Lech und Jaroslaw Kaczynski
Erst auf den zweiten Blick unterscheiden sich Polens Präsident Lech Kaczynski und sein Bruder Jaroslaw, der neue Ministerpräsident / „Antipolnischer Rassismus“Warschau (n-ost) - Nur an zwei Muttermalen im Gesicht lassen sich Polens Staats- und Ministerpräsident auseinander halten. Staatsoberhaupt Lech Kaczynski hat Pigmentflecken an und neben der Nase. Die weltweite Premiere der Machtübernahme in einem Land durch eineiige Zwillinge wird diese Woche abgeschlossen, wenn Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski die Vertrauensabstimmung im Parlament gewinnt.Selbst der polnische Präsident liefert auf seiner persönlichen Internetseite ein Beispiel für die häufigen Verwechslungen mit seinem Bruder. Dort steht, manchmal halte Lechs dreijährige Enkelin Jaroslaw für ihren Opa. Sogar die Sicherheitskräfte des Parlaments sollen bereits auf die polnische Variante des doppelten Lottchens hereingefallen sein. Vor einigen Jahren ließen sie Lech rein, obwohl damals nur noch Jaroslaw Abgeordneter war.Schon in der Schule gaben sich die Zwillinge gelegentlich als der jeweils andere aus. Der um 45 Minuten ältere Jaroslaw schrieb für seinen Bruder Matheprüfungen. Zum Ausgleich sprang Lech bei Polnischprüfungen ein, bevor er als Professor für Arbeitsrecht eine Unikarriere einschlug.Groß unterscheiden sich die 57-jährigen Brüder nur im Privatleben. Während der etwas ausgeglichener wirkende Präsident verheiratet ist und eine Tochter hat, lebt der Premier immer noch als Junggeselle bei seiner Mutter. Das brachte Jaroslaw Kaczynski schon einmal Anfeindungen ihres einstigen Mentors Lech Walesa ein. Der ehemalige Staatspräsident forderte Jaroslaw Kaczynski öffentlich auf, zu einer Veranstaltung mit „seinem Mann“ zu kommen. Die Anspielung auf die von ihm immer bestrittene Homosexualität ist für den Ministerpräsidenten besonders bitter. Denn er kämpft wie sein Bruder vehement gegen gleiche Rechte für Lesben und Schwule. „Wir vertreten den Großteil der polnischen Gesellschaft, der keine fortschrittlichen Ansichten hat", betonte Jaroslaw vergangene Woche.Eigentlich hatte der jetzige Regierungschef versprochen, dass aus Polen keine Zwillingsrepublik wird. „Für die meisten Polen wäre es inakzeptabel, wenn zwei Brüder die wichtigsten Posten im Staat übernähmen", erklärte Jaroslaw Kaczynski noch im September. Deshalb verzichtete er damals trotz seines knappen Sieges bei den Parlamentswahlen auf das Amt des Premierministers und sicherte so seinem Bruder den Erfolg bei den kurz darauf folgenden Präsidentschaftswahlen. Trotzdem drängten die konservativen Zwillinge ihren Ersatzpremier Kazimierz Marcinkiewicz am Freitag vor einer Woche zum Rücktritt.Der emotionale Jaroslaw Kaczynski gilt schon lange als der mächtigste Politiker in Polen, ohne bisher ein Staatsamt inne zu haben. Der Vorsitzende der 12 000 Mitglieder großen Partei Recht und Gerechtigkeit ist der Stratege der Zwillinge, der politische Vordenker, dessen Taktik bei den Wahlen aufging. Beide verstehen sich bestens. Nur nachdem Jaroslaw vor zehn Monaten auf das Amt des Ministerpräsidenten verzichtete, herrschte zwei Tage Funkstille zwischen den Brüdern. „Das war der erste solche Fall in unserem Leben“, so der Ministerpräsident.Deutschland sehen die allgemein misstrauischen Zwillinge skeptisch. Mit Blick auf das Nachbarland klagte Jaroslaw Kaczynski vergangene Woche in einem Interview des Magazins „Ozon“: „In Europa sieht man ein Problem des antipolnischen Rassismus.“ Zugleich meinte er: „Unsere Partner müssen sich damit abfinden, dass Polen beginnt, eine harte Außenpolitik zu betreiben.“Auf Konfrontationskurs zur Bundesregierung scheint der Ministerpräsident jedoch nicht zu gehen. Der 1,65 Meter große Jurist lobte vielmehr Kanzlerin Angela Merkel: Er sei "sehr zufrieden" mit ihrem Anruf vom vergangenen Mittwoch. "Dafür bin ich ihr sehr dankbar." Spätestens im Oktober will Jaroslaw Kaczynski Merkel in Deutschland besuchen.Heftig attackiert der neue Regierungschef allerdings die ausländische Presse: „Ein großer Teil von ihr führt einen neuen Kulturkampf gegen Polen als katholisches Land, das die fortschrittliche Strömung kaum befolgt.“ Im Heimatland der Zwillinge ist diese Medienschelte nichts Neues. Seit Monaten sind die Kaczynskis mit wichtigen Warschauer Zeitungen über Kreuz.Ende----------------------------------------------------------
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