„In Kasachstan ist es gefährlich, erfolgreich zu sein“
Eigentlich könnte die Geschichte des Unternehmers Juri Wegelin eine deutsch-kasachische Erfolgsgeschichte sein. Der Deutschstämmige siedelte 1989 von Kasachstan aus nach Deutschland über, lernte Buchhaltung, Marketing und Management in Hamburg und kehrte dann 1998 als Geschäftsmann nach Kasachstan zurück. Erfolgreich baute er dort die Getränkefirma „Gold Product“ auf, die Lebensmittelkonserven, Weine und Säfte produziert. Die Firma hat einen Jahresumsatz von zwei Milliarden Kasachischer Tenge (rund 14 Millionen Euro), beschäftigt mittlerweile 1000 Mitarbeiter und erreicht bei Weinen einen Anteil von 35 Prozent auf dem kasachischen Markt. Dem kasachischen Staat ist das Engagement des Deutschen anfangs umfangreiche Steuererleichterungen wert.
Doch seit Herbst 2004 sinkt der Stern des Deutschen Juri Wegelin. Zuerst sind es nur Drohanrufe. Dann wird Wegelin als „Betrüger am Endverbraucher“ beschuldigt, die kasachische Finanzpolizei wirft ihm Weinpanscherei und Steuerhinterziehung vor, prüft mehrfach die Bücher des Unternehmens. Im September 2004 kommen Beamte der Finanzpolizei und beschlagnahmen Wein zur Analyse. Der Unternehmer beteuert seine Unschuld: „Wir haben mit mehreren Analysen, auch in Deutschland, nachgewiesen, dass unser Wein in Ordnung ist“, sagt Wegelin. Ein Strafverfahren wird eingeleitet, Gesetzesverstöße sind bis heute nicht nachgewiesen.
Im Frühling 2005 muss die Produktion bei „Gold Product“ kurzzeitig gestoppt werden, durch negative Presse sinken die Umsätze um 20 Prozent, 4,5 Millionen US-Dollar Schaden entstehen der Firma. Im April 2005, zwei Tage vor einer anstehenden Magenoperation, verhaftet die Finanzpolizei Juri Wegelin im Krankenhaus. Der 43-jährige ist zuckerkrank und leidet unter hohem Blutdruck. „Meinen Anwalt konnte ich erst eineinhalb Monate später treffen und als ich nach einem Arzt gefragt habe, hat man mir kaltes Wasser über den Kopf geschüttet“, erzählt Wegelin.
Im Sommer 2005 wird sein Rechtsanwalt am Vorabend einer Pressekonferenz zusammengeschlagen. Als er im September 2005 auf Druck der Deutsch-Kasachstanischen Unternehmer-Assoziation freigelassen wird, steht er weitere drei Monate unter Hausarrest – ohne Prozess. Im Oktober 2005 taucht ein weiterer Vorwurf auf: Verstoß gegen den mit der kasachischen Regierung abgeschlossenen Investitionsvertrag. Wieder wird ein Strafverfahren eingeleitet.
„Als der Finanzpolizei klar war, dass sie mir Weinpanscherei und Steuerbetrug nicht nachweisen konnten, haben sie die vertragsgemäße Erfüllung des Subventionsvertrages in Frage gestellt“, sagt Wegelin. Im Januar 2006 gibt es eine Verschnaufpause: Juri Wegelin wird durch eine allgemeine Amnestie des kasachischen Präsidenten vom Hausarrest befreit. Bis heute aber hat Wegelin, der deutsche Staatsbürger, Ausreiseverbot nach Deutschland und darf die Stadt nicht verlassen.
„Es ist gefährlich, in Kasachstan erfolgreich zu sein. Wer eine Firma hat, rechtzeitig Steuern zahlt und zeigt, dass er Erfolg hat, muss aufpassen“, sagt Wegelin. Seit 14. Juni 2006 steht der Unternehmer jetzt offiziell wegen der Nichterfüllung des Subventionsvertrages vor einem kasachischen Gericht. „Schon 2002 haben wir den Vertrag und seine Erfüllung abgeschlossen und von beiden Seiten wurden alle Vertragsklauseln erfüllt, das habe ich schriftlich, nebst einem Dankesschreiben des Investitionskommittees!“, erzählt Wegelin. Sollte es zu einem Schuldspruch kommen, drohen dem Unternehmer sieben Jahre Haft und 7,5 Millionen Dollar Strafe, sein Unternehmen wäre damit bankrott.
Unternehmer vor Ort bestätigen derartige Praktiken staatlicher Organe in Kasachstan, Firmen in den Bankrott zu treiben, um sie unrechtmäßig übernehmen zu können. „Korrupte Beamte hier sind noch schlimmer als die Banditen, die Schutzgeld erpressen wollen“, sagt Wegelin. Der Deutsche Alexander Schröder, Geschäftsführer der Deutsch-Kasachstanischen Assoziation der Unternehmer in Almaty (DKAU), glaubt an die Unschuld seines Verbandsmitglieds Wegelin.
„Die ständig neuen Vorwürfe, die nicht bewiesen werden konnten, machen für mich klar, dass nur nach Gründen gesucht wird, ihn zu verurteilen“, sagt Schröder. Er hält es für naheliegend, dass die Vorwürfe dazu dienen sollen, „Gold Product“ in den Ruin zu treiben und seine Firma zu übernehmen. Auf eine Intervention der Bundesregierung wartet Alexander Dederer, der Chef der kasachischen Russlanddeutschen-Organisation „Wiedergeburt“.
„Wir erwarten wesentlich mehr von der deutschen Seite. Ein Appell der Bundeskanzlerin an den Präsidenten Nasarbajew ist die einzige Möglichkeit, Wegelins Verurteilung zu verhindern“, glaubt Dederer.Sarybai Kalmursajew, Chef der kasachischen Finanzpolizei, hat Wegelin bereits öffentlich vorverurteilt: Auf einem Investitionsforum Anfang Juni in Almaty warf er dem Unternehmer vor, dem Land Schaden zugefügt zu haben. Für Wegelin ein Grund zum Verzweifeln: „Wir sind in Kasachstan, hier gelten andere Gesetze, Kalmursajew ist ein mächtiger Mann, was sollen die Richter jetzt noch entscheiden?“