Deutsche Vertriebene verklagen polnischen Staat
„Preußische Treuhand“ will am Europäischen Gerichtshof die Rückgabe enteigneten Besitzes erzwingenBerlin/Eckernförde (n-ost) – Dem ohnehin angespannten deutsch-polnischen Verhältnis droht eine erneute, schwere Belastungsprobe: Deutsche Vertriebene wollen den polnischen Staat im Herbst vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verklagen. Die „Preußische Treuhand“, die rund 1000 Aktionäre vertritt - verlangt die Rückgabe oder Entschädigung von Eigentum, das Millionen deutsche Vertriebene verloren hätten. Dies sagte deren Aufsichtsrat Alexander von Waldow aus Eckernförde (Schleswig-Holstein) dieser Zeitung. Ein rund 70 Seiten starker Entwurf der Beschwerdeschrift für das Straßburger Gericht liege nun fertig ausgearbeitet vor.Schon im Herbst 2004 hatte die „Preußische Treuhand“ den Gang vors Gericht angekündigt, was in Polen damals heftige Reaktionen auslöste. So forderte damals das polnische Parlament in einer Gegenresolution, Warschau solle mit Berlin über Kriegsreparationen verhandeln. Der heutige polnische Präsident Lech Kaczynski stellte als Warschauer Oberbürgermeister damals eine Gegenrechnung auf und bezifferte die durch Deutsche verursachten Kriegsschäden allein für Warschau auf über 40 Milliarden Dollar.Enteignetes deutsches Haus im Badeort Sopot (Zoppot) an der Ostsee, Foto: Andreas MetzDie alte rot-grüne Bundesregierung versprach damals Polen ihre Unterstützung bei der Abwehr von Klagen deutscher Vertriebener. Helfen soll dabei ein für die Regierungen von Deutschland und Polen erstelltes Rechtsgutachten. Ihm zufolge sind die Alteigentümer vor Gericht chancenlos.Der 83-jährige aus Pommern stammende von Waldow will nun dennoch mit der Eigentumsfrage nach Straßburg ziehen: „Diese Frage darf nicht offen bleiben.“ Sein Standpunkt ist dabei klar: „Wenn man einer ganzen Bevölkerungsgruppe entschädigungslos Eigentum entzieht, dann ist das Raub.“Welche Anwälte die Klage vertreten, wollte das Aufsichtratmitglied allerdings nicht sagen. Mehrere namhafte Juristen hatten die „Preußische Treuhand“ nicht als Mandaten haben wollen. Zuletzt hatte die Firma im Oktober 2005 ihren Berliner Anwalt zwei Tage vor einer geplanten Pressekonferenz verloren. Den ursprünglichen Plan, auch in Polen zu klagen, gab die Vertriebenenfirma offensichtlich auf.Der dreiköpfige Aufsichtsrat der „Preußischen Treuhand“ berate noch am 23. August über kleine Ergänzungen der Klageschrift und informiere am selben Tag auch die Aktionärsversammlung über das Vorgehen, so von Waldow. Dem Aufsichtsrat gehören neben ihm der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft Schlesien, Rudi Pawelka, und der Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), Hans-Günther Parplies, an. Nach eigenen Angaben hat die Kommanditgesellschaft auf Aktien rund 1000 Eigentümer, darunter die Landsmannschaft Schlesien des BdV. Gegründet wurde sie zunächst als GmbH Ende 2000 von der BdV-Landsmannschaft Ostpreußen. Im November 2005 verkaufte sie jedoch ihre Anteile.Bundespräsident Köhler übte scharfe Kritik an „Preußischer Treuhand“Seit 2004 haben sich Bundespolitiker aller Parteien und auch die BdV-Spitze klar von der Vertriebenenfirma distanziert. Bundespräsident Horst Köhler warnte im Sommer 2005 bei einem Staatsbesuch in Warschau vor der „kleinen Zahl von Verhärteten oder Verblendeten, die immer noch von Ansprüchen reden“. Die BdV-Präsidentin Erika Steinbach sagte, sie spreche nicht mehr mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Treuhand, Pawelka, denn „da ist Hopfen und Malz verloren“.Als Reaktion auf die angekündigte Vertriebenenklage hatte sich in Gdingen (Gdynia) auch eine „Polnische Treuhand“ gegründet. Deren Berliner Anwalt Stefan Hambura forderte gegenüber dieser Zeitung eine „deutsch-polnische Verständigung auf Regierungsebene, um sich nicht einem jahrelangen Prozess auszusetzen“. Ein Gerichtsverfahren würde die Beziehungen zwischen Warschau und Berlin enorm belasten, meinte Hambura. Allerdings könnte sich der Menschenrechtsgerichtshof auch einfach für nicht zuständig erklären. Die Europäische Menschrechtskonvention, auf dessen Grundlage die Richter entscheiden, trat erst 1953 in Kraft.Straßburger Urteil nicht bindendDer Europäische Gerichtshof für Menschenrechte kann von jedem Bürger eines Mitgliedsstaates des Europarates direkt angerufen werden. Die Beschwerde gegen eine vermeintliche Verletzung der Menschenrechtskonvention muss sich immer gegen einen Staat richten. Viele Eingaben scheitern schon an der ersten Hürde, der Zulassungsprüfung. Selbst ein Sieg in Straßburg bringt nicht zwingend Erfolg. Die Richter können ihre Urteile nämlich mangels Exekutivbefugnissen nicht immer durchsetzen. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass Straßburger Sprüche in Deutschland lediglich berücksichtigt werden müssen, nicht aber bindend sind.Ende--------------------------------------------
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