Rumänien

Hermannstadt oder doch Johannisstadt?

Seit 1. Januar 2007 kann sich das rumänische Sibiu (Hermannstadt) als erste rumänische Metropole Europäische Kulturhauptstadt nennen. Gleichzeitig rückte damit der deutschstämmige Verwaltungschef der Stadt, Klaus Johannis, in die erste Riege europäischer Bürgermeister auf. Wer ist dieser Mann, den die Bewohner vor zwei Jahren mit sozialistisch anmutenden 89 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigten und der es mit viel Geschick geschafft hat, Sibiu zu einem mittelalterlichen Kleinod herauszuputzen?

Auf dem " Großen Ring", dem mittelalterlichen Zentrum von Sibiu, drängeln sich fast 40.000 Menschen und warten schon seit  Stunden auf ihren Bürgermeister, der zusammen mit dem rumänischen Staatschef das Kulturhauptstadtjahr offiziell eröffnen soll. "Wo bleibst du, Sasule, du bist doch sonst immer so pünktlich?", schreit ein Ungeduldiger, wird  aber sofort von seinen Nachbarn gerügt, denn " Sasule" ist die nicht gerade freundliche Bezeichnung für Siebenbürger Sachsen, zu deren Minderheit Klaus Johannis gehört.

"Ohne ihn stünden wir heute nicht da", sagen fast alle Stadtbewohner. Vor zwei Jahren wurde Johannis mit 89 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Ein Ergebnis, das es bislang in Rumänien nur für Ceausescu gab.Was die Bürger überzeugt hat, ist seine Liebe zur Stadt, die Johannis lange vor seiner Zeit als Bürgermeister unter Beweis stellte. Johannis wurde 1959 in Hermannstadt geboren. Als sich seine Familie in den Achtzigern der großen Auswanderungswelle nach Deutschland anschloss, blieb er im Land, als einer unter 2000 von einstmals 180 000 deutschstämmigen Hermannstädtern. Sehr schnell schaffte er es vom Physiklehrer am renommierten Brukenthalgymnasium zum Schulinspektor und stellte sich im Jahr 2000 als Kandidat des

"Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien" zur Wahl als Bürgermeister, um wie er sagte "den traurigen Verfall der Stadt zu stoppen".Heute steht Sibiu landesweit in punkto Lebensqualität auf Platz drei und laut Statistik leben dort sogar die Glücklichsten aller Rumänen. Innerhalb von sechs Jahren hat sich das Haushaltsvolumen der Stadt verfünffacht. Der "Johannis Stil" setzt auf deutsche Tugenden wie Gründlichkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Ein Parameter, an dem sich sogar der rumänische Ministerpräsident misst, etwa wenn er beim Eröffnungskonzert zum Kulturhauptstadtjahr ironisch betont, in Rumänien sei nicht nur auf Sibiu Verlass, auch Bukarest habe Wort gehalten und für die Stadtsanierung und Vorbereitung zur Kulturhauptstadt die versprochenen 30 Millionen Euro bereitgestellt.
 
Kracht es zwischen der Regierung und dem europaweit bekannt gewordenen Klaus Johannis, kommentiert er mit feinem Lächeln, jede Konfrontation beinhalte auch eine neue Chance. Die Hermannstädter hingegen behaupten, die Bukarester Regierung stelle Johannis " Bete in roata" -  Stolpersteine in  den Weg - wo sie nur könne. Und dass er trotzdem so viel schafft, macht ihn noch beliebter. Nur die Tatsache, dass seiner Frau drei Häuser in Hermannstadt rückerstattet wurden und er mittlerweile zu den zehn reichsten Bürgermeistern des Landes gehört, hinterlässt bei einigen einen bitteren Nachgeschmack. Immerhin haben einige Haushalte immer noch keine Kanalisation und die Mietpreise in Sibiu  sind vergleichbar mit denen in Berlin, nicht zuletzt durch die Forderungen von Alteigentümer.Aber die Hermannstädter werden auch dies dem 47-Jährigen verzeihen, denn er ist eben der "gute Chef", der manchmal den Straßenfeger  in einem freundlicheren Ton anspricht als seine Kollegen.

Die Formel " Seful a spus" -  " Der Chef hat gesagt", wirkt in der Stadt wie ein Gesetz. Um sicher zu gehen, dass bei der Altstadtsanierung jeder die original mittelalterlich aussehenden Fenster eingesetzt hat, schickte  Klaus Johannis letzten Sommer Schulkinder als kleine Inspekteure durch die Straßen. Er belohnte sie mit Würstchen, die er mitten auf dem Marktplatz mit einer schicken Kochmütze auf dem Kopf  für  sie grillte. Dabei eroberte er nicht nur ihre Herzen sondern frönte auch  nebenbei seinem Hobby, dem Kochen, zu dem er- wie könnte es anders sein, viel zu selten kommt!


ostpol: Rumänien ist in der Europäischen Union, das Europäische Kulturhauptstadtjahr ist eröffnet, was ist ihr Gefühl? "Alles vollbracht" oder "jetzt geht´s erst richtig los"?

Klaus Johannis: Eigentlich beides, Rumänien ist gut vorbereitet und es wird wahrscheinlich für alle eine Überraschung sein, wie schnell das Land ein gleichwertiger Partner der anderen Mitgliedstaaten wird. Und ich bin natürlich sehr glücklich darüber, dass Hermannstadt europäische Kulturhauptstadt ist, das ist für die Stadt enorm wichtig.

In der Stadt ist unter Ihrer Führung eine Menge passiert.

Wo hapert es noch?

Johannis: Wir haben noch ein paar Infrastrukturprobleme, zum Beispiel die Modernisierung von Straßen, wir haben noch Randviertel, in denen es zwar fließendes Wasser aber keine Kanalisation gibt. Das sind lauter Dinge, die wir uns schon seit längerer Zeit gewünscht haben, es ließ sich jedoch nicht so schnell umsetzen, wie wir es gerne gewollt hätten.

Worin sehen sie die größte Herausforderung, die noch auf sie zukommt?

Johannis: Die größte Herausforderung nicht nur für Hermannstadt sondern für jede Stadt ist es, genügend Arbeitsplätze zu schaffen und das haben wir zumindest bisher gut geschafft. 

Haben Sie nach dem EU-Beitritt Sorgen, dass die Hermannstädter auswandern werden?

Johannis: Nein, ganz im Gegenteil. Ich hoffe, dass viele Leute zuwandern, Hermannstädter wandern keine ab, zumindest nicht meines Wissens. Und eigentlich müssten wir mehr Zuwanderung haben, der Faktor, der das stoppt, sind die zu hohen Mietpreise der Stadt. Aber das werden wir über sozialen Wohnungsbau in den Griff bekommen, damit nehmen wir dann ein wenig Druck vom Immobilienmarkt.

Wie stellen sie sich ihre weitere Arbeit als Bürgermeister vor, denken sie es wird leichter OB in einem EU-Mitgliedstaat zu sein?

Johannis: Das wird sich nicht wesentlich ändern, Bürgermeister tun überall auf der Welt ungefähr die gleichen Dinge. Es könnte höchstens sein, dass durch den EU-Beitritt unseres Landes die Sachen ein wenig geregelter laufen...

In deutschen Medien spricht man in einem Atemzug von Sibiu /Hermannstadt. Aber nun hörte ich diese doppelte Benennung ihrer Stadt auch von einem rumänischen Nachrichtensprecher im staatlichen Fernsehen. Die Rumäniendeutschen in ihrer Stadt machen doch gerade mal ein Prozent der Bevölkerung aus...

Johannis: Also, wenn ein Vertreter des einen Prozent von 90 Prozent der Bürger gewählt wird, dann haben wir auch bestimmt keine Probleme damit, dass man von Sibiu / Hermannstadt spricht...


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