Aufstand gegen Kaczynski
Auf der Internetseite des polnischen Präsidenten wird die Berliner "taz" mit dem Stürmer verglichenWarschau/Berlin (n-ost) – Zuerst machte dem polnischen Präsidenten Lech Kaczynski eine Satire der Berliner Tageszeitung „taz“ so zu schaffen, dass er angeblich wegen Magenproblemen das für den vergangenen Montag geplante Treffen des Weimarer Dreiecks absagen musste. Nun setzen ihm auch noch alle acht ehemaligen polnischen Außenminister seit 1989 heftig zu. In einer beispiellosen gemeinsamen Erklärung protestieren sie gegen Kaczynskis kurzfristige Absage des Weimarer Gipfeltreffens mit Deutschland und Frankreich.Der polnische Präsident hatte am späten Sonntagabend die Konsultationen mit seinem französischen Kollegen Jacques Chirac und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Rahmen des seit 1991 gegründeten Weimarer Dreiecks auf unbestimmte Zeit verschieben lassen. Der offizielle Grund: Krankheit. Trotz Dementi sieht die Warschauer Presse hartnäckig einen Zusammenhang mit einer Satire der „taz“ vom 26. Juni, in der Kaczynski als „Polens neue Kartoffel“ verspottet wird.Noch nie hatten sich der erste demokratische Außenminister nach der Wende, Krzysztof Skubiszewski, und alle seine sieben Nachfolger, darunter international renommierte Persönlichkeiten wie Wladyslaw Bartoszewski, Bronislaw Geremek und Stefan Meller gemeinsam an die Öffentlichkeit gewandt. Für eine heftige Rüge des polnischen Präsidenten schlossen sie sich jetzt zusammen. „Das Treffen ohne einen triftigen Grund abzusagen ist eine Missachtung gegenüber den Partnern“, heißt es in dem offenen Brief. „Gerade Polen braucht die Zusammenarbeit im Rahmen des Weimarer Dreiecks.“ Deutschland und Frankreich seien Schlüsselpartner Polens in der EU. Besonders pikant ist, dass der parteilose Steffen Meller bis Anfang Mai noch polnischer Außenminister war, dann nach dem Eintritt der beiden populistischen Parteien Samoobrona (Selbstverteidigung) und Liga Polnischer Familien ins Warschauer Kabinett seinen Rücktritt einreichte.Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz wollte den Protest der Ex-Minister nicht kommentieren. Auch die Opposition und große Teile der Medien hatten Kaczynski wegen der Gipfelabsage und seiner Außenpolitik heftig kritisiert.Der riesengroße Wirbel um die Zeitungssatire legt sich in Warschau derweil nur langsam. Auf der persönlichen Website des polnischen Präsidenten (www.prezydent.pl) wird in einer Meldung über die Satire der Berliner „tageszeitung“ das Nazi-Hetzblatt „Der Stürmer“ abgebildet. Dazu wird ein Fernsehinterview des Präsidentensprechers Maciej Lopinski wieder gegeben, in dem er den Stil des ironisch gemeinten Kaczynski-Porträts der linksalternativen taz mit dem „Stil, in dem man in Deutschland in den 30iger Jahren geschrieben hat,“ gleichsetzt. „Das war so ein Blatt, das hieß „Der Stürmer“. Das ist die Verbindung: Einerseits blauäugige Deutsche, anderseits die polnischen Kartoffeln“.Unter dem Titel: „Polens neue Kartoffel“ hatte sich die Zeitung in ihrer Satire-Serie „Schurken, die die Welt beherrschen wollen“ über den Präsidenten lustig gemacht. Autor Peter Köhler schrieb in der Satire: „Oft genug hatte der ranghöchste Pole ausposaunt, er kenne von Deutschland nicht mehr als den Spucknapf in der Herrentoilette des Frankfurter Flughafens.“ Kaczynski sei „ein Politiker von hinter der Oder, der der deutschen Kanzlerin in aufrechter Haltung das Vorderbein zur Begrüßung reicht!“Als Reaktion verlangte der rechtsextreme Vizepremier Roman Giertych, dass Warschau den deutschen Botschafter einbestellt. Soweit ging aber Kaczynskis konservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nicht. Sein Staatssekretär Andrzej Krawczyk appellierte stattdessen öffentlich an deutsche Politiker und Behörden: „Wir erwarten Kritik, Worte des Mitleids und die Ablehnung solcher Veröffentlichungen über das Staatsoberhaupt eines mit Deutschland befreundeten Staates.“ Präsidentensprecher Lopinski meinte: „Es wundert mich, dass die deutschen Politiker den Text so behandeln, als ob nichts Wichtiges passiert wäre.“Doch in Berlin schloss sich der Zeitungsschelte niemand an. Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Regierungssprecher Ulrich Wilhelm lehnten es ab, die taz-Satire zu kritisieren, und verwiesen auf die Pressefreiheit. Der Artikel gebe die Meinung der Zeitung und nicht der Bundesregierung wieder, sagte der SPD-Politiker Steinmeier vor Journalisten in Berlin. „Das haben wir unseren polnischen Freunden auch mitgeteilt.“ Über Satiren könne man unterschiedlicher Meinung sein, fügte er hinzu.
Auch ohne die erbetene Berliner Reaktion auf die taz-Satire gibt sich die polnische Staatsspitze nun gelassener. Kaczynskis Außenstaatssekretär Krawczyk versicherte, dass sich die Angelegenheit nicht auf die „guten deutsch-polnischen Beziehungen“ auswirken würde. Man habe keine offizielle Reaktion erwartet, sondern eine Klarstellung durch die deutschen Eliten, dass man sich von einer solchen Darstellung eines befreundeten Staatsoberhauptes distanziere. Eine weitere Eskalation droht demnach erst mal nicht.Das polnische Außenministerium dementierte inzwischen auch, dass es nicht mehr mit der Warschauer Korrespondenten des Berliner Blattes reden werde. Vielmehr achte man die Freiheit des Wortes, sagte ein Sprecher. Außenministerin Anna Fotyga hatte zuvor besonders scharf gegen den Zeitungsbeitrag protestiert: „Nicht nur der Präsident, sondern das ganze Land sind beleidigt worden.“ Auch sie sagte, die Sprache der taz-Satire ähnle der des „Stürmers“. Fotyga feuerte ihren Pressechef, weil er eine Übersetzung der tat-Satire in die öffentliche Presseübersicht auf der Ministeriums-Website aufnahm.Im Umgang mit der Presse unterscheiden sich die Regierungen in Berlin und Warschau stark. In Polen ist der Ton viel rüder als in Bundesrepublik. Deutsche Politiker beschweren sich meist nicht öffentlich gegen Satiren, so auch Bundespräsident Köhler und Bundeskanzlerin als die taz ihnen übel mitspielte. Anders war das beim Warschauer Politmagazin „Wprost“. Als das Blatt im September 2003 auf dem Titelblatt die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach in Nazi-Uniform reitend auf dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder druckte, nannte dies der linke Premier Leszek Miller eine „Geschmacklosigkeit“, die er persönlich bedauere. Auch Schröder sagte: "Ich fand diese Abbildung mehr als unappetitlich", Allerdings schlossen sich Kaczynski und die Konservativen vor drei Jahren der Kritik an „Wprost“ nicht an.Die in Polen geborene taz-Chefredakteurin, Bascha Mika, kritisierte die vor eineinhalb Wochen in ihrem Blatt gedruckte Satire: „Der Beitrag war teilweise wirklich geschmacklos und unappetitlich. Die Fäkalsprache gefällt mir nicht.“ Zugleich mahnte sie polnische Politiker zur Achtung der Pressefreiheit und fragte: „Wo ist der berühmte polnische Humor geblieben?“Es ist nicht das erste Mal, dass die "taz" in Warschau für Verärgerung sorgt. Im Herbst hatte die Zeitung Lech Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw, der Chef der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit ist, als Antisemiten bezeichnet. Dafür hatte sich auch die Warschauer taz-Korrespondentin in der Gazeta Wyborcza sofort klipp und klar entschuldigt. Der polnische Botschafter in Berlin, Andrzej Byrt, hatte vor einigen Monaten extra die taz-Redaktion besucht, um über seinen zahlreichen Beschwerden zu sprechen. Jetzt zeigt er sich besonders enttäuscht.Die Satire-Affäre stellt das schon in der Vergangenheit komplizierte Verhältnis von Kaczynski zu Deutschland erneut vor eine schwere Belastungsprobe. Experten meinen, Kaczynskis Berater versuchten gegenwärtig, den Präsidenten wieder auf einen kritischen Kurs gegenüber Deutschland zurück zu werfen. Nach seinem Deutschlandbesuch in diesem Frühling schien seine Zusammenarbeit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zuletzt auf dem besten Weg. Im Dortmund verfolgten sie Mitte Juni Seite an Seite das Vorrundenspiel der Fußballweltmeisterschaft zwischen Deutschland und Polen. Kaczynski selbst äußerte sich bisher nicht öffentlich zu der Satire. sein Staatssekretär Krawczyk teilte lediglich mit, der taz-Beitrag habe Kaczynski "wirklich sehr aufgeregt".Ende------------------------------------------------------
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