Volksabstimmung für die Todesstrafe
Die polnische Regierung plant Referendum und zieht damit den Zorn der EU auf sichWarschau (n-ost) - Lech Kaczynski und René van der Linden sollte eigentlich ein gemeinsames Wertesystem verbinden; doch in der Frage der Todesstrafe unterscheiden sich die beiden überzeugten Katholiken und konservativen Politiker ganz deutlich. Das zumindest hat René van der Linden (EVP), der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, dem polnischen Staatspräsidenten nun in einem persönlichen Protestbrief zu verstehen gegeben. Darin heißt es, dass „die Todesstrafe gegen das menschliche Verständnis unserer Organisation verstößt“. Tags zuvor hatte sich bereits die Europäische Kommission in Brüssel gegen die Wiedereinführung der Todesstrafe in Polen gewandt.Anlass für diese Aufregung geben die aktuellen Überlegungen der polnischen Regierung zur Wiedereinführung der Todesstrafe. So hat die national-klerikale Regierungspartei LPR (Liga Polnischer Familien), eine von drei Koalitionsparteien, in dieser Woche eine Gesetzesinitiative für eine Volksbefragung angekündigt. Demnach sollen verurteilte Kindermörder, deren Opfer jünger als 15 Jahre alt sind, zum Tode verurteilt werden. Kurz zuvor sagte der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski, Mitglied der größten Regierungspartei PiS („Partei Recht und Gerechtigkeit“) in einem Radiointerview, „ich war schon immer ein Anhänger der Todesstrafe, bin es noch und werde es immer bleiben“. Für den Präsidenten ist die Diskussion über die Todesstrafe längst überfällig: „Denn in dieser Angelegenheit ändert Europa gerade seine Meinung“. Lech Kaczynski sieht Staaten, die der Todesstrafe vertrauen in einem gerechteren Verhältnis zu den Verbrechensopfern und steht damit im Konsens mit den meisten seiner Parteigänger. René van der Linden forderte Lech Kaczynski in seinem Brief unterdessen dazu auf, seine Meinung zu ändern und den Vorschlag zurück zu ziehen. „Denn die Todesstrafe ist ein Angriff auf unser gemeinsames Wertesystem“. Polen hatte die Todesstrafe erst 1997 unter Kaczynskis Amtsvorgänger Alexander Kwasniewski offiziell abgeschafft, sie allerdings seit 1988 nicht mehr angewandt.Gipfelkreuz in Danzig: Polen gilt als katholisches Land, dennoch plant die Regierung Ausnahmen zum christlichen Gebot "Du sollst nicht töten", Foto: Andreas MetzNun also soll es wieder so weit sein: Gegen den Vorstoß der LPR gibt es bislang im Regierungslager keinerlei Widerstand. Der neue polnische Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski (PiS), der Zwillingsbruder des Präsidenten, ist selbst ein Anhänger der Todesstrafe und stellt stets auf den Vergleich mit den USA ab, wo die Todesstrafe praktiziert wird. Auch Andrzej Lepper, der Vorsitzende der dritten Koalitionspartei, der populistischen Samoobrona (Selbstverteidigung), sagte, „meine Partei unterstützt die Todesstrafe“. In seiner Regierungserklärung vor drei Wochen hatte Jaroslaw Kaczynski das Thema allerdings – ebenso wie sein Vorgänger Kazimierz Marcinkiewicz – nicht angesprochen. Wohl um ein negatives internationales Echo zu vermeiden.Seit dem politischen Wechsel in Polen im Herbst vergangenen Jahres hat das politische Ansehen Polens in Westeuropa stark gelitten. Vor allem die schwulenfeindlichen und nationalistischen Äußerungen der zwei Kaczynski-Brüder sind im Ausland auf scharfe Kritik gestoßen. Die Forderung nach einer Wiedereinführung der Todesstrafe hatten beide zunächst in den hart geführten Wahlkämpfen um das Parlament und das Präsidentenamt gestellt, sich aber nach der Machtübernahme zu diesem Thema zunächst nicht mehr öffentlich geäußert. Solange der gemäßigte PiS-Politiker Kazimierz Marcinkiewicz das Amt des Ministerpräsidenten inne hatte und die PiS als Minderheitsregierung agierte, hielt sich die Regierung mit derlei starken Äußerungen zurück. Seit der Koalitionsregierung mit der Samoobrona und der LPR im Mai und dem Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten zu Jaroslaw Kaczynski nimmt die Radikalität in der Rhetorik wieder zu. Außerhalb des Regierungslagers warnen viele Beobachter vor einer „Isolierung Polens innerhalb der EU“, so etwa die renommierte Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ in einem Kommentar auf den Brief von René van der Linden. Der Brief wurde aus dem Büro des polnischen Präsidenten übrigens lapidar beantwortet: „Der Präsident hat keinen Vorschlag zur Wiedereinführung der Todesstrafe gemacht“.Ende---------------------------------------------------------
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