Slowenien

Säbelrasseln an der EU-Außengrenze

Slowenien kennt derzeit nur ein Thema, den Grenzstreit mit Kroatien: Nachdem eine kroatische Baufirma Ende August auf der umstrittenen Landausdehnung nahe dem Grenzübergang Hotiza / Sveti Martin ohne Absprache einen Deich und eine Straße zu errichten begann, eskalierte der seit mehr als 15 Jahren andauernde Streit.

Diesmal stehen sich an der Grenze in Ostslowenien schwer bewaffnete Sondereinheiten der Polizei gegenüber, kroatische Polizisten nahmen mehrfach slowenische Journalisten fest und die zuständigen Minister benutzen bereits militärisches Vokabular. „Die Polizei steht bereit, die Staatsgrenze gegen andere bewaffnete Kräfte zu verteidigen”, rasselt Sloweniens Innenminister Dragutin Mate bereits mit den Säbeln. Kroatien wolle „einseitig” seine Grenzen ausweiten, heißt es in einem Alarmbrief des slowenischen Außenministers Dimitrij Rupel an die EU. Die unilaterale Handlung und Provokation Kroatiens stelle die Unterstützung des EU- und NATO- Mitgliedstaates Slowenien für die EU-Mitgliedschaft Kroatiens „in Frage”, warnte Rupel: „Wir knüpfen den Beitritt Kroatiens an die Lösung der offenen Fragen und Probleme.”

Auch seine kroatische Amtskollegin Kolinda Grabar-Kitarovic ist davon überzeugt, dass der Verlauf der Landgrenze endgültig definiert werden müsse. „Es ist allerdings unstrittig, dass die Grenzen der früheren Teilrepubliken Jugoslawiens die heutigen Staatsgrenzen sind.” Kroatien habe deshalb begonnen, den Deich auf dem eigenen Staatsgebiet zu bauen, wo sich, so gibt Grabar-Kitarovic allerdings zu, die Grenzen von slowenischen und kroatischen Gemeinden laut Katastereinträgen überschneiden.


Grotesker Streit - Ein Deich und 800 Hektar Sumpf sorgen für Wirbel

Franjo Makovec, der Bürgermeister des kroatischen Ortes Sveti Martin, breitet eine verstaubte Karte seiner Gemeinde aus, die an das Slowenische Hotiza grenzt. „Seit 1690 verläuft hier die Grenze zwischen Kroatien und Slowenien einige hundert Meter jenseits des Flusses Mur. Daran darf nicht gerüttelt werden”, sagt er. Im alten Jugoslawien hatte die slowenische Polizei auch den Landstreifen jenseits des Flusses kontrolliert, der nach Auffassung Zagrebs zu Kroatien gehört. Dies sei damals aus praktischen Gründen so gewesen, meint Makovec. Der Slowene Stefan Sobocan, Bürgermeister von Hatiza, versucht das Gegenteil zu beweisen und zeigt auf vergilbte Grundbucheinträge. Denen zufolge befänden sich die strittigen Parzellen rechtmäßig in slowenischem Besitz.

Besonders empört sind die slowenischen Medien über die Festnahme von Journalisten durch die kroatische Miliz. „Die Gefangennahme slowenischer Journalisten ist unbegreiflich”, kommentiert Sloweniens Premier Jansa. „Sie taten nur ihre Arbeit, wollten über den Konflikt berichten und waren in keine feindlichen Handlungen verwickelt.” Für die kroatische Regierung ist die Reaktion der Slowenen überzogen. Kroatiens Premier Sanader sieht angesichts bevorstehender Wahlen in der aktuellen Eskalation vor allem Wahlkampftaktik und ruft zur Besonnenheit aller Beteiligten auf. „Noch bevor der Grenzverlauf entlang der Mur endgültig geklärt ist, brauchen wir einen Deich, um die Menschen auf beiden Seiten der Grenze vor Hochwasser zu schützen”, fügt der kroatische Regierungschef hinzu.

Bei dem Streit um die Grenze bei Sveti Martin und Hatiza geht es um ein weitgehend unfruchtbares Stück Sumpfland von einer Fläche von rund 800 Hektar. In dem Gebiet stehen lediglich einige wenige von Slowenen bewohnte Häuser. Erst im vergangenen Jahr gab es dort Streit um eine Fährverbindung und den Bau einer Brücke. Aber Slowenien und Kroatien streiten sich nicht nur um den Deich und Sumpfland. Der lokale Konflikt ist nur ein Glied in einer Reihe ungelöster bilateraler Fragen, die Slowenien mit dem Beitritt zur Europäischen Union 2004 in die Gemeinschaft mit einbrachte. War es einst eine unbedeutende Grenze zweier Teilrepubliken, streitet man heute um den Verlauf einer EU-Außengrenze, die ab 2008 auch Schengen-Außengrenze sein soll.


Balkanische Gespenster

Von ungleich größerer, weil von hoher wirtschaftlicher Bedeutung ist der Streit um die Meeresgrenze in der Bucht von Piran. Slowenien grenzt südlich von Triest auf etwas mehr als 40 Kilometern an die Adria. Der Golf von Triest verengt sich an seinem Ausgang so stark, dass kroatische und italienische Hoheitsgewässer sich überlappen und damit Sloweniens Zugang zum offenen Meer abschneiden. Damit sind einerseits das Wachstum des prosperierenden Hafens von Koper gefährdet und andererseits die Fischgründe der slowenischen Fischer bedroht.

Eigentlich hätte dieser Streit bereits im Juli 2001 beigelegt werden können, als die damaligen Regierungschefs ein Abkommen ausgehandelt hatten, welches unter anderem Slowenien einen Korridor durch kroatische Gewässer garantiert hätte. Doch die Ratifizierung des Vertrags scheiterte. Jetzt ist die Situation festgefahren wie lange nicht. Beide Seiten stehen sich stur und im Recht wähnend gegenüber. Lediglich in Einzelfällen - wie dieser Tage in Hatiza - besteht Hoffnung.

„Sollten wir nicht in der Lage sein, diesen Streit bilateral zu lösen”, bemerkt der Kroatische Premierminister Ivo Sanader, „werden wir weder die ersten noch die letzten sein, die vor ein internationales Schiedsgericht ziehen.” Genau darauf wird es wohl hinauslaufen. Spätestens, wenn Kroatien kurz vor dem EU-Beitritt steht und Slowenien seine Veto-Androhung tatsächlich wahr machen sollte. Die Frage bleibt nur, ob beide Seiten letztlich einen internationalen Schiedsspruch akzeptieren oder die balkanischen Gespenster weiterhin ihr Unwesen treiben und ihren unheimlichen Streit um Sümpfe und Meerengen fortsetzen.


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