Kosovo

Bodenschätze als Weg aus der Armut?

Joachim Rücker, der deutsche Chef der UN-Übergangsverwaltung im Kosovo (UNMIK), hat mehrfach bewiesen, dass er mit Geld und Zahlen umgehen kann. Als Oberbürgermeister von Sindelfingen sanierte der SPD-Mann in den 1990er Jahren den in Schieflage geratenen Haushalt der schwäbischen Stadt. Bevor der 55-jährige am 1. September 2006 sein Amt als UNMIK-Chef antrat, war er verantwortlich für den wirtschaftlichen Wiederaufbau im Kosovo. Rücker sollte also wissen, wovon er spricht, wenn er die ökonomischen Perspektiven des Kosovo und seiner 1,9 Millionen Einwohner beurteilt. „Kosovo hat die Chance, auf einen nachhaltigen Wachstumspfad zu kommen“, ist Rücker überzeugt.


Joachim Rücker, der deutsche Chef der UN-Übergangsverwaltung im Kosovo (UNMIK), glaubt an das wirtschaftliche Potenzial des Kosovo. / Norbert Rütsche, n-ost

Die vorliegenden Zahlen lassen eigentlich wenig Spielraum für Optimismus. So liegt die Arbeitslosenquote nach UNMIK-Schätzungen im Kosovo bei 35 bis 50 Prozent. Gemäß der Weltbank betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen 2005 pro Kopf gerade mal 1250 Euro. 37 Prozent der Bevölkerung müssen mit weniger als 1,50 Euro pro Tag auskommen – das Kosovo gehört mit zu den ärmsten Regionen Europas. Die Infrastruktur ist trotz internationaler Hilfe von fast drei Milliarden Euro seit 1999 vielerorts noch immer in einem katastrophalen Zustand. Stromausfälle sind nach wie vor an der Tagesordnung, das Außenhandelsdefizit ist enorm.

Dennoch ist Wirtschaftsfachmann Rücker recht optimistisch. Übereinstimmend mit der Weltbank setzt der UNMIK-Chef seine Hoffnung auf die Bodenschätze: „Im Kosovo sollen 45 Prozent der Braunkohlereserven Europas liegen“. Damit könnte das Kosovo mittelfristig mit hochmodernen, umweltfreundlichen Anlagen einen wichtigen Beitrag zur Stromproduktion auf dem Balkan leisten, zum Beispiel als Ersatz für die bulgarischen Atomkraftwerke, die bald vom Netz genommen würden. Zudem verweist Rücker im gespräch mit dieser Zeitung auf die reichen Vorkommen an Nickel, Eisenerz und Zink.

Auch bei der Landwirtschaft sieht der UNMIK-Chef ein großes Potential: „Es könnten so viele Lebensmittel im Kosovo produziert werden, wie heute importiert werden.“ Die Entscheidung zum Status des Kosovo, die in den nächsten Wochen im UN-Sicherheitsrat fällt, werde natürlich nicht alle Wirtschaftsprobleme lösen. Aber mit Sicherheit erleichtere dies den Zugang zu den internationalen Finanzorganisationen, so Rücker.


Warten auf den Wirtschaftsaufschwung: Landstraße bei Prizren. / Jo Dethlefs, n-ost

Blerim Shala, der kosovarische Verhandlungsleiter bei den Statusgesprächen in Wien, setzt auf die starke Diaspora, um die Wirtschaft im Kosovo voranzubringen. „Unsere Leute haben Millionen und Milliarden im Ausland verdient. Aber sie werden nur investieren, wenn der Status geklärt ist.“ Shala räumt ein, dass das Kosovo auch nach der Unabhängigkeit noch einige Jahre von internationaler Hilfe abhängig sein wird. „Es braucht zwei Milliarden Euro, um die Wirtschaft zum Funktionieren zu bringen.“ Die Hälfte davon will Shala für den Bau eines neuen, hochmodernen Braunkohlekraftwerkes einsetzen. Er ist überzeugt, dass das Kosovo eine Priorität von EU und USA sein werde. Denn diese Länder wüssten genau, dass ein erneuter Konflikt mit unzähligen Asylsuchenden sie viel teuer zu stehen kommen würde.


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