Lettland

Heinz Erhardts Riga

„Sie wohnt im dritten Stock, ich wohn’ im vierten Stock und stell ihr nach ...  und so weiter, und so weiter.“ Maik Habermann muss lachen, wenn er seinen Zuhörern ein Gedicht von Heinz Erhardt vorträgt. Der junge Mann mit den braunen Haaren steht vor einer Gruppe Touristen auf dem prächtigen Rathausplatz der einstigen Hansestadt. „Ich sage immer, wenn ich Stadtführungen durch Riga mache, du kannst mit Erhardt die ganze Stadt erklären“.

Familie Ehrhardt lebte seit dem 18. Jahrhundert im Baltikum

Maik Habermann ist Historiker, hat an der Universität Greifswald seinen Abschluss gemacht. Seit er ein Erasmus-Jahr in Riga verbrachte, lässt ihn die Stadt nicht mehr los. Nun führt er Touristen auf den Spuren des deutschen Komikers Touristen durch die lettische Hauptstadt, in der Heinz Erhardt am 20. Februar 1909 zur Welt kam. Der Großvater Erhardts, Johann Jakob, sei der erste Erhardt in Riga gewesen, erzählt Maik Habermann. Zumindest der erste, der im Telefonbuch stand. „1939, also bei der Umsiedlung der Deutschbalten waren das schon an die 30 Erhardts in Riga“.

Er hasste die Schule

1760 folgten die Erhardts dem Ruf Katharina der Grossen in die russische Ostseeprovinz. Sie verließen die Pfalz, um sich im damaligen Livland anzusiedeln. Als Heinz Erhardt geboren wurde, hatte es sein Großvater bereits zum Bürgermeister der einstigen Hansestadt gebracht. Für den kleinen Heinz begann ein unstetes Leben, illustriert Maik Habermann. „Erhardt ist ständig hin und her gezerrt worden. Seine Eltern haben sich nach seiner Geburt scheiden lassen und dann zweimal wieder geheiratet.“ Im Ersten Weltkrieg ging Erhardt mit seiner Mutter nach Petersburg, nach Kriegsende wurde er dann vom Vater nach Deutschland geholt. „ Er hat 14-15 mal die Schule wechseln müssen“, sagt Maik Habermann, „deshalb hat er auch das Abitur nicht geschafft.“

Berufziel: Künstler

Er war 15, als er zu Paul Neldner, dem Vater seiner Mutter, zurück nach Riga kam, um das deutsche Gymnasium zu besuchen. Auf seinem Streifzug durch Riga besucht Maik Habermann auch die neugotischen Backsteinmauern am Rande der Altstadt, wo heute Lettische Kunststudenten unterrichtet werden. Er habe die Schule verabscheut, weiß Maik Habermann und gibt gleich ein Erhardt-Gedicht zum Besten: „‚Was er schätzte in Serien, waren jedes Mal die Ferien. Die er von sich aus noch ergänzte, indem er gerne die Schule schwänzte.’“ Kaum durchs Abitur gefallen, fing Heinz Erhardt eine Lehre in der Musikalienhandlung des Großvaters an. Vis à vis des lettischen Freiheitsdenkmals verkaufte Erhardt damals Klaviere und Noten, denn er sollte einmal das Geschäft übernehmen. In denselben Räumen stellt heute eine Galerie moderne Kunst aus.

Riga hätte er immer als Heimat betrachtet, hat Heinz Erhardt später gesagt, hier hätte er seine schönsten Jahre verlebt. Nur mit den Zukunftsplänen seines Großvaters war er nicht einverstanden. Vor dem Schaufenster des damaligen Familienunternehmens bleibt Maik Habermann stehen und zitiert Heinz Erhardt: „In Großvaters Geschäft hatten wir ein großes Harmonium. Wurde es bei Festlichkeiten ausgeliehen, dann wurde ich gleich mit ausgeliehen. Mein Opa fragte oft: Junge ist es nicht herrlich, unter Künstlern zu sein? Da antwortete ich. Nee Großpapa, ich will selber einer werden.“

Das deutsche Schauspielhaus spielte seine ersten Stücke

Eine Ecke weiter liegt das Russische Dramatheater, damals eine Filiale des Deutschen Schauspiels. Hier wurden die ersten Stücke von Heinz Erhardt aufgeführt. Im Stadtarchiv hat Maik Habermann ein Plakat entdeckt, das er auf dem Rundgang seinen Gästen vorliest: „1933 wurde hier der Schwank ‚Seine kleine tapfere Frau‘ aufgeführt. Musik und Gesangtexte: Heinz Erhardt, musikalische Leitung: Gustav Erhardt, sein Vater.“

Maik Habermann hat übrigens schon ein bisschen von dem deutschen Komiker gelernt. „Waren sie schon mal in Estland? In Estland haben sie dieses gerollte R, da sprechen die Reiseleiter so, da kann man gar nicht wissen, wann das eine Wort aufhört und das nächste anfängt, weil sie die ganze Zeit singen.“ Maik Habermann lacht. Vielleicht stecke ja sogar ein kleiner Erhardt in ihm.


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