Ex-Geheimdienstinformant als Warschauer Erzbischof ernannt
Bis zu zehn Prozent der polnischen Priester ebenfalls verstricktWarschau - Statt Feiern ist in Polens katholischer Kirche Schadensbegrenzung angesagt. Gestern Nachmittag übernahm der 67-jährige Stanislaw Wielgus von Primas Jozef Glemp das Amt des Warschauer Erzbischofs in dessen Residenz. Dagegen formiert sich ein für das Land beispielloser Protest. In einer Umfrage verlangten 73 Prozent der Polen, dass der Vatikan die Ernennung von Wielgus rückgängig macht. In die schwere Vertrauenskrise stürzte die Kirche die von der Presse aufgedeckte Tatsache, dass WielgusŽ dem kommunistischen Geheimdienst SB über 20 Jahre lang als Informant diente. Erst nach den Enthüllungen bestätigte dies am Freitag Episkopatssprecher Jozef Kloch: Es gebe "zahlreiche, wesentliche Beweise" einer absichtlichen Zusammenarbeit mit dem so genannten Sicherheitsdienst.Wielgus, bisher Bischof der zentralpolnischen Stadt Plock, hatte dies zuvor immer bestritten und nur von Kontakten gesprochen, um an einen Reisepass zu gelangen. Erst diese Woche hatte er Kirchenhistoriker beauftragt, seine beim zuständigen Institut des Nationalen Gedenkens (IPN) aufbewahrten Geheimdienstakte zu sichten. Obwohl schon kurz vor Weihnachten eine ultrarechte Zeitung Spitzelvorwürfe gegen den ehemaligen ehemaligen Rektor der angesehenen Katholischen Hochschule von Lublin erhoben.Seit Donnerstag stehen alle 68 Seiten aus Wielgus` Geheimdienstmappe im Internet, veröffentlicht von mehreren Medien. Dokumentiert sind rund 50 Treffen mit SB-Offizieren nach seiner Anwerbung 1967 und auch seine Verpflichtungserklärungen über die Kooperation mit dem Inlands- und Auslandsgeheimdienst. In der Akte steht, dass sich der jetzige Warschauer Metropolit auf Vorschlag des polnischen Auslandsgeheimdienstes um ein Hochschulstipendium in Westdeutschland beworben und dort Institutionen ausgeforscht haben soll. 1973 hatte er einen Studienaufenthalt in München begonnen."Ich habe niemanden ausspioniert", beteuerte Wielgus am Freitag in einer schriftlich Erklärung. "Ich habe weder in Worten noch in Taten Schaden angerichtet." Es tue ihm sehr leid, die Reisen außerhalb Polens unternommen zu haben, die die Motive dieser Geheimdienstkontakte gewesen seien. Am Sonntag wird Wielgus in der Warschauer Kathedrale in sein Amt eingeführt. Der betont antikommunistische Staatspräsident Lech Kaczynski wird sicher nicht ganz wohl bei seiner angekündigten Teilnahme sein.Bis zu zehn Prozent der polnischen Priester sollen laut Experten mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet haben. Trotzdem ist die entscheidende Rolle der katholischen Kirchan der Wende 1989 in Polen unbestritten. Das Ende des Kommunismus wird dem ehemaligen Papst Johannes Paul II. zugeschrieben, der verklausuliert gegen das Warschauer Regime gepredigt hatte.Warschauer Zeitungen werteten die Ernennung WielgusŽ zum Erzbischof allerdings als „moralischen Skandal". Dziennik protestierte, der Kirchenmann werde damit „für seine Lügen und Spitzeldienste“ belohnt. Dagegen nahm der Vatikan Wielgus bisher in Schutz.--------------------------------
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