Polen

Negativfigur Erika Steinbach

Warum die Vertriebenenpräsidentin eine Belastung für das deutsch-polnische Verhältnis istBerlin (n-ost) – In Polen ist Erika Steinbach bekannter als der deutsche Bundespräsident. Und wann immer ihr Name fällt, ist ein Sturm der Entrüstung programmiert. Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen ist jenseits der Oder ein rotes Tuch. Selbst der sonst sehr diplomatische frühere Außenminister Wladyslaw Bartoszewski nennt Steinbach eine „Unperson“. Über alle Parteigrenzen hinweg befürchten polnische Politiker, dass die Vertriebenenpräsidentin, die am (heutigen) Donnerstag im Kronprinzenpalais in der Berliner Prachtmeile Unter den Linden die erste Ausstellung ihrer Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen“ eröffnete, die Geschichte umschreibt und Deutsche zu Opfern des Zweiten Weltkrieges verklärt.Die 63-jährige Steinbach taugt nicht als Ausstellungsmacherin, sind auch viele Tschechen überzeugt. Schließlich stimmte die CDU-Abgeordnete 1997 gegen die deutsch-tschechische Aussöhnungserklärung und bezeichnete sie als „Schlussstricherklärung“. Steinbach lehnte 1990 als eine der Wenigen im Bundestag sogar die Anerkennung der deutsch-polnischen Grenze ab. „Man kann nicht für einen Vertrag stimmen, der einen Teil unserer Heimat abtrennt“, protestierte sie gegen das Grenzabkommen.Es sind Sätze wie dieser, die in Polen für die schärfsten Reaktionen sorgen. „Lügnerin“ und „Heuchlerin“ wird sie dann genannt. Der wichtigste Grund dafür, wird sich nie mehr aus der Welt schaffen lassen, er ist nämlich in der Biographie der Vertriebenenpräsidentin zu suchen: Erika Steinbach ist im Juli 1943 als Kind eines deutschen Besatzungssoldaten in Rumia (Rahmel) in der Nähe von Danzig (Gdansk) zur Welt gekommen. Die polnische Kleinstadt Rumia gehörte bereits seit dem Versailler Vertrag 1918 nicht mehr zu Deutschland und wurde erst im Zuge des Zweiten Weltkrieges durch die Wehrmacht eingenommen. Steinbachs Vater war ein Luftwaffenfeldwebel aus dem hessischen Hanau, der dort auf einer Flugzeugbasis stationiert wurde. Er heiratete damals eine Bremerin. Am Ende des Krieges flüchtete die Mutter mit der zweijährigen Erika Steinbach aus Rumia nach Westen. Auf die Frage, woher sie stamme, antwortete sie einmal: „Ich bin geboren in Westpreußen, kann mich aber überhaupt nicht erinnern an den Geburtsort: Ich war erst zwei, als meine Mutter mit mir floh.“In Polen spricht man Erika Steinbach als Kind eines Besatzungsoffiziers, der kurzzeitig auf polnischem Gebiet stationiert war und mit seiner Arbeit für die möglichst reibungslose Unterdrückung und Vernichtung von Polen und Juden zu sorgen hatte, schlicht das Recht ab, die deutschen Vertriebenen zu repräsentieren. Da nutzt es wenig, dass sich die Vertriebenenpräsidentin inzwischen von ihrem eigenen Revisionismus lossagt. Mit der Oder-Neiße-Linie hat sie sich längst abgefunden. „Das war eine andere Zeit“, sagte sie diese Woche zur ihrer Ablehnung des deutsch-polnischen Grenzvertrags. Wiederholt hat sich Steinbach auch gegen die Aktivitäten einer so genannten Preußischen Treuhand gewandt, die im Auftrag von 1000 Vertriebenen im Herbst vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte auf Rückgabe von enteignetem Besitz in Polen klagen will.Weiter kämpfen will Steinbach allerdings gegen „Vertreibungs- und Entrechtungsgesetze“, die ihrer Ansicht nach bis heute in Polen, Tschechien, der Slowakei und Slowenien in aktuellen Gerichtsurteilen „zu spüren sind“. Deshalb trug sie 2003 den Beitritt dieser vier Länder zur EU auch nur unter „Vorbehalt“ mit, wie sie im Bundestag erklärte. Den Ausschlag gab, dass das Parlament nur im Paket über die Aufnahme aller zehn osteuropäischen und Mittelmeer-Staaten abstimmte und nicht über jedes Land einzeln. Wörtlich sagte sie: „Da wir heute mit nur einem einzigen Votum über alle Beitrittskandidaten, auch über die nicht davon betroffenen Länder beschließen, werde ich der Vorlage mit diesem eben angebrachten Vorbehalt zustimmen.“Erika Steinbachs Lebenswerk, das „Zentrum gegen Vertreibungen“, stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Das begann damit, dass Steinbach das Zentrum anfänglich „in geschichtlicher und räumlicher Nähe“ zum Berliner Holocaust-Mahnmal ansiedeln wollte, so eine Forderung aus dem Mai 2000. „Im Grunde genommen ergänzen sich die Themen Juden und Vertriebene miteinander. Dieser entmenschte Rassenwahn hier wie dort, der soll auch Thema in unserem Zentrum sein“, sagte Steinbach damals der Leipziger Volkszeitung. Später ruderte Steinbach zurück und verwahrte sich entschieden dagegen, dass ihr Projekt mit dem „Holocaust-Mahnmal“ zusammenhänge. Sie brachte deshalb sogar eine Journalistin vor Gericht, verlor aber den Prozess.Während der Bundestag 2002 in einer Resolution für ein Vertriebenenzentrum „europäische Partner“ verlangte, tut sich Steinbach damit schwer. „Wir haben jetzt nicht mehr versucht, einen polnischen Wissenschaftler zu finden“, sagte sie dieser Zeitung. Die dem Zentrumsbeirat angehörende Publizistin Helga Hirsch sei jedoch eine exzellente Polen-Kennerin. Ein Historiker aus Bromberg (Bydgoszcz) hatte sich laut Steinbach schon vor einigen Jahren „wegen Repressionen im eigenen Land aus dem Beirat zurückgezogen“. Übrig blieb in diesem Gremium ein einziger tschechischer Wissenschaftler.Den Widerstand gegen das „Zentrum gegen Vertreibungen“ könnte Steinbach vermutlich nur brechen, wenn sie das Projekt aus ihren Händen geben würde. „Das werde ich nicht tun“, sagte sie diese Woche, mit der Einschränkung: „Zu einem Rücktritt wäre ich nur bereit, wenn die Polen mir eine Liste mit Straftaten vorlegen würden, für die ich verantwortlich bin.“Ende---------------------------------------------
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