch Terrorismus vor. Die Männer sollen an Anschlägen gegen Elektrizitätsleitungen, eine Ölpipeline und eine Eisenbahnlinie beteiligt gewesen sein. Es wird erwartet, dass die Offiziere von der OSZE der russischen Botschaft übergeben werden und noch am Montag nach Russland ausgeflogen werden.
Erhöhte Kampfbereitschaft
Die beiden Regionen Abchasien und Süd-Ossetien, welche sich in Bürgerkriegen 1992 von Georgien abspalteten und sich nun Russland anschließen wollen, erklärten den Abbruch der Verhandlungen mit Georgien. Der georgische Verteidigungsminister Irakli Okruaschwili meinte, mit der Verhaftung der russischen Offiziere haben man nicht nur gefährliche Spione neutralisiert, sondern auch gezeigt, dass es sich bei den Konflikten mit Abchasien und Südossetien nicht um ethnische Konflikte sondern um einen Konflikt zwischen Russland und Georgien handelt. Russland müsse seine Friedenstruppen aus den beiden Regionen abziehen. Okruaschwili forderte von Russland auch den Rückzug aus den Verhandlungskommissionen zu Abchasien und Süd-Ossetien.
Auf Anordnung des russischen Verteidigungsministers Sergej Iwanow wurden die in Georgien stationierten russischen Truppen in erhöhte Kampfbereitschaft versetzt. Insgesamt sind 3.000 Mann auf drei Standorten stationiert. Der Oberkommandierende der russischen Truppen in Georgien, Andrej Popow, erklärte, die Kasernen der Truppen gehörten zum Territorium der Russischen Föderation, jeder Angriff auf militärische Objekte, sei ein aggressiver Akt gegen Russland. Bisher gibt es jedoch keinerlei Anzeichen für militärische Übergriffe von Seiten Georgiens. Der Moskauer „Kommersant“ zitierte eine anonyme Quelle im russischen Verteidigungsministerium, wonach „alle diplomatischen Schritte ausgeschöpft“ seien. „Die nächsten Schritte können der Abbruch der diplomatischen Beziehungen und Militäroperationen“ sein. Man könne zur Zeit keine dieser Varianten „ausschließen“.
Angesprochen auf ein mögliches militärisches Vorgehen von Seiten Russlands erklärte der georgische Präsident, „ich glaube nicht dass das ernst ist. Sie übertreiben.“ Putin hatte der georgische Führung am Sonntag auf einer Sitzung des russischen Sicherheitsrates „Staatsterrorismus“ vorgeworfen. Mit der Verhaftung der russischen Offiziere habe die georgische Führung, „die Rechtnachfolge der Politik von Lawrenti Berija“ angetreten. Berija war wie Stalin georgischer Abstammung und leitete in den 30er und 40er Jahren den sowjetischen Geheimdienst. Putin erklärte, die georgische Führung versuche, Russland „zu verletzen und zu provozieren“. Nichtsdestotrotz werde der Abzug der russischen Truppen aus Georgien fortgesetzt. Offenbar fühle sich die georgische Führung unter „dem Dach seiner ausländischen Sponsoren sicher und komfortabel. Aber ist das wirklich so?“, fragte der Kreml-Chef. Es gäbe Kräfte, die immer neue Konflikte schüren, um von alten Problemen abzulenken. Nach Meinung des Moskauer „Kommersant“ „ist der Gegner in dem russisch-georgischen Konflikt für Moskau nicht Tbilissi sondern Washington.“ Eine Resolution zum Thema Georgien, die Russland am Freitag in den UN-Sicherheitsrat einbrachte, wurde von den USA am Freitag blockiert.