Kirgisistan

Steinmeier im kirgisischen Hexenkessel

Auf dem Ala-Too, dem zentralen Platz der kirgisischen Hauptstadt, unmittelbar vor dem Regierungsgebäude, stehen 70 türkisfarbene Zelten und vier große Jurten. Am Freitag versammelten sich 5.000 Menschen auf dem Platz. Sie forderten den Rücktritt von Präsident Kurmanbek Bakijew. Die Demonstranten werfen dem ehemaligen Führer der Tulpenrevolution vor, er tue nichts gegen die Korruption im Land und verschleppe die Verfassungsreform. Am Donnerstag waren 20.000 Menschen zu einer Großkundgebung gekommen. 1.000 Demonstranten hatten die Nacht über auf dem Platz ausgeharrt. Oppositionsführer Edil Bajsalow erklärte auf der Kundgebung am Donnerstag, „wir haben sehr lange Gespräche mit ihm (dem Präsidenten) über eine Verfassungsreform geführt, länger werden wir nicht warten.“ Vor den Präsidentschaftswahlen habe Bakijew versprochen, das System der Vetternwirtschaft abzuschaffen, welches der gestürzte Präsident Askar Akajew aufgebaut hatte. „Und jetzt klammert er sich an die präsidialen Privilegien der Verfassung von Akajew.“

Gespannte Lage

Die Situation in Bischkek ist äußerst gespannt. Noch gut in Erinnerung sind die Ausschreitungen während der Tulpenrevolution. Anhänger des gestürzten Präsidenten Askar Akajew hatten Oppositionelle auf der Straße überfallen. Arme Jungendliche aus der Provinz zogen plündernd durch die Innenstadt. Die Führer der Opposition hatten die Kontrolle über den jugendlichen Mob verloren. Ministerpräsident Felix Kulow erklärte im staatlichen Fernsehen: „Jeder Versuch, die Situation zu destabilisieren, wird hart unterbunden.“ Am Freitag enthüllte Kulow im Parlament einen angeblichen Umsturzplan der Opposition. Man habe eine Diskette mit dem Plan sichergestellt, hieß es. Danach wolle die Opposition in der Hauptstadt staatliche Gebäude besetzen. Im Parlament wurde eine Tonband-Aufnahme von einem Oppositions-Treffen abgespielt, bei dem es angeblich um die Besetzung von Gebäuden ging.

Gefälschte Tonbandaufnahme

Oppositionsführer Omurbek Tekebajew von der Bewegung „Für Reformen“ erklärte, das Band sei nur zum Teil echt. Einige Worte seien hinzugefügt worden. Mit der Leitung des Fersenzentrums sei vereinbart worden, dass die Opposition am Abend eine halbe Stunde Sendezeit bekomme, so Tekebajew. 500 Demonstranten hatten während der Verhandlungen vor dem Fernsehzentrum demonstriert.

Schwierige Lage für Steinmeier

Der Konflikt in Bischkek schafft keinen angenehmen Rahmen für den Besuch des deutschen Außenministers, der am Freitagnachmittag in Bischkek erwartet wurde. Steinmeier, der zuvor Kasachstan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan besucht hatte, wird von einer Wirtschaftsdelegation begleitet. Bei den Treffen in den zentralasiatischen Hauptstädten hatte der Außenminister immer auch die Frage der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit angesprochen. Nun steht der Vertreter Deutschlands unversehens mitten in einer harten innenpolitischen Krise, die jederzeit eskalieren kann. Für Steinmeier ist sowohl ein guter Draht zur Regierung als auch zur Opposition wichtig.

Das Themenspektrum in Bischkek ist weit gespannt. Der deutschen Delegation geht es um die Perspektiven einer verstärkten Zusammenarbeit mit der EU, Menschenrechtsfragen, die Situation der Rechtsstaatlichkeit und den kulturellen Dialog. Auch ein Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft ist geplant. Die Bedeutung Kirgisiens für Deutschland liegt bisher nicht in den Wirtschaftsbeziehungen. Der kirgisische Außenhandel mit Deutschland beträgt nur 44 Mio. Euro. Der Großteil davon sind Importe aus Deutschland. Die Bedeutung Kirgisiens liegt mehr in seiner strategischen Lage in Zentralasien, nicht weit von Afghanistan. In der Nähe von Bischkek befinden sich ein russischer und ein US-Luftwaffenstützpunkt. Die 500 russischen Soldaten  „werden sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Republik einmischen“, erklärte der Generalmajor der russischen Luftwaffe, Michail Nikiforow.


Weitere Artikel