Georgien

Explosive Lage in Südossetien

Zwischen Georgien und Russland verschärfen sich die Spannungen zusehends. Hauptgrund ist die Region Südossetien, die völkerrechtlich immer noch zu Georgien gehört, sich 1989 aber für unabhängig erklärte und sich der Russischen Föderation anschließen will. Nach heftigen Kämpfen Anfang der 90er Jahre wurde 1992 ein Waffenstillstandsabkommen zwischen Georgien und Russland geschlossen. Seitdem sind in der Unruheregion 1500 russische, ossetische und georgische Blauhelmsoldaten stationiert. Nach zwei Bombenattentaten in nur einer Woche, bei denen der Sicherheitschef der separatistischen Regierung und zwei Jugendliche in der südossetischen Hauptstadt Zchinvali starben, wächst nun wieder die Kriegsgefahr. In der letzten Woche stoppten und durchsuchten georgische Grenzsoldaten einen russischen Diplomatenwagen, der aus Südossetiens Hauptstadt Zchinvali zurück nach Tilfis fahren wollte. Anfang des Monats waren zudem zwei Mitarbeiter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Zchinvali kurzzeitig verhaftet worden.


Georgischer Grenzsoldat beobachtet bei Zchinvali, die inoffizielle Grenze
der abtrünnigen Republik Süd-Ossetien. / Timo Vogt, randbild

Moskau und Tiflis werfen sich in diesem blutigen Juli gegenseitig vor, die Stimmung für einen Krieg anheizen zu wollen. Moskau befürchtet, die pro-amerikanische Regierung des georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili bereite einen Waffengang im Kaukasus vor. Ziel sei es, mit Hilfe eines geheim geplanten Massakers an in Südossetien lebenden Georgiern einen Krieg zu provozieren. Ein derzeit in Grenznähe stattfindendes Manöver des georgischen Militärs sieht der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow als ein weiteres Indiz für die aggressive Haltung der georgischen Seite in dem Konflikt.

Tiflis vermutet hingegen russische Interessen hinter den Bombenanschlägen und warnt vor weiteren Provokationen. Am 18. Juli verabschiedete das georgische Parlament eine Resolution, die die russischen Schutztruppen zum Abzug aus Südossetien und Abchasien - einer weiteren abgespaltenen und den Anschluss an Russland suchenden Republik in Georgien - auffordert. Ein Ultimatum für den Abzug nennt das Papier nicht. Die russischen Friedenstruppen würden statt zu demilitarisieren, die Region aufrüsten und den terroristischen und kriminellen Aktivitäten in Zchinvali keinen Einhalt gebieten. Der georgische Premierminister Surab Nogaideli sagte vor der Verabschiedung der Resolution, dass weder in Zchinvali (Südossetien) noch in Abchasien die Friedenstruppe ihr Mandat erfülle und es nicht so aussehe, dass sie es erfüllen werden“.

In den Augen der Georgier unterstützen die russischen Soldaten in beiden Unruheregionen die autonomen Kräfte, um Moskau einen politischen Einfluss auf die Entwicklungen in Georgien zu sichern. Der russische Verteidigungsminister Sergej Iwanow hielt dem entgegen, dass 90 Prozent der südossetischen Einwohner russische Staatsbürger seien und er es nicht zulasse, dass seine Friedenstruppe „beleidigt“ werde. Während die Region Nordossetien bereits seit 1774 Teil der Russischen Föderation ist, gehörte Südossetien in den kurzen Phasen georgischer Unabhängigkeit vor 1801 und von 1918-1921 zu Georgien und war ab 1922 Teil der Sowjetrepublik Georgien. In der Kaukasusregion mit Höhen zwischen 1000 und 4000 Meter leben seit dem Bürgerkrieg kaum mehr als 50.000 Einwohner. Währung ist der russische Rubel.

Vergangene Woche platze ein am Rande des Gipfels der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) in Moskau geplantes Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem georgischen Amtskollegen Michail Saakaschwili. Es wurde von der georgischen Seite kurzerhand abgesagt. Geplant war über den von Georgien geforderten Truppenabzug zu verhandeln.

Das Kräftemessen zwischen Georgien und Russland, das bereits im Frühjahr durch den bis heute geltenden Boykott georgischen Weines und Wassers durch Russland einen ersten Höhepunkt erlebte, geht also in eine weitere Runde. Beobachter rätseln, ob Georgien tatsächlich am Vorabend eines Krieges um die Rückeroberung der separatistischen Regionen steht, oder ob Saakaschwilis erklärte politische Linie, den Konflikt „friedlich – mit oder ohne Russland“ zu lösen, aufgeht. Saakaschwili hatte am 22. September 2004 der UNO einen Drei-Stufen-Plan vorgelegt, der zunächst vertrauensbildende Maßnahmen, die Demilitarisierung und schließlich die größtmögliche Autonomie der Gebiete innerhalb Georgiens vorsieht. Dieser Plan wird von den Regierungen Südossetiens und Abchasiens jedoch abgelehnt.

Ohne Russland wird es keine Lösung geben. Dies zeigt die neuerliche Aussage von Eduard Kokoity, des Präsidenten Südossetiens, in einem Reuters-Interview. Kokoity erklärte, er strebe die Eingliederung seiner Region in die russische Förderation an. Ähnlich sieht es in der Region Abchasien aus. In beiden Gebieten liegt die Arbeitslosigkeit bei 40 bis 60 Prozent. Einzig die Schattenwirtschaft und der Schmuggel von Drogen, Benzin und Waffen aus und nach Russland blüht. Die Spannungen zwischen Russland und Georgien werden von der Europäischen Union aufmerksam beobachtet. Die finnische Ratspräsidentschaft erklärte in einer Stellungnahme, dass man „tief besorgt ist, über die russisch-georgischen Spannungen der südossetischen Konfliktzone.“


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