Rumänien

„Jeder hat seinen eigenen Stern“

Oana Rusu, eine zierliche Frau, ist vor kurzem Mutter geworden. Ihre Familie spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben. Sie stammt aus Iasi, einige ihrer Vorfahren waren Bärenführer, sie traten mit gezähmten Bären auf Märkten und bei Festen auf. Oana Rusus Großvater war ursprünglich Schmied. „Später hat er mit anderen Roma in einem jüdischen Theater gearbeitet. Dieses Leben hat auch meinen Vater geprägt,“ erzählt Oana Rusu. Dessen Traum von einem Leben als Schauspieler erfüllte sich jedoch nicht.

Obgleich es in ihrer Familie noch keinen berühmten Künstler gegeben habe, könnten alle tanzen und singen. „Für mich sind sie echte Künstler“, sagt sie stolz. Das Tanzen und Singen liege auch ihr. „Mein größtes schauspielerisches Projekt bisher war eine Rolle in einem Kabaretttheater unter der Leitung einer berühmten rumänischen Regisseurin.“ Der Weg dahin war für die junge Frau nicht leicht.

Die Roma sind nach den Rumänen und Ungarn die drittgrößte Bevölkerungsgruppe in Rumänien. Ihr Anteil wird mit zwischen 2,5 und 6 Prozent der 21,5 Millionen Einwohnern angegeben, genaue Zahlen sind schwer zu erfassen. Sie leben in allen Regionen des Landes, sind jedoch überall sozial und wirtschaftlich schlechter gestellt als die übrige Bevölkerung. Viele von ihnen zieht es auf der Suche nach einem besseren Leben in die „alten“ EU-Staaten Westeuropas.

Auch Oana Rusu suchte bis vor wenigen Jahren ihr Glück im Ausland, in Italien, da sie in Rumänien keine Perspektive sah. „Ich bin zusammen mit zwei Kollegen nach Neapel gezogen, wir wollten Theater machen. Innerhalb eines Jahres in Italien hatte ich aber nur eine Rolle.“ Obwohl dies genug war, um in Italien besser zu leben als in Rumänien, entschieden alle drei, wieder zurückzukehren. Ein Grund war, dass sie in ihrer Muttersprache spielen wollten, ein anderer offenbar Heimweh. „So beschlossen wir, das zu tun, was uns das Lächeln auf unsere Gesichter wieder bringt.“

Insbesondere rumänische Roma sind in Italien häufig Opfer von Diskriminierung. Nachdem 2007 eine 47-jährige Italienerin mutmaßlich von einem rumänischen Rom tödlich angegriffen worden war, wurden Dutzende angeblich kriminelle Roma abgeschoben – unter großem Presseecho. Es folgte eine Welle ausländerfeindlicher Reaktionen gegen Roma, die teilweise in Gewalttaten mündete. Zugleich geht Italien – ähnlich wie gegenwärtig Frankreich  - vehement gegen Roma-Siedlungen vor.

Oana Rusu sagt, dass sie bisher von negativen Erfahrungen verschont geblieben sei: „Ich habe mich nie in meinem Leben diskriminiert gefühlt, weder im privaten noch im professionellen.“

Zurück in Rumänien musste sie wieder von vor anfangen: „Als ich nach Bukarest gezogen bin, stand ich vor dem Nichts. Ich hatte nur den Glauben, dass sich irgendwo ein Türchen für mich öffnen wird.“

Am meisten liegen Oana Rusu Rollen am Herzen, in denen sie Roma darstellen kann. „Ein Thema ist mir sehr wichtig: die Zigeuner. Gemeinsam mit meinem Vater habe ich auf der Bühne meine Familie portraitiert - unsere Freuden, Probleme und Liebe.“ Ein anderes Stück, in dem sie mitwirkt, zeigt „das Leben eines Zigeuners von der Wiege bis zum Grab, mit allen Traditionen“. Bisher seien es nicht viele Rollen, in denen sie „ihren Zigeuner-Anteil“ einsetzen könne, doch mache es sie stolz zu zeigen, woher sie stammt.

Konkrete Erwartungen an ihren zukünftigen schauspielerischen Erfolg hat sie nicht. Die wichtigsten Dinge im Leben passieren einfach, davon ist sie überzeugt. „Jeder hat seinen eigenen Stern.“

Dieser Text ist dank einer Förderung der Allianz Kulturstiftung entstanden.


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