Deutsche Korrespondenten unter Druck
Seit in Warschau die Brüder Kaczynski regieren, haben deutsche Berichterstatter zu leidenWarschau (n-ost) - Das Verhältnis zwischen Deutschen und Polen war wohl zu keiner Zeit so gut wie heute. Auch wenn polnische Regierungspolitiker das anders sehen, die sich über deutsche Journalisten ereifern. Deutsche Medien berichten zunehmend über das Leben in Polen. Daran hat auch Gabriele Lesser einen Anteil. Denn die freie Warschau-Korrespondentin berichtet seit zehn Jahren aus dem Nachbarland, für den österreichischen Standard, den schweizerischen Tagesanzeiger, die Märkische Allgemeine – und eben für die taz. Wegen der taz ist sie nun eine „persona non grata“ im politischen Polen. „Der Name dieser Zeitung ist jetzt so oft genannt worden, in so vielen Zeitschriften und Zeitungen, im Fernsehen, im Radio, von verschiedenen Ministern, vom Premierminister, vom Präsidenten. Wenn ich jetzt in ein Ministerium gehe und sage: 'Gabriele Lesser, tageszeitung', dann muss ich nicht damit rechnen, noch ein Interview zu bekommen"Und alles nur wegen einer Satire, bei der ein Berliner taz-Autor den polnischen Staatspräsidenten Lech Kaczynski mit einer Kartoffel verglich. Die Geschichte ist bekannt, weshalb der Begriff „taz-Affäre“ in Polen inzwischen synonym für das angekratzte Image der polnischen Politik im Ausland verwendet wird.Die Kartoffel-Affäre ist nur ein Symptom für die schlechten Beziehungen der Kaczynski-Brüder zu den deutschen Medien. „Deutschland scheint den Kaczynski-Brüdern zutiefst verhasst zu sein“, sagt Lesser beim Tee im Warschauer Zentrum. Nur neue Häuser stehen hier, die Deutschen haben die alten zerstört, im Warschauer Aufstand vor 62 Jahren, bei dem Rajmund Kacznyski – der Vater der Brüder – gegen die Deutschen kämpfte und verwundet wurde. Die antideutsche Haltung der Kaczynski-Brüder kommt bei der Mehrheit der Polen nicht an. Viele sind unpolitisch und mit dem persönlichen Vorankommen in einer dynamischen Gesellschaft beschäftigt; eine echte Opposition haben die Brüder Kaczynski nicht. Vielleicht reagieren sie deshalb so nervös auf das Ausland und dessen Berichterstattung.
Lech Kaczynski-Wahlplakat in Swinemünde. Foto: Andreas MetzDabei meint es Gabriele Lesser – wie andere deutsche Korrespondenten auch - gut mit den Polen. „Beim Zentrum gegen Vertreibung und der Preußischen Treuhand habe ich immer die polnische Position vertreten und hatte deshalb sogar eine Klage von Erika Steinbach wegen eines Kommentars am Hals“. Lesser sieht sich als Opfer, das zwischen die Fronten geraten ist. Einerseits stört sie die Borniertheit der Machthaber in Polen, andererseits teilt sie die Meinung ihres taz-Kollegen und Satire-Autors Peter Köhler nicht, gegen den sich die Hauptkritik hier in Warschau eben nicht richtet, sondern gegen Lesser. Denn hier ist sie das Gesicht der taz. Die Frankfurterin kennt die polnischen Eigenheiten ganz genau, hat das Land als Wissenschaftlerin und als Berichterstatterin kennen gelernt, zunächst als Studentin, dann als Historikerin an der Krakauer Universität und nun als Korrespondentin in einer Stadt, deren Bedeutung ständig wächst. Und nun also wollen die Regierenden hier nicht mehr mit ihr sprechen.Für den konservativen polnischen Soziologen und Publizisten Zdislaw Krasnodebski, der an der Universität Bremen lehrt, ist Lesser Teil einer gesamtdeutschen Medienverschwörung. „Die deutsche Presse attackiert uns“ schrieb er unlängst in einem längeren Essay für die große Tageszeitung „Dziennik“. Seine These: Deutsche Zeitungen hätten bereits drei gemeinsame Kampagnen gegen Polen gefahren, zuerst bei Polens Beteiligung am Irak-Krieg, dann in der Diskussion um das Zentrum gegen Vertreibung und schließlich in der Frage der Ostseepipeline zwischen Deutschland und Russland. Und genau das ist die Haltung der polnischen Regierung. Selbst gegen die Veröffentlichung der Namen deutscher Korrespondenten auf einer schwarzen Liste in der national-klerikalen Tageszeitung „Nasz Dziennik“ gab es keinerlei Widerstand, auch nicht, nachdem sich einige der Korrespondenten mit Schmähanrufen und anonymen Drohungen überziehen lassen mussten. Und in einem Kommentar zur taz-Satire hieß es bei „Nazs Dziennik“, dass der Autor wohl ein „frustrierter Herrenmensch“ sei, der den wirtschaftlichen Erfolg Polens nicht verkraften könne. Eine Meinungsäußerung, der andere folgten: „Bei mir rief eine Frau an, erzählte, dass ihr Freund neulich auf der Jerusalemer Allee einen Deutschen zusammen geschlagen habe. Sie machte ein kurze Pause, setze hinzu: 'Dann war Ruhe!' und hängte ein“, sagt Gabriele Lesser, andere hätten einfach „Heil Hitler!“ ins Telefon gebrüllt. So etwas hat sie in all den Jahren unter den häufig wechselnden Regierungen in Polen noch nicht erlebt. Lesser hat die Nase voll von der Hetze und auch von der tagesaktuellen polnischen Politik, die sich zuletzt immer mehr mit sich selbst beschäftigt. Seit ein paar Tagen nun ist sie schon in einer lange geplanten Pause, einem halbjährigen Sabbatical, und genießt die Ruhe, losgelöst von alledem an einem Buch zu schreiben.Aber bald könnte es mit der Ruhe vorbei sein. Denn da ist ja noch die Klage der Warschauer Staatsanwaltschaft gegen die taz, die tatsächlich wegen Präsidentenbeleidigung klagt und dabei den Autor Peter Köhler und Chefredakteurin Bascha Mika auf dem Kieker hat. Für Lesser steckt politische Motivation dahinter, auch wenn es in Polen tatsächlich diesen ernstzunehmenden Straftatbestand gibt. „Jaroslaw Kaczynski kündigte ja bereits an, dass er als Premierminister persönlich den Kampf aufnehmen werde gegen die Attacken, die gegen ihn, seinen Bruder oder überhaupt die gesamte PiS geführt würden und dem sich hier auch seit einiger Zeit die ausländische Presse angeschlossen habe“. Im persönlichen Gespräch beleidigt er deutsche Journalisten auch schon mal ungehalten als „Revanchisten“ oder als „unerzogen“, wenn ihm eine Frage nicht passt. Und die polnischen Botschafter wurden angewiesen, bei negativen Artikeln in der ausländischen Presse zu intervenieren: Bei der „Financial Times Deutschland“ ist das bereits geschehen, wegen einer Karikatur, die den polnischen Adler als Ente dargestellt hatte – wegen des Spitznamens der Kaczynskis, die in Polen „Enteriche“ genannt werden. Und beim Berliner „Tagesspiegel“ hatte der neue 28-jährige Minister für Seefahrt von der rechtsextremen Regierungspartei LPR („Liga Polnischer Familien“) protestiert, weil er dort unter dem Titel „Hooligans auf der Regierungsbank“ porträtiert wurde. Immerhin war der Rechtsausleger Rafal Wiechicki vor Jahren tatsächlich in der Hooliganszene von Widzew Lódz aktiv. Doch heute will er davon nichts mehr wissen. Ein anderer 28-jähriger Funktionsträger der LPR, der neu eingesetzte Vizechef des staatlichen polnischen Fernsehens, Piotr Farfal, will nun gegen einen polnischen Journalisten der Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ klagen. Marcin Kowalski fand nämlich heraus, dass Farfal in den 90er Jahren für zwei rechtsradikale und faschistische Blätter schrieb, von denen er eines auch selbst herausgab.„Auch die polnischen Zeitungen werden ständig mit Prozessen bedroht“, sagt Gabriele Lesser, die seit der Amtsübernahme von Jaroslaw Kaczynski als Ministerpräsident vor drei Wochen noch mal eine Verschlechterung der Situation festgestellt hat. Selbst in seiner Regierungserklärung hat Jaroslaw Kaczynski Deutschland – anders als seine Amtskollegin Angela Merkel Bezug auf Polen nahm - nicht mit einem Wort erwähnt, und das wohl nicht ohne Grund.Den Fall der Präsidentenbeleidigung der taz will die polnische Justiz nun übrigens an Deutschland übergeben. „Aber selbst wenn die Staatsanwaltschaft in Deutschland den Fall übernehmen würde - davon geht man hier in Polen aus - würde sie ihn wohl wegen der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 Grundgesetz einstellen. Und dann können polnische Politiker ja wieder auf die Deutschen einschlagen“. Immerhin hat die taz-Affäre jetzt dazu geführt, dass es im polnischen Außenministerium das neue Amt eines Bevollmächtigten gibt, der für das gute Bild Polens im Ausland zuständig ist. Ende---------------------------------------------------------------------------
Wenn Sie einen Artikel übernehmen oder neu in den n-ost-Verteiler aufgenommen werden möchten, genügt eine kurze E-Mail an n-ost@n-ost.org. Der Artikel wird sofort für Sie reserviert und für andere Medien aus Ihrem Verbreitungsgebiet gesperrt. Das marktübliche Honorar überweisen Sie bitte mit Stichwortangabe des Artikelthemas an die individuelle Kontonummer des Autors.Angaben zum Autor :
Name des Autors: Olaf Sundermeyer
Belegexemplare bitte UNBEDINGT an die folgende Adresse:
n-ost
Schillerstraße 57
10627 Berlin