Gott und eine Biene brachten den Erfolg
Karel Svoboda komponierte die Musik für die berühmte Zeichentrick-MajaJevany (n-ost) - An der Tür steht „Elektrovox Studio“, darunter klebt die Biene Maja. Ansonsten ist auf den ersten Blick nicht viel zu sehen von dem schwarz-gelben Insekt, das bei seiner Fernsehpremiere vor 30 Jahren Karel Svoboda schlagartig international bekannt machte. Der 67-jährige Tscheche komponierte die Musik für die berühmte Zeichentrickserie. „Die Maja“, sagt Svoboda, während er in Jeans und im kurzärmligen Hemd in seinem in braunen Holztönen eingerichteten Studio in Jevany in der Nähe von Prag sitzt, und dann hört er erst einmal wieder auf zu erzählen. Er arbeitet schließlich gerade, kontrolliert die Lieder, die er für seinen Freund Karel Gott neu arrangiert hat – Svoboda hat neben dem Bienenlied über 80 Hits für den bekanntesten tschechischen Sänger geschrieben.
Die Goldene Schallplate für Svobodas Komposition "Biene Maja". Foto: Thorsten ArendtDer Sound klingt gut, Svoboda ist zufrieden. Er steht auf, gestikuliert viel, wenn er darüber spricht, warum seine Titelsongs und Hintergrundmusik für über 900 Serienfolgen und Spielfilme – darunter „Pinocchio“, „Nils Holgersson“, „Wickie“, „Der fliegende Ferdinand“ oder „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ – so gut bei Groß und Klein ankommen. „Ich bin ein romantischer Dramatiker, ich mag starke Melodien und Emotionen“, ruft der gebürtige Prager und schlägt mit der Faust auf seine kräftige Brust. Die Songs dürfen nie zu einfach sein, fügt er hinzu. „Für Kinder macht man immer ,backe, backe Kuchen’, dabei finden die komplexe Lieder ebenso interessant.“ Einen Klassiker wie die Biene Maja kann man nicht planen, auch das sagt Svoboda. Wie viele seiner Lieder war diese Melodie eine „Blitzidee, einer dieser Augenblicke, in denen man selbst überrascht ist“. Er schickt den Song damals zum ZDF, das die Serie mitproduzierte, zurück kam ein Telegramm: „Herr Svoboda, die Musik ist sehr gelungen“, hieß es darin, erzählt der Komponist. „Das hat mich sehr gefreut“, sagt er leise. Bevor er die Titelmelodie schreibt, beginnt der junge Karel Svoboda ein Medizinstudium. Seine Eltern möchten, dass er Zahnarzt wird. Der Vater war Geschäftsmann und hatte nach der Machtübernahme durch die Kommunisten den gesamten Besitz verloren. Der Sohn soll deshalb etwas Nützliches lernen, „für die ganze Familie“. Svoboda muss zunächst im Bergbau und als Traktorfahrer sein „Kaderprofil“ verbessern, in der kommunistischen CSSR bevorzugt man Abiturienten aus Arbeiterfamilien.„Meine Eltern begingen allerdings einen großen Fehler“, erinnert sich Svoboda. Sie schenken ihm ein Piano. Statt zu studieren, macht er Musik, nimmt Klavierunterricht, spielt in den ersten Bands. Mit seiner von Cliff Richard und Chuck Berry beeinflussten Gruppe Mefisto tritt er in verschiedenen Clubs auf. Für die Laterna Magica, ein avantgardistisches Theater in Prag, in dem sich Film, Licht, Musik, Ballett und Pantomime mischen, komponiert er Stücke. „Das war alles ein bisschen satirischer als es die Kommunisten wollten“, sagt Svoboda und lacht.
"Ich bin ein romantischer Dramatiker": Der 67-jährige Svoboda an seinem Klavier. Foto: Thorsten Arendt Anfang der 60er Jahre sind „gute Zeiten für Kultur“, erklärt er. Die Politik entspannt sich, tschechische Bands nehmen an internationalen Wettbewerben teil. Svobodas Kompositionen tauchen im Repertoire aller bedeutenden tschechischen Sänger auf, das Leben war einfacher für die Musiker. Als aber nach dem kurzen „Prager Frühling“ 1968 die Panzer der Sowjetunion einrollen, kommen die kulturellen Entwicklungen zum Stillstand. Karel Svoboda hat Glück. Und er weiß das. „Ich durfte immer raus und habe wahrscheinlich mehr in Deutschland gelebt als in Prag.“ Er bringt Devisen ins Land, darauf ist die CSSR angewiesen – Mitglied der kommunistischen Partei wird er nicht. Der Schock des Kapitalismus, der viele seiner Landsleute gepackt hat, ist für Svoboda 1989 auch wegen seiner vielen Erfahrungen im Ausland kein Problem. Nach der friedlichen Revolution in der Tschechoslowakei orientiert er sich in unterschiedliche Richtungen. Er kandidiert – erfolglos – für das erste tschechoslowakische Parlament und gründet dann mit Unterstützung von Radio Antenne Bayern eine Radiostation, die sich schnell zu einer Größe im nun freien Prager Rundfunk mausert. „Ich habe meinem Vaterkomplex nachgegeben und endlich auch einmal als Unternehmer gearbeitet“, sagt er und lacht. „Und vor allem liebe ich das Radio, es ist überall und hat eine große Wirkung auf die Menschen“, begründet er seinen Ausflug in den Teil der Medienbranche. Seinem Namen – Svoboda heißt auf Deutsch übersetzt „Freiheit“ – macht er dann wieder alle Ehre. Er verkauft nach sieben Jahren seine Anteile an dem Sender und komponiert wieder. Mit großem Erfolg: Für den Film „Und keiner weint mir nach“, den der deutsche Regisseur Joseph Vilsmeier 1996 veröffentlicht, schreibt er die Filmmusik. Kurz zuvor hat sein Musical „Dracula“ Premiere, das in Prag alleine 1,25 Millionen Menschen sehen und das mittlerweile mit großem Erfolg in acht Ländern aufgeführt wurde; im Jahr 2000 läuft die Erstaufführung des Musicals „Monte Christo“, außerdem arbeitet er in den vergangenen Jahren für eine Soap Opera, die täglich zwei Millionen Tschechen einschalten. Die Lieder zu den Serien und Filmen begründen Svobodas erfolgreiche Karriere – von der tschechischen Plattenfirma Supraphon bekam er eine Platinplatte für insgesamt zehn Mio. verkaufte Singles, LPs, CDs und Musikkassetten –, die Musicals aber, die sein Freund und Manager Jiri Paulu in alle Welt verkauft, sind seine Leidenschaft. „Ich kann die Melodien so arrangieren, dass sie gemeinsam mit dem Text im Mittelpunkt stehen“, beschreibt Svoboda den Unterschied zur Filmmusik. „Für die Soundtracks muss ich mich dagegen an den Bildern orientieren, die Musik hat dem Film zu dienen“, erklärt er. Seine Arbeit hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert, sagt Svoboda. Die technische Entwicklung ist Fluch und Segen zugleich: „Mit dem MP3-Format und Internet kann ich viel schneller Lieder hin- und herschicken, besser abspeichern und einfach bequemer arbeiten. Auf der anderen Seite macht es die Technologie den Raubkopierern aber viel leichter.“ Als Komponist ist er davon besonders betroffen. Interpreten verdienen ihr Geld auch durch Auftritte, die Künstler im Hintergrund dagegen sind auf die Verkäufe der Tonträger angewiesen. Ansonsten stört ihn seine geringere Popularität – zum Beispiel im Vergleich zu Karel Gott – nicht besonders. „Hier in Tschechien werden wir oft angesprochen. Das ist manchmal auch nicht so angenehm, weil viele Leute neidisch sind.“ Sein Bekanntheitsgrad ist aber groß genug, um sich in viele Projekte einzubringen. Tschechische Nachwuchskünstler unterstützt er bei ihrem mühsamen Weg in das Musikgeschäft, bei einer viel persönlicheren Angelegenheit hilft er seiner zweiten Frau: Die gemeinsame Tochter starb im Jahr 2000 mit vier Jahren an Blutkrebs, seine Frau rief danach eine Leukämie-Stiftung ins Leben. Von Schicksalsschlägen blieb Svoboda auch sonst nicht verschont. Seine erste Frau, mit der er zwei Kinder hat, verstarb 1992, vor knapp zwei Jahren überlebt er selbst zusammen mit Jiri Paulu einen schweren Verkehrsunfall in seinem völlig zerstörten Wagen. Svoboda aber leidet nicht, sondern redet lieber über schöne Dinge. Über den Jugendstil zum Beispiel, der auch an seinem Arbeitsplatz, in seinem Wintergarten, nicht zu übersehen ist: Auf dem Piano stehen Lampen mit Blumenverzierungen, darüber hängen florale Bilder, eine Statue einer Muse schaut ihm auf seine Finger, die über die Tasten gleiten. Er improvisiert ganz versunken Melodien, die mal nach Blues, mal nach klassischen Sinfonien klingen. Und erzählt dabei Geschichten, die ihm durch seine Musik passiert sind. Er erzählt von einer Party in München, mit Udo Jürgens, bei der er Klavier spielte. „Die Polizei kam, weil sich einige Nachbarn beschwert haben, über die Musik.“ Er schüttelt den Kopf. Dann lacht er, „es war natürlich auch schon vier Uhr in der Früh.“ Die Mischung aus Geschichts- und Kunstinteresse, Geschäftssinn und Liebe zur Musik zeichnet Svoboda aus – und der Drang, immer weiter zu arbeiten. Die Frage, ob er sich irgendwann einmal Ruhe gönnen will, beantwortet er einfach nicht. Er zeigt lieber noch einmal die fünf goldenen Schallplatten, die er allein für den Biene Maja-Song bekommen hat. „Es ist immer genug Ansporn da, weiterzumachen.“ Info-Kasten
Karel Svoboda wurde am 19. Dezember 1938 in Prag geboren. Der Komponist begann seine musikalische Karriere mit der satirischen Band Mefisto, komponierte Stücke für die Laterna Magica, ein bekanntes avantgardistisches Theater in Prag. Der große Erfolg kam aber erst mit der Filmmusik. Er schrieb die Musik zu Serien und Filmen wie „Pinocchio“, „Wickie“, „Nils Holgersson“, „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ – der Film gewann auf der ganzen Welt diverse Filmpreise und wurde in Tschechien zum besten Märchenfilm des 20. Jahrhunderts gewählt, „Biene Maja“, „Wie man Dornröschen wachküsst“, „Aber Doktor!“, „Unterwegs nach Atlantis“, „Der fliegende Ferdinand“, „Tao Tao“, „Die Besucher“, „Zirkus Humberto“, „Jack Clementi - Anruf genügt“ oder „Und keiner weint mir nach“, den der deutsche Regisseur Joseph Vilsmeier drehte. Neben „Dracula“ entwickelte er auch das Musical „Monte Christo“ (2000), außerdem arbeitet er für eine Soap Opera, die täglich zwei Millionen Tschechen einschalten. Sein Erfolg in der Heimat ist gewaltig: Von der tschechischen Plattenfirma Supraphon bekam er eine Platinplatte für insgesamt zehn Mio. verkaufte Singles, LPs, CDs und Musikkassetten.
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Die angefügten Bilder sind vom Fotografen Thorsten Arendt (die Abrechnung erfolgt über Marc-Stefan Andres)
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