Bosnien-Herzegowina

Kosovo und Bosnien-Herzegowina "in deutscher Hand"

Gleich vier Deutsche besetzen die wichtigsten Positionen in der politisch heiklen Region Sarajewo/Prishtina (n-ost) – Seit dieser Woche führen vier Deutsche die wichtigsten zivilen und militärischen internationalen Missionen auf dem Balkan. Ein Zufall, sagt das Auswärtige Amt, erklärt aber gleichzeitig den Westbalkan zu einem Schwerpunkt der bevorstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft.Am Dienstag übernahm mit Konteradmiral Hans-Jochen Witthauer erstmals ein Deutscher für ein Jahr das Kommando der europäischen Schutztruppe EUFOR in Bosnien-Herzegowina, der 6000 Soldaten aus 33 Staaten angehören. Bereits seit September steht der deutsche Generalleutnant Roland Kather an der Spitze der Nato-geführten Friedenstruppe KFOR im Kosovo. Dort sind 16.000 Soldaten aus 37 Ländern stationiert. Derzeit stellt Deutschland der KFOR 2900 und der EUFOR knapp 900 Bundeswehrangehörige zur Verfügung.Der neue EUFOR-Kommandeur, Konteradmiral Hans-Jochen Witthauer (rechts), zusammen mit EU-Chefdiplomat Javier Solana. Bild: Norbert RütscheDoch weit mehr Einfluss als die Kommandeure aus der Bundeswehr haben die beiden Deutschen an der Spitze der wichtigsten zivilen UN-Missionen im ehemaligen Jugoslawien. Der frühere Bundespostminister Christian Schwarz-Schilling hat seit Februar das mit weitreichenden Vollmachten ausgestattete Amt des Hohen Repräsentanten (OHR) in Bosnien-Herzegowina inne. Gleichzeitig ist er EU-Sondergesandter für das Balkanland. Der Diplomat Joachim Rücker führt seit September die Uno-Übergangsverwaltung (Unmik) im Kosovo. Damit sind erstmals sämtliche internationalen Schlüsselpositionen auf dem Balkan von Deutschen besetzt.Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes bezeichnete diese Konstellation gegenüber dieser Zeitung als „Zufall“. Gleichwohl zeige die Entwicklung das Vertrauen, das in Deutschland gesetzt werde. Die Abstimmung zwischen der EU, dem OHR, der Unmik und der KFOR sei gerade im nächsten Halbjahr besonders wichtig, sagte die Sprecherin mit Blick auf die erwartete Entscheidung zum künftigen Status des Kosovo und die für Juni 2007 geplante Schließung des OHR weiter. „Der Westbalkan wird natürlich ein Schwerpunkt unserer EU-Präsidentschaft sein“. Denn es bestehe aus EU-Sicht ein großes Interesse an Stabilität und wirtschaftlichem Aufschwung in dieser Region, so die Sprecherin.Christian Schwarz-Schilling (rechts), der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, zusammen mit Bundesaussenminister Frank-Walter Steinmeier. Bild: Norbert RütscheAuch der Hohe Repräsentant für Bosnien-Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling, nennt es einen Zufall, dass nun vier Deutsche internationale Spitzenpositionen in der Region besetzen, sieht dies aber als Chance: „Dadurch bleibt der Westbalkan in einer Zeit, in der die internationale Gemeinschaft ihre Aufmerksamkeit auf viele verschiedene Krisengebiete gerichtet hat, weit oben auf der deutschen Agenda“, sagte er dieser Zeitung. „Besonders während der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands können wir vier dazu beitragen, dass das Interesse an den Entwicklungen im Westbalkan erhalten bleibt.“Unmik-Chef Joachim Rücker warnt allerdings davor, die deutschen Besetzungen zu stark zu bewerten. Natürlich schade es keinesfalls, gute Beziehungen zu Deutschland und damit im nächsten Halbjahr zur EU-Ratspräsidentschaft zu haben. „Aber wir haben die Interessen unserer Auftraggeber – in meinem Fall die Uno – zu vertreten“, unterstrich er im Gespräch mit dieser Zeitung. Rücker will den „guten Draht“ nach Berlin nutzen, „damit die Kosovo-Statusentscheidung in den nächsten Monaten zur Ziellinie kommt“. Dabei geht es um die schwerige Grundsatzentscheidung, ob das zu 90 Prozent von Kosovo-Albanern bewohnte Kosovo in eine Art Unabhängigkeit entlassen wird, oder weiterhin eine serbische Provinz bleibt. Zwar werde diese Entscheidung vom Uno-Sicherheitsrat getroffen, aber dennoch spiele die deutsche EU-Ratspräsidentschaft dabei eine wichtige Rolle, so der Unmik-Chef.Joachim Rücker, Chef der UN-Übergangsverwaltung im Kosovo. Bild: Norbert RütscheGajo Sekulic, Professor für politische und gegenwärtige Philosophie an der Universität Sarajewo, sieht in der Konstellation eine „außergewöhnliche Möglichkeit für die deutsche Diplomatie“, den Prozess der europäischen Integration des Westbalkans zu beschleunigen, was dringend nötig sei. Eine Lösung der Probleme der Region könne es nur innerhalb der Europäischen Union geben, ist Sekulic, der zu den führenden Intellektuellen Bosnien-Herzegowinas gehört, überzeugt: „Wir brauchen diesen politischen Regenschirm.“Christian Schwarz-Schilling und Joachim Rücker sind klare Verfechter einer europäischen Integration des Westbalkans. Auch Bundeskanzlerin Merkel machte sich letzte Woche anlässlich des Besuchs des serbischen Präsidenten Boris Tadic in Deutschland für eine „europäische Perspektive“ für alle Länder dieser Region stark, ohne allerdings genauer auszuführen, was dies konkret bedeutet.*** ENDE ***--------------------------------------------------
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