Polen

Deutscher Korrespondent beschuldigt

Journalisten sollen eine Mitschuld an den deutsch-polnischen Spannungen habenWARSCHAU (n-ost). In der hitzigen Debatte um die von der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen organisierten Ausstellung "Erzwungene Wege" geraten in Polen deutsche Korrespondenten immer stärker ins Visier der regierungsnahen konservativen Presse. Diese stützt die fixe Idee des Premierministers Jaroslaw Kaczynski von der Partei "Recht und Gerechtigkeit", der die deutschen Berichterstatter für das schlechte Image seiner Regierungspolitik in Deutschland verantwortlich macht. Initialzündung war die im Juli in der taz veröffentlichte Satire auf den Zwillingsbruder des Premierministers, Staatspräsident Lech Kaczynski, die sich zur "Kartoffelaffäre" entwickelte und das Fanal für eine massive Kritik an den deutschen Medien gab. „Polen beleidigt man nicht ungestraft“, drohte daraufhin die Tageszeitung „Nasz Dziennik“, die 16 deutsche Journalisten namentlich nannte und damit gleichsam an den Pranger stellte. „Nasz Dziennik“ steht der nationalkatholischen Regierungspartei der „Liga der Polnischen Familien“ nahe. Dann  legte der an der Universität Bremen lehrende Soziologe  Zdzislaw Krasnodebski nach. „Die deutsche Presse attackiert uns“, klagte er in der vom Axel-Springer-Verlag herausgegebenen Tageszeitung „Dziennik“. Zuletzt nahm das Wochenmagazin "Wprost" die Berichterstattung der Korrespondenten der "Frankfurter Allgemeinen" und der "Süddeutschen Zeitung" ins Visier: "In den deutschen Medien kommen die Gebrüder Kaczynski schlechter als Lukaschenko weg". Selbst die beiderseits der Oder beliebte Polenbeauftragte der Bundesregierung, Gesine Schwan, hat nun entdeckt, dass auch die deutsche Journaille Schuld an dem derzeitigen deutsch-polnischen Verhältnis sein soll. In der angesehenen Tageszeitung "Rzeczpospolita" macht sie Thomas Urban, den langjährigen Korrespondenten der "Süddeutschen Zeitung" und selbst regelmäßiger Gastautor der „Rzeczpospolita“, für das schlechte Bild der polnischen Politik in Deutschland mitverantwortlich:  "Thomas Urban, Polenkenner und Autor eines Buches über die Vertreibungen, seit Jahren aktiver Befürworter des Zentrums gegen Vertreibungen Erika Steinbachs, hat nach Eröffnung der Ausstellung in vielen Artikeln das negative Bild Polens bestätigt, in dem er Polen mit polnischen Nationalisten vermengt hat, die polnische Kirche mit der polnischen Rechten, so dass der wenig orientierte Leser sich nur merkt, dass die Polen merkwürdig und unerträglich sind (...). Die Logik ist folgende: Je schlechter die Polen dabei ausfallen, desto besser ist es für die Ausstellung". Für Thomas Urban, der seit vielen Jahren in Polen lebt und als einer der besten Kenner der deutsch-polnischen Beziehungen gilt, ist das ein Skandal. Nach eigenem Bekunden wird seine Familie seither massiv bedroht, weil er nun als "Steinbachowiec" gelte, als Parteigänger der in Polen verhassten Erika Steinbach, der Vorsitzenden der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen. "Es ist wohl ein Novum, dass ein Vertreter der Bundesregierung in einer emotional ohnehin höchst aufgeladenen Atmosphäre in einem Medium eines anderen Landes einen dort akkreditierten Korrespondenten kritisiert und zu diskreditieren versucht", sagt Urban zu den von Schwan erhobenen Vorwürfen. Ähnlich wie der taz-Korrespondentin Gabriele Lesser, die seit der "Kartoffel-Affäre" in Warschau geschnitten wird und als freie Journalistin wirtschaftliche Konsequenzen spürt, ergeht es nun auch Thomas Urban. Das Thema Flucht und Vertreibung berührt ihn auch persönlich: Seine Familie stammt aus Breslau; die Familie seiner polnischen Frau wurde aus dem ehemals ostpolnischen Tarnopol vertrieben. In dem 2004 veröffentlichten Buch „Der Verlust. Die Vertreibung der Deutschen und Polen im 20. Jahrhundert“, das demnächst auch in Polen erscheinen soll, äußert sich Urban sehr zurückhaltend zu dem brisanten Thema. Er versucht, „nur Fakten darzustellen“ und enthält sich jeder eigenen Interpretation. In seinen Berichten für die "Süddeutsche Zeitung" lässt er keinen Zweifel daran, dass die von der Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ organisierte Ausstellung die deutsch-polnischen Beziehungen belastet. Er kritisiert die heftigen Reaktionen der polnischen Regierung und weist die von ihr erhobenen Vorwürfe zurück, die Deutsche sähen sich nur noch als Opfer des Zweiten Weltkriegs. Zugleich nimmt er auch die deutsche Bundesregierung in die Pflicht: „Die Berliner Politik muss den Polen geduldig immer wieder klarmachen, dass erstens von einer Geschichtsrevision nicht die Rede sein kann, zweitens aber die durchaus zu Zugeständnissen bereiten Vertriebenen nicht aus dem Versöhnungsprozess ausgegrenzt werden können.“ Nun ist Urban, der beharrlich um Verständnis im schwierigen deutsch-polnischen Dialog wirbt, selbst zur Zielscheibe von Angriffen geworden.  Ende-----------------------------------------------------------------
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