Gas-Lektion für Lukaschenko
Weil sich der weißrussische Präsident gegenüber Moskau zunehmend eigenwillig zeigt, will Russland jetzt den Gaspreis kräftig heraufsetzenMoskau (n-ost) – Die Fronten zwischen Moskau und Minsk sind verhärtet wie noch nie. Am Dienstag scheiterten die Verhandlungen zwischen dem Staatskonzern Gasprom und der weißrussischen Regierung über den neuen Gaspreis für 2007. Seitdem hagelt es von beiden Seiten harte Worte. Russland droht mit Gas-Abschaltung zum 1. Januar, Minsk droht mit illegaler Gas-Entnahme aus der Jamal-Pipeline, die Gas nach Europa transportiert. Also eine Neuauflage eines Gaskrieges, wie es ihn vor genau einem Jahr zwischen Moskau und Kiew gab?Bisher sieht alles danach aus. Die Versorgung Europas ist aber angeblich nicht gefährdet, wie ein Sprecher der Europäischen Kommission in Moskau erklärte. Grund des Streits: Wladimir Putin wird der weißrussische Präsident Aleksandr Lukaschenko zunehmend lästig. Dem ehemaligen Kolchos-Direktor, der mit Putin über die Bildung einer Staaten-Union in Augenhöhe verhandeln will, soll eine Lektion erteilt werden. Gasprom warnt vorm AbzapfenGasprom fordert von Weißrussland im nächsten Jahr 200 Dollar je 1.000 Kubikmeter Gas, oder alternativ 110 Dollar sowie den Verkauf von 50 Prozent der weißrussischen Gasgesellschaft Beltransgaz an Gasprom. Der nach Moskau gereiste stellvertretende weißrussische Ministerpräsident Wladimir Semaschko lehnte den russischen Kompromissvorschlag ab. Weißrussland, das als einzige ehemalige Sowjetrepublik immer noch Gas zum russischen Inlandspreis von 46 Dollar bezieht, will nicht mehr als 54 Dollar zahlen. Und auch den russischen Zugriff auf das weißrussische Pipelinesystem will Minsk nicht zulassen. Schon 2004 hatte Moskau im Streit um das Pipelinesystem kurzfristig das Gas für Weißrussland abgestellt.Gasprom-Sprecher Sergej Kuprijanow meinte im russischen Fernsehkanal RTR, Gasprom sei nicht „Santa Claus“. Die weißrussische Position laufe darauf hinaus, „dass wir kein Geld für unser Gas bekommen und Weißrussland außerdem eine Milliarde Dollar schenken.“ Auch aus Minsk kommen harte Worte. Am Mittwoch erklärte der stellvertretende weißrussische Ministerpräsident, Wladimir Semaschko, solange kein neuer Vertrag über den Gas-Preis und die Transitkosten für das Gas nach Europa existierte, gehe man von dem bisherigen Preis von 47 Dollar aus. Gasprom-Sprecher Sergej Kuprijanow meinte daraufhin, offenbar wolle Minsk Gas aus der Jamal-Pipeline abzapfen. „Die Lieferung von russischem Gas nach Weißrussland im Jahre 2007 ist nur möglich, wenn es einen neuen Vertrag gibt.“ Russland wird also, wenn es nicht bis zum 31. Dezember zu einer Einigung kommt, den Hahn für Weißrussland zudrehen. Das alles erinnert an den Gaskrieg mit der Ukraine im Januar 2006. Weil die damals von orange-farbenen Revolutionären geführte Regierung in Kiew einer vierfachen Preiserhöhung nicht zustimmen wollte, dreht Gasprom der Ukraine am 1. Januar 2006 den Hahn ab. Kiew zapfte daraufhin aus der Druschba-Pipeline, die Gas nach Europa transportiert, Gas für den eigenen Bedarf ab. Der Gasdruck in einigen europäischen Netzen ließ daraufhin merklich nach. Am 4. Januar einigten sich Kiew und Moskau auf einen Gaspreis von 95 Dollar, wobei teures russisches Gas durch billiges turkmenisches Gas ergänzt wird, das gleichfalls durch die Rohre von Gasprom geliefert wird. Amadeus Tardieu, Sprecher der Europäischen Kommission in Moskau, erklärte, es bestände kein Grund die Situation zu dramatisieren. Selbst wenn Weißrussland von dem für Europa bestimmten Gas etwas für sich abzweige, gebe es genug Vorräte in Westeuropa. Die Pipeline durch Weißrussland sei zudem nicht der einzige Versorgungskanal nach Europa. Wirtschaftswunder Dank billigem GasDank der günstigen Energiepreise gab es in Weißrussland im vergangenen Jahr ein Wirtschaftswachstum von 9,5 Prozent. Für Öl, welches Weißrussland aus Russland importiert, zahlt Minsk wegen der Zollunion der beiden Staaten, keinen Zoll. In Weißrussland wird das Öl weiterverarbeitet und dann exportiert. „Lukaschenko setzt darauf, das Russland seine Loyalität auch weiter bezahlt“, meinte ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter der russischen Regierung im Gespräch mit der Moskauer Wirtschaftszeitung „Wedomosti“. Lukaschenkos Loyalität sei aber nicht „drei Milliarden Dollar wert.“ Russische Produzenten sind außerdem unzufrieden über die billigen weißrussischen Waren, die auf den russischen Markt gelangen. Lukaschenko dagegen wettert, Russland bestrafe Weißrussland für seine wirtschaftlichen Erfolge. „Je mehr wirtschaftliche Erfolge wir haben, desto mehr unterdrückt man uns.“Der Moskauer „Kommersant“ hält es für möglich, dass der Kreml versucht, mit dem Gas-Streit die Vereinigung der beiden Staaten zu einer Union voranzutreiben. Für Weißrussland hätte die Erhöhung des Gaspreises nämlich ernste wirtschaftliche Folgen. Unter Berufung auf eine anonyme Quelle im Kreml berichtete das Blatt, Moskau wolle noch im nächsten Jahr ein Referendum über die Vereinigung der beiden Staaten abhalten. Allerdings wolle Moskau eine Vereinigung zu seinen Bedingungen. Staatssekretär Pawel Borodin, welcher als Sprecher der geplanten Staatenunion fungiert, gab sich höchst zuversichtlich. „Im nächsten Jahr werden alle Fragen gelöst.“
Info-Kasten:
Die durch Weißrussland laufende Jamal-Europa Pipeline hat eine Kapazität von 29,5 Mrd. Kubikmeter Gas. Im nächsten Jahr soll die Kapazität auf 33 Mrd. erhöht werden. Das weißrussische Pipelinesystem Beltransgaz hat eine Kapazität von 21 Mrd. Kubikmeter. 2005 exportierte Russland 147 Mrd. Kubikmeter Gas nach Europa. Weißrussland verbrauchte 2005 20,5 Mrd. Kubikmeter Gas.
Weißrussland bezahlt bisher 47 Dollar für 1.000 Kubikmeter russisches Gas. Mit allen anderen ehemaligen Sowjetrepubliken hat Gasprom in den letzten Monaten neue Preise ausgehandelt. Die Staffelung sieht wie folgt aus: Armenien 110 Dollar, Ukraine 130 Dollar, Moldau 160 Dollar, Georgien 235 Dollar. Aserbaidschan lehnte vor kurzem den von Gasprom geforderten Preis von 235 Dollar ab. 80 Prozent des Gases für Aserbaidschan kommen aus Kasachstan und Turkmenistan, wo Gasprom es für 100 Dollar einkauft. „Wir verstehen nicht, warum wir für den Transport 135 Dollar bezahlen sollen“, erklärte Rovnag Abdullayev, Präsident der staatlichen aserischen Ölgesellschaft. Ende--------------------------------------------------------------------
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