Mazedonien

Silvesterkarneval in einem „gallischen“ Dorf

Kleine, unbeugsame Dörfer gibt es nicht nur bei Asterix und Obelix in Gallien. Vevcani, ein abgelegenes Dorf im Südwesten von Mazedonien, leistet auf seine Art Widerstand gegen die herrschenden Politiker, und das seit über 1000 Jahren. Jedes Jahr versammeln sich zur orthodoxen Silvesterfeier am 13. Januar hunderte von Menschen zu einem Karneval, dessen heidnische Wurzeln ins Frühmittelalter zurückreichen. Sein Höhepunkt: politische Satire, wobei maskierte Dorfbewohner hier im Lande bekannte gesellschaftliche Figuren darstellen.

„Jede Familie hier bereitet das ganze Jahr lang ihre eigenen Kostüme und Masken vor, die von den aktuellen Ereignissen inspiriert sind“, erzählt Ana Stojanoska, die ein Mitglied der mazedonischen Regierung darstellen wird. „Es ist eine Art Wettbewerb zwischen uns. Und was dann am Umzugstag getragen wird – das bleibt bis zum Schluss geheim.“Der kritische Blick auf Politik und Tagesgeschehen hat in Vevcani eine lange Tradition. Während in den 90er Jahren der Balkan in interethnischen Konflikten versank, gelang es dem von muslimischen Dörfern umgebenen christlichen Vevcani sich aus allen Konflikten herauszuhalten. Als Jugoslawien im Jahre 1991 zerbrach, gründeten seine Bewohner nach einer Abstimmung die „Republik Vevcani“. Wie die Gallier aus Asterix und Obelix wollten die Vevcaner von niemandem manipuliert werden und sich aus den Kriegen und Konflikten rund herum heraushalten.

Die junge Republik wurde erwartungsgemäß von niemandem anerkannt, und die eigens gedruckten Pässe der Republik Vevcani und die Währung – Litschnik – gibt es nur noch als Souvenirs. Für die meisten hier, hat die Unabhängigkeit einen symbolischen Wert, der nebenbei vermarktet wird. Für rund fünfzehn Euro kriegt man den Vevcani Pass, und das Geld wird dann für die Gemeindeentwicklung verwendet.

„Das ist vielleicht der beste Weg mit Problemen umzugehen“, glaubt Sebastian Dworack, der seit einigen Jahren für internationale Organisationen in Mazedonien arbeitet. „Während sich andere gegenseitig die Köpfe einschlagen, haben die Vevcaner halt ihre Unabhängigkeit und ihren Karneval. Spaß muss man sich gönnen können.“ 

An Spaß fehlt es wirklich nicht. Ausgerüstet mit selbst gebranntem Schnaps gegen die eisige Kälte des Winters strömen jedes Jahr am Sylvestertag verkleidete Vevcaner durch die engen Gassen des Dorfes. Ähnlich wie im rheinischen Karneval wird die Gesellschaft auf die Schippe genommen. Vergangenes Jahr stellte beispielsweise eine Gruppe riesige Teller dar, auf ihnen die abgeschnitten Häupter der umstrittensten Politiker im Lande. Aber auch die Mitglieder der mazedonischen Wasserballmannschaft fehlten nicht. Da ihnen ein Schwimmbecken zum Trainieren fehlte, sprangen als Wasserballer verkleidete Vevcaner immer wieder in die Menge wie in ein leeres Schwimmbecken. Auch die Kirche blieb von Spott nicht verschont: So wurde ein abtrünniger Priester der serbisch-orthodoxen Kirche von Teufelsfiguren gepeitscht. Sein kontroverser Prozess hatte für viel Aufregung im Lande gesorgt.

Wirtschaftlich geht es Vevcani besser als dem Rest des Landes. Die benachbarten, ethnisch albanischen Dörfer handeln gerne mit den Vevcanern, die eine Mineralwasserquelle haben und seit Jahrhunderten das Maurerhandwerk beherrschen und pflegen.

„Die Bewohner von Vevcani sind sehr darum bemüht, diese Erfolge zu erhalten“, erzählt Sebastian Dworack, „und das fällt jedem Besucher sofort auf - schöne alte gepflasterte Sträßchen entlang der Ziegelhäuser aus dem 19. Jahrhundert, gepflegte öffentliche Plätze. Schon auf den ersten Blick fällt einem der Unterschied zu den anderen Dörfern im Land auf, die zum Großteil sehr verarmt und sehr heruntergekommen sind.“ So hat sich das unbeugsame Dorf der Eigenbrödler im ganzen Land Respekt verschafft, mit seinem bunten Karneval und dem Fleiß der Bewohner.


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