Belarus

Lukaschenko dreht am Öl-Hahn

Pipeline durch Weißrussland nach Westeuropa unterbrochen / Russland spricht von HandelskriegMoskau (n-ost) – Als Reaktion auf eine starke Erhöhung des Preises für russisches Gas, wurden am Wochenende offenbar große Mengen Öl aus der Druschba-Pipeline entnommen, die russisches Öl nach Deutschland, Polen und die Ukraine bringt.
 
Zwei Minuten vor Neujahr wurden nach mühsamen Verhandlungen die Unterschriften unter einen neuen Vertrag über den Gaspreis gesetzt. Der neue Preis von 100 Dollar ist immer noch günstig im Vergleich zu anderen Kunden des russischen Gasprom-Konzerns, doch für Weißrussland „fast nicht zu schultern“, wie der weißrussische Ministerpräsident Sergej Sidorski erklärte.Kaum war die Tinte unter dem Gas-Vertrag trocken, führte Moskau einen Zoll von 138 Euro pro Tonne nach Weißrussland gelieferten Öls ein. Minsk reagierte am 3. Januar mit der Einführung einer Transitgebühr von 34 Euro pro Tonne über weißrussisches Territorium geleitetes Transit-Öl, die Russland jedoch nicht zahlen will. Als Ersatz, so der stellvertretende russische Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Andrej Scharonow, zapfe Minsk jetzt die Druschba-Pipeline an. „Das sieht nach einem Handelskrieg aus“, erklärte der Minister gegenüber „Radio Echo Moskwy“.  Moskau habe jedoch Möglichkeiten sich zu wehren. Russland ist der größte Markt für weißrussische Waren. Doch Minsk hält schon nach anderen Partnern Ausschau. Man hat China im Auge. Solche Aussichten verderben die slawische Brüderschaft, fürchtet doch Moskau schon jetzt die schleichende Migration von Chinesen im russischen Fernen Osten.Zwei Tage SchweigenAm Montagvormittag meldete das polnische Wirtschaftsministerium,
dass der Öltransport über die Pipeline „Druschba“ unterbrochen wurde. Das deutsche Bundeswirtschaftsministerium bestätigte die Leitungsunterbrechung. Ein Sprecher des EU-Energie-Kommissars, Andris Piebalgs, erklärte, kurzfristig seien für Europa keine Engpässe zu erwarten. Offizielle Stellen in Polen erklärten, das Land habe noch Öl-Reserven für 80 Tage.Russischen Stellungnahmen zufolge, hat Weißrussland bereits seit Sonnabend illegal Öl aus der Pipeline entnommen. Warum der Vorfall erst jetzt bekannt wurde, hat die russische Seite bisher nicht erklärt. „Die weißrussische Seite begann  am 6. Januar einseitig und ohne es Jemandem anzukündigen, mit der ungesetzlichen Entnahme von Öl aus der Pipeline „Druschba“, welches ausschließlich für den Transport für die Verbraucher in Westeuropa bestimmte ist“, erklärte Semjon Weinstock, Chef des staatlichen russischen Pipelineunternehmens Transneft. Seit Sonnabend seien insgesamt 79.000 Tonnen Öl entnommen worden. Weinstock forderte Minsk dazu auf, die internationalen Normen zu achten. Transit sei eine „heilige Kuh“.Der Transneft-Chef versprach, man werde alles dafür tun, um die Lücken zu füllen. Als Alternative zur unterbrochenen Druschba-Pipeline steht aber nur die Pipeline nach Primorje zur Verfügung. Von dem nördlich von St. Petersburg gelegenen Hafen Primorje wird russisches Öl verschifft. Die Pipeline mit einer Leistung von zurzeit 76,5 Millionen Tonnen Öl im Jahr, ist nach Meinung von Experten jedoch fast ausgelastet.Regierung in Minsk weist Vorwürfe zurückDer Sprecher des weißrussischen Außenministeriums, Andrej Popow, wies die Vorwürfe gegen sein Land zurück. „Weißrussland hat den Transport von russischem Öl nicht unterbrochen.“ Der Sprecher schob die Schuld für die Leitungsunterbrechung an Russland. Dafür, dass „der Druck am Eingang der Pipeline „Druschba“ auf dem weißrussischen Territorium vermindert wurde“, trage nicht Weißrussland die Schuld. Zuvor hatte jedoch ein Vertreter des weißrussischen Pipeline-Unternehmens „Gomel Transneft“ erklärt, zurzeit werde auf Anweisung des weißrussischen Unternehmens „Belneftechim“ kein Öl nach Polen, Deutschland und in die Ukraine geliefert.Zerrüttete Unions-PläneEigentlich wollten Moskau und Minsk einen Unions-Staat bilden. Doch nun stehen sich die beiden Staaten feindlich gegenüber. Lukaschenko reagiert wie ein Verzweifelter, nicht ohne Grund. Bisher konnte Weißrussland aufgrund billiger Energielieferungen aus Russland pünktlich Renten zahlen. Lukaschenko protzte mit einem Wirtschaftswachstum von zehn Prozent. Damit ist es jetzt vorbei. Lukaschenko könnte die Unterstützung in der Bevölkerung verlieren, die er trotz seiner autoritären Politik genießt, eine Aussicht, die ihn zum Vabanque-Spiel treibt. Die von Minsk und Moskau seit Jahren geplante politische Union ist durch den neuen Handelskrieg in weite Ferne gerückt. Etwa ein Drittel der Weißrussen unterstützten die Unions-Pläne. Doch für die scharfe russische Preispolitik werden nur wenige Weißrussen Verständnis haben.
 
Am Montagnachmittag wurde bekannt, dass eine Delegation unter Führung des stellvertretenden weißrussischen Wirtschaftsministers nach Moskau unterwegs ist. Ziel der Reise, so das weißrussische Außenministerium, sei die Klärung der „gegenseitigen Vorwürfe“ hinsichtlich der „Öl-Gebühren“.Ende----------------------------------------
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