Polen

Erika Steinbach gilt in Polen als Staatsfeindin

Warum die Vertriebenenpräsidentin eine Belastung für das deutsch-polnische Verhältnis ist/Premier Kaczynski: “Alles, was mit Frau Steinbach in Verbindung steht, soll enden”Posen/Berlin (n-ost) – Am liebsten würden viele Berliner Politiker die Person Erika Steinbach klein reden. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) klagte am Montag im Deutschlandfunk, es “grenzt schon an Absurdität”, dass einige in Polen die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV) als wichtigste deutsche Politikerin ansehen würden. Doch Steinbachs Rolle in den deutsch-polnischen Beziehungen wächst unaufhaltsam. Die CDU-Politikerin steht im Mittelpunkt des Streits über den Umgang mit der Kriegsvergangenheit – auch wenn sie weder der polnische Premierminister Jaroslaw Kaczynski noch Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag bei ihrem Auftritt vor der Berliner Presse beim Namen nannten.
Erika Steinbach bei der Eröffnung der Ausstellung "Erzwungene Wege" in Berlin. Fotograf: Jan ZappnerIn Polen ist Steinbach viel bekannter als in Deutschland und für viele eine Hassfigur. Die BdV-Präsidentin gilt dort als Polenfeind. "Wir wünschen uns, dass alles, was mit dem Namen von Frau Steinbach in Verbindung steht, so schnell wie möglich endet, denn daraus entspringt nichts Gutes für Polen, für Deutschland, für Europa", machte Kaczynski im August Merkels Parteifreundin für die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Berlin und Warschau verantwortlich. Für diese Worte kam der Premierminister am Tag der Eröffnung von Steinbachs Berliner Vertriebenenausstellung “Erzwungene Wege” extra in die Gedenkstätte des ehemaligen Nazi-Konzentrationslager Stutthof bei Danzig (Gdansk). Dort fügte er hinzu, die Erinnerung daran, "wer der Angreifer und wer das Opfer war", müsse eindeutig bewahrt werden. Die am Sonntag zu Ende gegangene Ausstellung wurde trotzdem mit 60.000 Besuchern und der Unterstützung von Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) zu Steinbachs bisher größtem Erfolg auf dem Weg zu einem Zentrum gegen Vertreibungen, das sie schon lange für die Hauptstadt fordert.


Erika Steinbach bei der Eröffnung der Ausstellung "Erzwungene Wege" in Berlin. Fotograf: Jan ZappnerIn Polen befürchten Politiker über alle Parteigrenzen hinweg, dass die Vertriebenenpräsidentin die Geschichte umschreibt und Deutsche zu Hauptopfern des Zweiten Weltkrieges verklärt. Besonders Steinbachs Verbalattacken gegen Polen machen im Nachbarland große Schlagzeilen. Zuletzt löste ein Interview im Deutschlandfunk Anfang September einen Proteststurm aus, weil das CDU-Bundesvorstandsmitglied behauptet hatte, Polen und Tschechoslowaken hätten die Deutschen schon vertreiben wollen, bevor Hitler auf den Plan trat. Wörtlich hatte Steinbach gesagt: “Ohne Hitler, ohne den Nationalsozialismus hätten all die Wünsche, Deutsche zu vertreiben, die es in der Tschechoslowakei schon davor gegeben hat, die es in Polen schon davor gegeben hat, niemals umgesetzt werden können.” Außerdem setzte sie das von ihr geforderte Zentrum gegen Vertreibungen mit dem Museum für den Warschauer Aufstand von 1944 gleich.Mit diesem "skandalösen Interview" habe sich Steinbach endgültig für jeden Dialog mit den polnischen Nachbarn disqualifiziert, befand auch die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Angelica Schwall-Düren. "Mir scheint, Frau Steinbach wird uns noch lange das Leben schwer machen", klagte der ehemalige polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski.

Auch viele Tschechen glauben, dass die 63-jährige Steinbach nicht als Ausstellungsmacherin taugt. Schließlich stimmte sie im Bundestag 1997 gegen die deutsch-tschechische Aussöhnungserklärung und bezeichnete sie als "Schlussstricherklärung". Steinbach lehnte 1990 als eine von wenigen Abgeordneten sogar die Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze ab. "Man kann nicht für einen Vertrag stimmen, der einen Teil unserer Heimat abtrennt", protestierte sie gegen das Grenzabkommen.

Es sind Sätze wie diese, die in Polen für die schärfsten Reaktionen sorgen. "Lügnerin" und "Heuchlerin" wird sie dann genannt. Ein wichtiger Grund dafür liegt auch in der Biographie der Vertriebenenpräsidentin. Erika Steinbach wurde im Juli 1943 als Kind eines deutschen Besatzungssoldaten in der seit 1919 zu Polen gehörenden Kleinstadt Rumia (Rahmel) in der Nähe von Gdingen (Gdynia) geboren. Ihr Vater war ein Luftwaffenfeldwebel aus dem hessischen Hanau, der im Zweiten Weltkrieg auf einer Flugzeugbasis bei Rumia stationiert wurde. Auch ihre Mutter stammte nicht aus Rumia, sondern aus Bremen. Am Ende des Krieges flüchtete die Mutter mit der zweijährigen Erika Steinbach aus Rumia nach Westen.In Polen spricht man Steinbach als Kind eines Besatzungsoffiziers, der kurzzeitig in Polen stationiert war und mit seiner Arbeit für die Unterdrückung und Vernichtung von Polen und Juden zu sorgen hatte, schlicht das Recht ab, die deutschen Vertriebenen zu repräsentieren. Doch die Politikerin verweist darauf, dass ihre Eltern Vertriebenenausweise besessen hätten. Auf die Frage, woher sie stamme, antwortete sie einmal: "Ich bin geboren in Westpreußen, kann mich aber überhaupt nicht erinnern an den Geburtsort: Ich war erst zwei, als meine Mutter mit mir floh."Es nutzt wenig, dass sich die Vertriebenenpräsidentin längst von ihren revisionistischen Positionen losgesagt hat. Mit der Oder-Neiße-Linie hat sie sich abgefunden. "Das war eine andere Zeit", begründet sie ihre frühere Ablehnung des deutsch-polnischen Grenzvertrags. Wiederholt hat sich Steinbach auch gegen die Aktivitäten einer so genannten Preußischen Treuhand gewandt, die im Auftrag von 1000 Vertriebenen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte von Polen die Rückgabe von enteignetem deutschen Besitz einklagen will.Weiter kämpfen will Steinbach allerdings gegen "Vertreibungs- und Entrechtungsgesetze", die ihrer Ansicht nach bis heute in Polen, Tschechien, der Slowakei und Slowenien in aktuellen Gerichtsurteilen "zu spüren sind". Deshalb trug sie 2003 den Beitritt dieser vier Länder zur EU auch nur unter "Vorbehalt" mit, wie sie im Bundestag erklärte. Den Ausschlag gab, dass das Parlament nur im Paket über die Aufnahme aller zehn osteuropäischen und Mittelmeer-Staaten abstimmte und nicht über jedes Land einzeln. Wörtlich sagte sie: "Da wir heute mit nur einem einzigen Votum über alle Beitrittskandidaten, auch über die nicht davon betroffenen Länder beschließen, werde ich der Vorlage mit diesem eben angebrachten Vorbehalt zustimmen."Erika Steinbachs Lebenswerk, das "Zentrum gegen Vertreibungen", stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Das begann damit, dass Steinbach das Zentrum anfänglich "in geschichtlicher und räumlicher Nähe" zum Berliner Holocaust-Mahnmal ansiedeln wollte, so eine Forderung aus dem Mai 2000. "Im Grunde genommen ergänzen sich die Themen Juden und Vertriebene miteinander. Dieser entmenschte Rassenwahn hier wie dort, der soll auch Thema in unserem Zentrum sein", sagte Steinbach damals der Leipziger Volkszeitung. Später ruderte Steinbach zurück und verwahrte sich entschieden dagegen, dass ihr Projekt mit dem "Holocaust-Mahnmal" zusammenhänge. Sie brachte deshalb sogar eine Journalistin vor Gericht, verlor aber den Prozess.Während der Bundestag 2002 in einer Resolution für ein Vertriebenenzentrum "europäische Partner" verlangte, tut sich Steinbach damit schwer. "Wir haben jetzt nicht mehr versucht, einen polnischen Wissenschaftler zu finden", sagte sie dieser Zeitung. Die dem Zentrumsbeirat angehörende Publizistin Helga Hirsch sei jedoch eine exzellente Polen-Kennerin. Ein Historiker aus Bromberg (Bydgoszcz) hatte sich laut Steinbach schon vor einigen Jahren "wegen Repressionen im eigenen Land aus dem Beirat zurückgezogen". Übrig blieb in diesem Gremium ein einziger tschechischer Wissenschaftler.Den Widerstand gegen das "Zentrum gegen Vertreibungen" könnte Steinbach vermutlich nur brechen, wenn sie das Projekt aus ihren Händen geben würde. "Das werde ich nicht tun", lehnt sie das jedoch ab, mit der Einschränkung: "Zu einem Rücktritt wäre ich nur bereit, wenn die Polen mir eine Liste mit Straftaten vorlegen würden, für die ich verantwortlich bin."Ende------------------------------------------------
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