Slowenien

Keine Tränen für den Tolar

Am 1. Januar führt Slowenien als erstes EU-Neumitglied den Euro einLjubljana (n-ost) – Eine Kundin kauft auf dem Marktplatz von Ljubljana Äpfel ein. Beim Bezahlen wundert sie sich über den hohen Preis und schüttelt verständnislos den Kopf: „Das nennen Sie runden?“, fragt sie den Obstverkäufer. Das könne sie auch, sagt sie und legt zwei weitere Äpfel in ihren Korb. „Zwei Kilo zwanzig ergeben doch schließlich aufgerundet drei, oder?“Nur eine Szene aus dem Fernsehen. Noch. Denn der Werbespot aus der gemeinsamen Euro-Kampagne von Regierung, Nationalbank und Wirtschaftskammer bringt das Problem auf den Punkt: 72 Prozent der Slowenen befürworten zwar den Euro und sehen ihn als große Chance für Wirtschaft und Tourismus, zwei Drittel von ihnen fürchten aber zugleich einen erheblichen Preisanstieg mit der Einführung der gemeinsamen europäischen Währung. Das geht aus dem aktuellen Eurobarometer hervor, einer Studie der Europäischen Kommission. Die meisten Slowenen sehen den Abschied von ihrer alten Währung, dem Slowenischen Tolar, pragmatisch: außer dem Umrechnungskurs werde sich nichts ändern, sagen sie. Andere zeigen sich hingegen skeptischer und befürchten neben hohen Preisen einen sinkenden Lebensstandard. Der slowenische Tolar hat ab 1. Januar ausgedient. Foto: Veronika WengertInsgesamt ist Slowenien laut Eurobarometer trotz aller Furcht vor steigenden Preisen das Euro-freundlichste unter den EU-Neumitgliedern. Peter Japelj vom Slowenischen Außenministerium wundert das nicht: „Der Euro ist für die meisten Slowenen das erste wirklich greifbare Zeichen für den Erfolg in der EU“, sagt er. Jeder Slowene wisse, dass der Euro eine große Anerkennung für die Leistungen der vergangenen Jahre ist. „Die Leute freuen sich einfach!“ Im März 2003 stimmten in einem Referendum neun von zehn Slowenen für den EU-Beitritt des Landes. Deshalb sei es keine große Überraschung, dass heute kaum jemand dem Tolar ernsthaft hinterherweine, sagt der slowenische Diplomat Japelj: „Schon früh war der Tolar an den Euro angebunden und das Ziel war klar: Euro.“ Offenbar regt sich deshalb in Slowenien kein organisierter Widerstand: keine Bürgerinitiative, keine Partei lehnt sich mehr gegen die Einführung des Euro zum 1. Januar 2007 auf.Im Internet (www.euro.si), mit Plakaten und Broschüren, einem Infotelefon und Werbespots informieren slowenische Regierung, Nationalbank, Wirtschaftskammer und andere Institutionen gemeinsam über den Euro. Der persönliche Kontakt, die direkte Ansprache stehe dabei an erster Stelle, sagt Bozo Jansovic aus dem Vorstand der Slowenischen Nationalbank. „Jeden Tag beantworten wir alle Fragen rund um den Euro am Telefon und im Internet.“ Als Hilfestellung beim komplizierten Wechselkurs von 239,64 Tolar je Euro erhielten außerdem 700.000 slowenische Haushalte per Post einen Währungs-Taschenrechner. Allein für die Rechner gab die Nationalbank über 300.000 Euro aus, mit Unterstützung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main. Doppelte Preisauszeichnung nin einem Geschäft in Lubljana. Foto: Mario DobovisekFür slowenische Unternehmen sei die Umstellung sicher nicht einfach, jedoch insgesamt eine gute Lösung für das Land, sagt Nina Preseren von der Slowenischen Wirtschaftskammer. Die Vorteile liegen auf der Hand: Man sei nun Teil eines großen, einheitlichen Kapitalmarktes mit 300 Millionen Menschen – der Eurozone. Durch den Wegfall von Wechselkursrisiken und Umtauschgebühren profitieren auch ausländische Unternehmen von der Währungsumstellung. Für die slowenische Wirtschaft könnte der Euro ein zusätzlicher Impuls bei der Anbahnung von Geschäftskontakten außerhalb Europas sein. Schließlich trage die neue Währung zu einem höheren Rating bei, so Nina Preseren.Slowenien hat sich für das „Big Bang“-System entschieden: Das bedeutet, dass die Umstellung in einem Schritt erfolgt, mit einer relativ kurzen Parallelumlaufphase der beiden Währungen. Ab 15. Januar 2007 ist der Euro dann ausschließliches Zahlungsmittel. Wer bis dahin seine Tolar noch nicht ausgegeben hat, kann noch bis zum 1. März 2007 in allen Bankfilialen kostenlos tauschen – danach nur noch bei der Slowenischen Zentralbank in Ljubljana. Der Sankt-Nimmerleins-Tag gilt dabei ausschließlich für Banknoten, denn Tolar-Münzen werden nur zehn Jahre entgegen genommen. Um Engpässe bei der Bargeldversorgung zu vermeiden, werden Banken und Händler bereits seit einigen Wochen mit Eurowährung beliefert. Privatkunden können hingegen erst ab Mitte Dezember einen von 150.000 Starter-Kits erwerben. Das Paket mit 44 Euromünzen kostet 12,52 Euro und hat längst schon die Aufmerksamkeit der internationalen Sammlergemeinde auf sich gezogen. Diese kann sich auf acht neue Euro- und Cent-Motive freuen. Dabei zeigen sich die Slowenen als besonders tierlieb. Die slowenische 20-Cent-Münze zeigt die berühmten Lipizaner Pferde, auf der 1-Cent-Münze ist ein Storch zu sehen. Die weiteren Motive sind: Dr. France Preseren, Verfasser der slowenischen Nationalhymne (2-Euro-Münze), Primoz Trubar, der erste slowenische Buchdrucker (1-Euro-Stück), der Berg Triglav (50 Cent), eine Studie des Architekten Josef Plecnik (10 Cent), ein Bauer (5 Cent) und der Fürstenstein, ein Rechtsdenkmal zur Inthronisation mittelalterlicher Fürsten (2 Cent). Die Wahl dieses Motives hatte zu Protesten des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider und anderer österreichischer Politiker geführt. Der Fürstenstein sei kein Herrschaftssymbol Sloweniens, wurde argumentiert. Der Stein befindet sich im Besitz des Landhauses Klagenfurt. Insgesamt stehen Slowenien 230 Millionen Euro-Münzen zu. Diese werden allerdings nicht im eigenen Land hergestellt, sondern in der Mint of Finland, der finnischen Münzprägeanstalt. Dass das neue Kleingeld den Slowenen nicht gerade fremd ist, zeigt die aktuelle Eurobarometer-Umfrage: 77 Prozent haben die neue Münzwährung bereits vor ihrem offiziellen Start mindestens einmal genutzt, bei den Geldscheinen waren es nur geringfügig mehr. Experten warnen jedoch davor, dass so mancher Slowene Schwierigkeiten mit dem neuen Münzgeld bekommen könnte. Denn laut Umfrage haben vier von zehn Bürgern Sloweniens bislang überhaupt kein Hartgeld verwendet, da der Nominalwert der wertvollsten Münze in Altwährung, dem 50-Tolar-Stück, umgerechnet gerade mal rund 0,21 Euro beträgt. Das Problem hat auch der Slowenische Verbraucherschutzverband erkannt, der auf seiner Homepage ausdrücklich darauf hinweist: „Euromünzen sind keine Kleinigkeit“, heißt es dort. Und dennoch: die Angst vor dem „Teuro“ bleibt. Um die Verbraucher an die neue Währung zu gewöhnen, müssen alle Preise bereits seit 1. März 2006 sowohl in Tolar als auch in Euro angegeben werden. Ein mit der doppelten Preisauszeichnung erwarteter erster Preisanstieg sei allerdings ausgeblieben, sagt Ema Misic, Leiterin der Preisabteilung des Slowenischen Statistikamtes. Die Preisentwicklung der letzten Monate unterscheide sich kaum von der im Vorjahr, sagt sie und gibt vorerst Entwarnung.  „Kleine Preissteigerungen in Einzelfällen sind nicht stark genug, um die Inflationsrate in Slowenien insgesamt zu beeinflussen.“ Jene Einzelfälle seien vor allem bei monopolisierten Dienstleistern zu erkennen, bemerkt Breda Kutin, Präsidentin der Slowenischen Verbraucherschützer. Darunter zum Beispiel die großen Kinobetreiber: „In Celje kostet die Kinokarte heute ein Drittel mehr als noch vor drei Monaten“, sagt Kutin. Das zeige der Preisindex „Pricewatch“, den die unabhängigen Verbraucherschützer seit Anfang des Jahres regelmäßig erheben. Trotz aller Bemühungen von Regierung, Nationalbank und Wirtschaftskammer gab es Anfang November einen Rüffel aus Brüssel: dort zeigte sich die Europäische Kommission wenig erfreut über die Ergebnisse des Eurobarometers, demzufolge zwei Drittel der Slowenen Angst vor dem „Teuro“ haben. Auf Druck der  Kommission brachte die Regierung im Dezember noch schnell einen „Code of Conduct“ für den Einzelhandel auf den Weg. Dieser unverbindliche Verhaltenskodex soll die Einzelhändler dazu bewegen, die Preise nicht zu erhöhen. Es scheint möglich, dass die Idee einer kollektiven Vernunft in Slowenien funktionieren könnte: Große Supermarkt-Ketten werben bereits damit, dass ihre Preise stabil bleiben oder sogar abgerundet werden. Sofern das ernstgemeint ist, werden schwarze Schafe unter den Einzelhändlern bei wachsamen Kunden kaum eine Chance haben. Es bleibt allerdings abzuwarten, was die Verbraucherschützer mit ihrem nächsten „Pricewatch“ im Neujahr herausfinden werden.ENDEMario Dobovisek


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