Kirgisistan

Durch den Hinterausgang verschwunden

Aus fünf verschiedenen Richtungen kamen die Kolonnen der Demonstranten gestern in die Innenstadt von Bischkek. Am Nachmittag war die Menge auf dem zentralen Platz vor dem Parlamentsgebäude auf 20.000 Menschen angewachsen. Die Demonstranten forderten den Rücktritt von Präsident Kurmanbek Bakijew und Ministerpräsident Felix Kulow. Der russische Fernsehkanal ORT zeigte lange Kolonnen von Polizisten, die mit Helmen, Schildern und Knüppeln bewaffnet vor dem Parlamentsgebäude aufmarschierten. Nach Angaben des Innenministeriums waren 6.500 Polizisten im Einsatz. Die Demonstranten schlugen Zelte auf und verkündeten eine unbefristete Protestaktion. Bis zum Abend kam es zu keinen Zwischenfällen.

Seit der Tulpenrevolution im März letzten Jahres hat sich viel Unmut angestaut. „Man hat uns die Revolution geklaut“, skandierten die Demonstranten. In Kirgisien herrschen Korruption und Vetternwirtschaft, wie unter dem im März letzten Jahres gestürzten Präsidenten Askar Akijew.

Kein neuer Verfassungsentwurf

Entgegen seinem Versprechen vom Vortag, am 2. November einen Entwurf für eine neue Verfassung vorzulegen, erklärte Präsident Bakijew mit Abgeordneten im Parlamentsgebäude, er werde den Entwurf erst am 6. November vorlegen. “Die Verfassung ist nicht das Dokument, welches man in ein, zwei Stunden annimmt.“ An dem Treffen mit dem Präsidenten nahmen 38 der 75 Parlamentsabgeordneten teil. Das Parlament ist gespalten: 25 Parlamentarier unterstützen die Forderungen der Opposition. Der Präsident hat offenbar keine Eile, Macht an das Parlament abzugeben. Kirgisien sei noch nicht reif für eine parlamentarische Republik, so die Meinung von Bakijew. Auf einem Treffen mit Unternehmern erklärte der Präsident, eine parlamentarische Republik könne man erst einführen, „wenn sich das Bruttoinlandsprodukt verdoppelt hat.“ Die Demonstranten hofften gestern auf ein Treffen mit dem Präsidenten, doch dieser verließ das Parlamentsgebäude durch den Hinterausgang.

Geschäfte aus Angst geschlossen

Die Geschäfte in der Innenstadt und der große Kleidermarkt von Bischkek waren am Donnerstag geschlossen. Die Geschäftsleute brachten ihre Waren in Sicherheit. Sie fürchteten eine Wiederholung der Plünderungen, die es im März letzten Jahres während der Tulpenrevolution gegeben hatte.Bei einem Treffen mit Mitgliedern von Nichtregierungsorganisationen wies Bakijew den Vorwurf zurück, dass die Regierung untätig sei.  „Vor eineinhalb Jahren, als ich mich das erste Mal an das Volk wandte, habe ich die Befreiung von der autoritären Führung versprochen. Das haben wir gemacht, ohne auf eine Änderung der Verfassung zu warten.“ Bakijew drohte mit einem harten Vorgehen der Sicherheitskräfte, wenn es in der Innenstadt von Bischkek zu Unruhen kommen sollte. Die auf der Luftwaffenbasis Kant nicht weit von Bischkek stationierten russischen Soldaten  „werden sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Republik einmischen“, erklärte der Generalmajor der Luftwaffe, Michail Nikiforow. „Die Regierung von Kirgistan hat sich nicht mit einem Hilfegesuch an uns gewandt.“ Kirgisien ist Mitglied eines von Russland initiierten  Kollektiven Verteidigungsbündnisses. Der kirgisische Präsident pflegt gegenüber Moskau freundschaftliche Beziehungen. Von den USA, die seit 2001 nicht weit von Bischkek ihren Luftwaffenstützpunkt „Manas“ betreiben, wurde im letzten Jahr eine erhebliche Erhöhung der Pachtgebühren gefordert.


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