Polen

Fernsehen zeigt Stimmenkauf durch Kaczynski

Eine versteckte Kamera könnte das Ende des polnischen Premiers bedeutenWARSCHAU (n-ost).  Am Ende könnte der polnische Premierminister Jaroslaw Kaczynski und seine Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) über die Medien gestolpert sein, die Kaczynski selbst stets für sein schlechtes Image verantwortlich gemacht hat. Der größte polnische Privatfernsehsender TVN filmte einen engen Vertrauten des Premiers, Vizeparteichef  Adam Lipinski, dabei, wie er versucht die Abgeordnete Renaty Beger der Partei Samoobrona (Selbstverteidigung) als Überläuferin zu einer künftigen Regierungsmehrheit der PiS zu gewinnen. Die Koalition mit der Samoobrona war erst vor wenigen Tagen im Streit um den Landwirtschaftsetat ihres Parteivorsitzenden und Vize-Premierministers Andrzej Lepper auseinander gebrochen. Das heimlich gefilmte Material der Magazinsendung „Teraz my“ (Und jetzt wir) zeigt Lipinski und Wojciech Mojzesowicz, beides Staatssekretäre in der Kanzlei des Premierministers, im Gespräch mit der Samoobrona-Abgeordneten. Die PiS-Politiker bieten ihr an, aus der Samoobrona auszutreten und gleichzeitig PiS-Mitglied zu werden, dafür könne sie dann ihren bisherigen Posten im Landwirtschaftsministerium behalten. „Das ist das geringste Problem, wir haben ja viele Posten“, sagt dazu Adam Lipinski in dem Fernsehbeitrag. Außerdem bietet er Beger an, sich um das Problem mit der von Andrzej Lepper angekündigten Vertragsstrafe zu kümmern. Dieser will 137.000 Euro von jedem Überläufer einfordern, weil sämtliche seiner Fraktionsmitglieder eine entsprechende Vereinbarung gegen einen Fraktionswechsel unterschrieben haben."organisierte Korruption"Nun fordern alle anderen Fraktionen Klarheit. „Damit hat sich die politische Krise vervielfacht“, sagte Jaroslaw Kalinowski, Stellvertretender Parlamentspräsident und Vorstandsmitglied der Bauernpartei „polnisches Volksbündnis“ (PSL), die sich gestern (Mittwoch) eigentlich mit der PiS zu ernsthaften Sondierungsgesprächen über eine mögliche Koalitionsbildung treffen wollte. „Das ist wohl das Ende der IV. Republik“, so Kalinowski weiter. Die IV. Republik ist die nationale Regierungsidee der Kaczynski-Partei, die eine moralische Erneuerung des korrupten Polens herbeiführen will und sich gegen Beamtenwillkür und für ein neues Selbstbewusstsein der Polen – auch nach Außen – einsetzt. Und die PiS besteht auf weiteren Gesprächen mit der PSL, auch nach dem Skandal.Unterdessen fühlt sich die größte Oppositionspartei, die rechtsliberale Bürgerplattform (PO), darin bestätigt, dass Premierminister Jaroslaw Kaczynski „organisierte Korruption“ betreibt, um eine neue Mehrheit zusammen zu kriegen. PSL und PO pochen nun auf eine außerordentliche Sitzung des Sejm, des polnischen Parlaments, das eigentlich erst wieder am 10. Oktober tagt. Für diese Sitzungsperiode hatte Premier Kaczynski vor der Ausstrahlung des Fernsehbeitrags über den Stimmenkauf bereits die Vertrauensfrage angekündigt, die PO fordert dagegen baldige Neuwahlen. Unterdessen gibt es eine neue Meinungsumfrage im Auftrag der Zeitung „Rzeczpospolita“, die nur noch drei Fraktionen im Sejm vertreten sieht. Demnach käme die PO auf 31 Prozent der Wählerstimmen, die PiS auf 21 und die Samoobrona auf acht Prozent. Die bisherige national-klerikale  Regierungspartei LPR (Liga polnischer Familien) wäre dann ebenso nicht mehr im Sejm vertreten wie die Postkommunisten der SLD und die Bauernpartei PSL. Bei dieser werden – wohl auch wegen der schlechten Umfragewerte – nun immer mehr Stimmen laut, die nach einer Koalition mit der liberalen PO rufen."Ende der Regierung"Dennoch wehrt sich die PiS auch nach der Veröffentlichung der Skandalbilder auf TVN heftig gegen die Manipulationsvorwürfe. So schreibt der gefilmte stellvertretende PiS-Vorsitzende Adam Lipinski in einem Beitrag für die regierungsnahe Boulevard-Zeitung „Fakt“: „Frau Beger ist auf uns zugekommen, nicht andersrum“, und nennt den ganzen Fernsehbeitrag „Sabotage“ und eine „Provokation der Samoobrona“. „Schade, dass das Material nicht zeigt, dass Frau Beger uns zuerst über einen Mittelsmann kontaktiert hat“. Und auch viele der regierungsnahen Kommentatoren sehen in dem Beitrag eine lancierte Affäre der Samoobrona, während sich die liberale „Gazeta Wyborcza“ schon im ersten Satz festlegt: „Im Hotelzimmer der Abgeordneten Beger endete die Regierung von Jaroslaw Kaczynski.“Ende------------------------
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