Bittbriefe vom Regierungschef
Tschechiens Premier Topolanek sucht Unterstützer bei der Opposition / Erfolgsaussichten geringPrag (n-ost) - Es sieht nach Verzweiflung aus. Tschechiens Regierungschef Mirek Topolanek wandte sich gestern in einem Brief persönlich an alle oppositionellen Abgeordneten und bat sie, seine neue Regierung zu unterstützen. Erst vor zwei Tagen war Topolanek von Präsident Vaclav Klaus erneut zum Regierungschef ernannt worden. Doch das Problem der neuen Regierung ist das der alten: Sie hat im Parlament nur einhundert von zweihundert Abgeordneten hinter sich und damit keine Mehrheit. So ist noch kein Ende der seit über einem halben Jahr schwelenden Regierungskrise in Tschechien abzusehen.Die Mitte-Rechts-Koalition aus Bürgerdemokraten (ODS), Christdemokraten (KDU-CSL) und Grünen (SZ) fand sich nach den Wahlen im Juni zusammen und stellte zuerst letzten September eine Regierung, die aber nicht das Vertrauen des Parlaments erhielt - ihr fehlte eine Stimme. Die wird ihr wahrscheinlich auch bei der kommenden Vertrauensfrage fehlen, die Topolanek bis zum 8. Februar stellen muss.Das Gespräch mit den Sozialdemokraten (CSSD) über eine Tolerierung war am Mittwoch dieser Woche schnell zu Ende. "Wir werden nicht für ihre Regierung die Hand heben und sie auch nicht tolerieren", sagte abschließend Jiri Paroubek, Fraktionschef der Sozialdemokraten und ehemaliger Premierminister. Die fünfte Partei im Parlament, die Kommunisten (KSCM), verhandeln nicht einmal mit der Regierung, sie schließen eine Zusammenarbeit kategorisch aus.Einziger Hoffnungsschimmer für die Neuauflage der gescheiterten Dreierkoalition waren zwei abtrünnige Abgeordnete der Sozialdemokraten. Milos Melcak und Michal Pohanka hatten im Herbst die CSSD-Fraktion verlassen wegen innerparteilicher Streitigkeiten. Sofort wurde darüber gerätselt, ob sie eventuell eine Mitte-Rechts-Regierung unterstützen würden. Doch programmatisch blieben sie der Sozialdemokratie treu und kritisierten immer wieder, das Programm der Regierungskoalition. "Ich als Sozialdemokrat könne mir eine Tolerierung der Dreierkoalition nur vorstellen, wenn aus dem Koalitionsvertrag Pläne für Einschnitte ins Sozialsystem zurückgenommen würden", erklärte etwa Milos Melcak kürzlich.Genau da setzt auch die Kritik der CSSD an. Sie will die Regierung unter anderem nicht tolerieren, weil sie fürchtet, deren Programm erhöhe die Armut und die sozialen Unterschiede im Land. So fordern die Sozialdemokraten, die Sozialausgaben sollten weiterhin mindestens 50 Prozent des Staatshaushalts ausmachen. Außerdem wehren sie sich kategorisch gegen die Privatisierung von Post und Bahn und fordern für die Privatisierung des staatlichen Elektrizitäts-Konzerns CEZ die Garantie günstiger Strompreise. Die Sozialdemokraten kritisieren insgesamt zehn Punkte im Programm der Dreierkoalition und begründen damit ihren Entschluss, sie nicht zu tolerieren.Diese klare Ablehnung von Regierung samt Programm veranlasste wiederum Staatspräsident Klaus dazu, Topolanek zu tadeln. Seiner Meinung nach hätte sich der Premier schon beizeiten darum bemühen sollen, zusammen mit den Sozialdemokraten ein Tolerierungsmodell zu erstellen. Das fehlt nun gänzlich und die junge Regierung blickt weiterhin einer übersichtlichen Zukunft entgegen.Binnen vier Wochen wird sich ihr Schicksal entscheiden und parallel dazu das Schicksal von Mirek Topolanek. Sollte dieser die Vertrauensfrage wieder nicht überstehen, werde er den Parteivorsitz der ODS abgeben, kündigte er an. Für den dritten Anlauf müsste dann der Chef des Abgeordnetenhauses den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen, also der Sozialdemokrat Miloslav Vlcek. Doch Vlcek gewann die Wahl zum Parlamentspräsidenten unter der Auflage, nach zwei gescheiterten Vertrauensabstimmungen seinen Rücktritt zu erklären, woran er sich auch halten will. Damit wäre niemand befugt eine neue Regierung zu beauftragen und Neuwahlen unvermeidlich.*** ENDE***---------------------------------------------------------
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