Verärgerung über Filmsatire
In Borat Sagdijews Kasachstan herrschen barbarische Sitten. Jede Frau ist eine Prostituierte, Schwule werden hingerichtet, Juden verfolgt und ans Kreuz genagelt. Der Kult-Kasache, der vom britischen Komiker Sacha Baron Cohen gemimt wird, verlässt im Kinospektakel „Borat – der Film“ sein „Heimatland“ und reist als Reporter in die USA – dort soll er lernen, wie ein ordentlicher demokratischer Staat funktioniert.
Cohen konfrontiert auf der Reise echte Menschen im echten Leben mit seiner Figur. „In meinem Land gibt es drei große Probleme: wirtschaftliche, soziale und Juden“, so seine Maxime.
In einer klapprigen Flugzeugattrappe der kasachischen Gesellschaft „Air Astana“ war Sacha Baron Cohen alias „Borat Sagdijew“ bei den MTV Music Awards in Lissabon 2005 auf der Bühne gelandet – samt einäugigem Piloten und Wodka-Flasche. Damals machte Cohen mit „Borat“ das erste Mal Schlagzeilen. Das kasachische Außenministerium witterte kurz vor der Präsidentschaftswahl Ende letzten Jahres eine Verschwörung: „Wir schließen nicht aus, dass Mr. Cohen ein politisches Interesse verfolgt und Kasachstan und seine Bevölkerung in schlechtem Licht präsentieren will“, sagte damals ein Sprecher auf einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Astana.
Cohen hatte Kasachstan als hinterwäldlerischen Kommunistenstaat dargestellt, in dem Prostitution und Diskriminierung von Randgruppen zum Tagesgeschäft gehören. Bekannt wurde der britische Komiker durch seinen ersten Film „Ali G. ist in da House“. Er spielt darin den Möchtegern-Gangsta-Rapper Ali G., den er mit seiner gleichnamigen Show populär gemacht hatte.
Auf einem ähnlichen Konzept basiert auch Cohens neuer Film: Zur Filmpremiere Mitte dieser Woche in London erschien er als Borat Sagdijew in einem hölzernen Wagen, gezogen von einem Maultier, im Gepäck mehrere Fässer Pferde-Urin. Das erdöl- und erdgasreiche Kasachstan weist mit neun Prozent das höchste Wirtschaftswachstum in Zentralasien auf. Nationalgetränk ist nicht Urin, wie die Kunstfigur Borat suggeriert, sondern gegorene Stutenmilch, und dem offiziellen Regierungsprogramm zufolge soll spätestens im Jahr 2030 die Armut in Kasachstan weitgehend abgeschafft sein. Internationale Nichtregierungsorganisationen kritisieren allerdings immer wieder die Nichteinhaltung von Demokratie und Menschenrechten in dem Transformationsland. Erst im Frühjahr des Jahres wurde unter Präsident Nursultan Nasarbajew die Pressefreiheit stark eingeschränkt.
Dass der Film jemals in kasachischen Kinos gezeigt wird, ist somit mehr als fraglich. Der Pressesprecher des Außenministeriums, Jerschan Aschikbajew, sagt, man wolle den Film nicht verbieten. „Aber ich hoffe, dass die Filmindustrie sich ihrer Verantwortung bewusst ist und den Streifen nicht zeigt.“ Oleg Baretzki, Leiter des Filmclubs in Almaty, rechnet eher damit, dass „Borat“ demnächst als Piratenkopie auf DVD vom russischen Markt nach Kasachstan gelangt.
Die Regierung hatte im Oktober mit einer groß angelegten Imagekampagne auf den Film reagiert. Das Außenministerium finanzierte Sonderbeilagen in deutschen Tageszeitungen, schaltete ganzseitige Anzeigen in der US-amerikanischen „New York Times“ und der „Herald Tribune“ und ließ die Internetdomain www.borat.kz sperren.
Den letzten Höhepunkt kurz vorm Start des neuen Films lieferte der kasachische Botschafter in Großbritannien: Als „Schwein von einem Mann“ bezeichnete Diplomat Jerlan Idrissow den britischen Komiker in einem Beitrag in der englischen Tageszeitung „Guardian“. Auch Kasachen in Deutschland sind von dem Film nicht begeistert. „Ich kann verstehen, dass sich niemand von uns das anschauen will“, sagt Aisulu Kysbikenowa. Die 28jährige Kasachin hat vor kurzem ihr Studium in Hildesheim abgeschlossen und lebt schon sieben Jahre in Nordrhein-Westfalen. „Seitdem Sacha Cohen unser Volk als borniert, sexistisch und antisemitisch darstellt, kann ich ihn auch nicht leiden."
Versöhnliche Töne stimmt dagegen Rachat Alijew, Vize-Außenminister und Schwager des Präsidenten Nursultan Nasarbajew an. Man solle in Kasachstan Humorgefühl entwickeln und fremdes Schaffen achten, meint der Politiker. Präsident Nasarbajew selbst hatte sich erst kürzlich während seines Besuchs in den USA im September bei George W. Bush über die Späße des Briten beschwert, während Cohen als Borat vor dem Weißen Haus in Washington eine Pressekonferenz abhielt.
Zum Gegenschlag auf Augenhöhe holt jetzt der kasachische Showmaster Schantemyr Baimuchamedow aus. Er plant einen Film, in dem er den Bruder Borat Sagdijews spielt. Die Unterstützung des kasachischen Außenministeriums ist ihm nach Informationen der Zeitung „Wremja“ gewiss.