Bosnien-Herzegowina

Brunos bosnische Brüder kehren heim

Nach dem Bosnien-Krieg erholt sich auf dem Balkan der Braunbären-Bestand wiederSarajewo (n-ost) – Während es „Problembär Bruno“ in Bayern an den Kragen ging, entwickeln sich seine Artgenossen in Bosnien-Herzegowina prächtig. Dies ist auch dringend notwendig, denn der Bosnien-Krieg in der ersten Hälfte der 1990er-Jahre brachte die Bärenpopulation im Balkanland fast zum Verschwinden.Die sich ständig verschiebenden, insgesamt 18.000 Kilometer langen Frontlinien im Bosnien-Krieg von 1992 bis 1995 verliefen kreuz und quer durchs Land – und damit auch mitten durch den Lebensraum der bosnischen Braunbären. Artilleriefeuer, Schießereien, Brände und die zu Tausenden verlegten Minen töteten Hunderte von Bären oder vertrieben sie. Sead Hadziabdic, pensionierter Forstingenieur und einer der besten Bärenexperten seines Landes, legt beeindruckende Zahlen vor: Im Jahr 1990 zählten die Jagdvereinigungen in der damals noch zu Jugoslawien gehörenden Republik Bosnien-Herzegowina genau 1940 Braunbären. Am Ende des Kriegs waren es gerade noch schätzungsweise 50 Exemplare. Hadziabdic geht davon aus, dass etwa die Hälfte der Bären durch direkte Einwirkung des Krieges umkam. „Die anderen flohen in ruhigere Gegenden, zum Teil bis nach Slowenien, wo es kurzzeitig zu einem Überbestand an Braunbären kam.“Der bosnische Braunbär: Etwa 200 seiner Artgenossen streifen heute durch die ausgedehnten Wälder  des Landes.  Bild: Archiv SLOBIH

Gut zehn Jahre nach Ende des Krieges erholt sich der Bären-Bestand in Bosnien-Herzegowina nun allmählich. Immer mehr Tiere kehren aus dem „Exil“ in ihre Herkunftsgebiete zurück. Nach Schätzungen von Sead Hadziabdic leben heute wieder etwa 200 Braunbären in den weiten, zusammenhängenden und beinahe menschenleeren Waldgebieten in Zentral-, Ost- und Nordwest-Bosnien. „Wenn es so weitergeht, wird sich der Bestand in etwa 15 Jahren wieder vollständig normalisiert haben, wir rechnen dann mit etwa 1000 Tieren.“ Größer sollte die Population nach Ansicht der Experten allerdings nicht mehr werden. Denn die „Bärendichte“ vor dem Krieg war eindeutig zu hoch, was Schädigungen des Ökosystems zur Folge hatte.Zu Titos Zeiten, so erzählt Hadziabdic, lebten allein im 18.000 Hektar umfassenden Jagdrevier Koprivnica bei Bugojno über 200 Bären, maximal 50 wären angemessen gewesen. Die Anzahl Bären wurde mit Zufütterungen künstlich hochgehalten, denn Tito – ein leidenschaftlicher Jäger – war hier immer wieder auf der Pirsch und wollte dabei natürlich etwas vor die Flinte bekommen. 17 Mal jagte Tito im Revier Koprivnica, oft zusammen mit ausländischen Staatsgästen. Und 17 Mal erlegte der jugoslawische Präsident einen Bären...Die Bärenjagd war im jugoslawischen Bosnien aber nicht nur ein Vergnügen für den Präsidenten und seine Freunde, sondern auch ein einträgliches Geschäft. Zwischen 30.000 und 100.000 D-Mark musste hinblättern, wer in den 1970er und 1980er Jahren einen Bären schießen wollte. Die Hälfte der pro Jahr erlegten zirka 100 Bären schossen zahlende, meist ausländische Jagdtouristen, die andere Hälfte teilte die jagende Polit-Elite des Landes unter sich auf. Seit den letzten Kriegen auf dem Balkan haben sich allerdings kaum mehr ausländische Bärenjäger nach Bosnien verirrt. Bei den derzeitigen Beständen ist die Chance auf Erfolg klein, zudem schreckt die Minengefahr in den Wäldern viele von einem Jagdabenteuer ab.Überhaupt seien seit Kriegsende pro Jahr lediglich zwei bis fünf Bären zum Abschuss freigegeben und erlegt worden, erklärt Sead Hadziabdic. Der Preis für einen Abschuss liegt nach Informationen der Jagdvereinigungen derzeit bei 2.500 bis 6.000 Euro. Dies ist kein Vergleich mit der Zeit des Kalten Krieges, als es für den jugoslawischen Bärenjagd-Tourismus noch kaum rumänische oder russische Konkurrenz gab. Gegen diese beiden „Bären-Großmächte“ hat Bosnien-Herzegowina heute kaum eine Chance. Aber das bringt auch Vorteile mit sich. So kann das Land die Bärenbestände ohne kommerziellen Druck sorgfältig wieder auf ein gesundes Niveau erhöhen. Widerstand aus der Bevölkerung gibt es nicht dagegen, der Bär gehört ganz selbstverständlich dazu. Die zusammenhängenden Wälder Bosniens seien – im Gegensatz zu vielen Ländern Westeuropas – so groß, dass der ohnehin scheue Braunbär kaum in die Nähe von Siedlungen gelange, erläutert Sead Hadziabdic. So komme es auch nur ganz selten vor, dass er Schafe oder Ziegen reiße. Passiert es doch, gleicht der Staat den Schaden aus. Zu tödlichen Bärenangriffen auf Menschen ist es in Bosnien-Herzegowina in den letzten 50 Jahren zwei Mal gekommen, in einem Fall war der Bär an Tollwut erkrankt. Die Gefahr, vom legendären Dachziegel erschlagen zu werden, sei also viel höher, meint der Bärenexperte Hadziabdic augenzwinkernd. Ein wirkliches Problem, so sagt er, seien in Bosnien-Herzegowina aber die Wölfe, die sich seit Beginn des Krieges viel zu stark vermehrt hätten. Die Wolfsangriffe auf Nutztiere seien so zahlreich, dass der heutige Bestand von geschätzten 450 Wölfe auf 200 bis 300 Exemplare reduziert werden müsse. Auf Behördenebene wird derzeit an einem Aktionsplan für Bär, Wolf und Luchs gearbeitet. Darauf warten jetzt vor allem die 40.000 bis 45.000 aktiven Jäger des Landes.*** ENDE ***---------------------------------------------------------------------------
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