Bundesregierung unterstützt Polen vor Gericht
Klare Absage an Entschädigungsklage von deutschen VertriebenenBerlin (n-ost) – Die Bundesregierung hat einer angekündigten Entschädigungsklage deutscher Vertriebener gegen Polen eine klare Absage erteilt. Bei einem Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg würde Berlin Vermögensansprüchen entgegentreten, sagte eine Regierungssprecherin dieser Zeitung. Damit stellt sich die große Koalition eindeutig auf die Seite Polens. „Individualansprüche deutscher Staatsangehöriger wegen der Enteignungen in Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg bestehen nach Auffassung der Bundesregierung nicht“, teilte die Sprecherin mit. „Ebenso wenig können zwischenstaatliche Ansprüche von Deutschland geltend gemacht werden.“Die Vertriebenenfirma „Preußische Treuhand“ will in Straßburg von Warschau ehemals deutschen Besitz zurückfordern. Eine entsprechende rund 70 Seiten schwere Beschwerde werde im Herbst am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht, kündigte Treuhand-Aufsichtsrat Alexander von Waldow (83) aus Eckernförde (Schleswig-Holstein) an. Die Frage der Rückgabe oder Entschädigung dürfe nicht offen bleiben, sagte der aus Pommern stammende Architekturprofessor.Bisher keine Reaktion aus WarschauDie von der „Preußischen Treuhand“ bereits für Herbst 2004 angekündigten Entschädigungsklagen hatten in Polen zu heftigen Reaktionen geführt. Damals verlangte das polnische Parlament als Antwort auf die Vertriebenenklage, Warschau solle mit Berlin über Kriegsreparationen verhandeln. Der heutige polnische Präsident Lech Kaczynski stellte als Warschauer Oberbürgermeister eine Gegenrechnung auf und bezifferte die Kriegsschäden der polnischen Hauptstadt auf über 40 Milliarden Dollar. Zur aktuellen Entwicklung liegen aus Polen noch keine Stellungnahmen vor.Weil mehrere namhafte Juristen die „Preußische Treuhand“ als Mandaten abgelehnt hatten, verzögerte sich die Einreichung der Klageschrift. Zuletzt verlor die Firma im Oktober 2005 ihren Berliner Anwalt zwei Tage vor einer geplanten Pressekonferenz. Welcher Anwalt die Klage nun vertritt, wollte die Treuhand nicht sagen.Die alte rot-grüne Bundesregierung hatte Polen ihre Unterstützung bei der Abwehr von Klagen deutscher Vertriebener versprochen. In seiner Rede bei der 60-Jahr-Feier des Warschauer Aufstands betonte Bundeskanzler Gerhard Schröder vor zwei Jahren: „Die Bundesregierung wird solchen Ansprüchen entgegentreten und dies auch vor jedem internationalen Gericht deutlich machen.“ Seine CDU-Nachfolgerin Angela Merkel hatte bisher nur erklärt: „Sowohl unter Bundeskanzler Helmut Kohl als auch unter Bundeskanzler Gerhard Schröder hat keine deutsche Regierung Eigentumsansprüche unterstützt. Genau diese Position wird auch die neue Bundesregierung einnehmen.“Nach eigenen Angaben hat die Vertriebenenfirma rund 1000 Teilhaber, darunter die Landsmannschaft Schlesien des Bundes der Vertriebenen (BdV). Gegründet wurde sie Ende 2000 von der BdV-Landsmannschaft Ostpreußen. Im November 2005 verkaufte sie jedoch ihre Anteile. Dem Aufsichtsrat gehören neben von Waldow der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka (CDU), und der BdV-Vizepräsident, Hans-Günther Parplies, an.Seit 2004 haben sich Bundespolitiker aller Parteien und auch die BdV-Spitze klar von der Vertriebenenfirma distanziert. Bundespräsident Horst Köhler warnte im Sommer 2005 bei einem Staatsbesuch in Warschau vor der „kleinen Zahl von Verhärteten oder Verblendeten, die immer noch von Ansprüchen reden“. Die BdV-Präsidentin Erika Steinbach sagte, sie spreche nicht mehr mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Treuhand, Pawelka, denn „da ist Hopfen und Malz verloren“.Straßburger Urteil nicht zwingend bindendDer Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kann von jedem Bürger eines der 46 Mitgliedsstaates des Europarates direkt angerufen werden. Die Beschwerde gegen eine vermeintliche Verletzung der Menschenrechtskonvention muss sich immer gegen einen Staat richten. Viele Eingaben scheitern schon an der ersten Hürde, der Zulassungsprüfung. Selbst ein Sieg in Straßburg bringt nicht zwingend Erfolg. Die Menschenrechtsrichter können ihre Urteile nämlich mangels Exekutivbefugnissen nicht immer durchsetzen. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass Straßburger Sprüche in Deutschland lediglich berücksichtigt werden müssen, nicht aber bindend sind.Ende-------------------------------------------------
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