Polen

taz-Satire wird zur Staatsaffäre

Bundesregierung verweist nach Protesten der polnischen Regierung auf die PressefreiheitEine deutsche Zeitungssatire über den polnischen Präsidenten Lech Kaczynski entwickelt sich zur ernsten Staatsaffäre. Die Warschauer Außenministerin Anna Fotyga und die Präsidialkanzlei forderten, deutsche Politiker sollten die Satire, die vergangen Woche in der Berliner „tageszeitung“ (taz) verurteilen. Die Bundesregierung kam dem Ersuchen aus Warschau aber nicht nach. In dem ironischen Kaczynski-Porträt hatte sich das Blatt mit vulgären Wörtern über den Präsidenten lustig gemacht.Besonders scharf protestierte Außenministerin Fotyga gegen den Zeitungsbeitrag: „Nicht nur der Präsident, sondern das ganze Land sind beleidigt worden.“ Selbst die Diktatoren Saddam Hussein (Irak) und Alexander Lukaschenko (Weißrussland) seien nicht auf solche Weise angegriffen worden. Die Sprache des Artikels ähnele der des Nazi-Blatts „Der Stürmer“.Unter dem Titel: „Polens neue Kartoffel“ hatte die taz in ihrer Satire-Serie „Schurken, die die Welt beherrschen wollen“ am Montag vergangener Woche Kaczynski aufs Korn genommen. Autor Peter Köhler schrieb darin etwa: „Oft genug hatte der ranghöchste Pole ausposaunt, er kenne von Deutschland nicht mehr als den Spucknapf in der Herrentoilette des Frankfurter Flughafens.“ Kaczynski sei „ein Politiker von hinter der Oder, der der deutschen Kanzlerin in aufrechter Haltung das Vorderbein zur Begrüßung reicht!“ Von der taz wurde Polens Präsident Lech Kaczynski als "Kartoffel" verunglimpft, Foto: Andreas MetzDer rechtsextreme Vizepremier Roman Giertych verlangte sogar, das Warschau den deutschen Botschafter einbestellt. Soweit wollte Kaczynskis Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) nicht gehen, Kaczynskis Staatssekretär Andrzej Krawczyk appellierte stattdessen öffentlich an deutsche Politiker und Behörden: „Wir erwarten Kritik, Worte des Mitleids und die Ablehnung solcher Veröffentlichungen über das Staatsoberhaupt eines mit Deutschland befreundeten Landes.“Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Regierungssprecher Ulrich Wilhelm lehnten es am Mittwoch ab, die taz-Satire zu kritisieren, und verwiesen auf die Pressefreiheit. Der Artikel gibt die Meinung der Zeitung und nicht der Bundesregierung wieder, sagte der SPD-Politiker Steinmeier vor Journalisten in Berlin eine Binsenwahrheit. „Das haben wir unseren polnischen Freunden auch mitgeteilt.“ Über Satiren könne man unterschiedlicher Meinung sein, fügte er lediglich hinzu. Das Bundespräsidialamt kam Kaczynski ebenfalls nicht zur Hilfe. „Eine entsprechende Bitte ist bei uns nicht eingegangen“, erklärte der Sprecher von Bundespräsident Horst Köhler dieser Zeitung.Dafür kritisierte die in Polen geborene taz-Chefredakteurin, Bascha Mika, die vor eineinhalb Wochen in ihrem Blatt gedruckte Satire: „Der Beitrag war teilweise wirklich geschmacklos und unappetitlich. Die Fäkalsprache gefällt mir nicht.“ Zugleich mahnte sie polnische Politiker zur Achtung der Pressefreiheit und fragte: „Wo ist der berühmte polnische Humor geblieben?“ Der polnische Botschafter Andrzej Byrt hatte sich bereits vergangene Woche „mit Befremden und Enttäuschung“ an die taz-Chefredakteurin Bascha Mika geschrieben, man müsse „schon einen sehr eigenartigen Sinn für Humor haben, um in dem Text Satire zu erkennen“.Die liberale Warschauer Zeitung Gazeta Wyborcza warnte am Mittwoch, wer wie die polnische Regierung und der Präsident auf eine Satire reagiere, mache sich selbst lächerlich. In dem Kommentar hieß es weiter: „Der vulgäre Artikel hat eine Kettenreaktion ausgelöst. Wenn wir diese Kette nicht durchbrechen, droht uns eine Atomexplosion, die die polnische Außenpolitik ins Lächerliche zieht.“Die Satire-Affäre stellt das schon in der Vergangenheit komplizierte Verhältnis von Kaczynski zu Deutschland erneut vor eine schwere Belastungsprobe. Experten meinen, Kaczynskis Berater versuchten gegenwärtig, den Präsidenten wieder auf einen kritischen Kurs gegenüber Deutschland zurück zu werfen. Nach seinem Deutschlandbesuch in diesem Frühling schien seine Zusammenarbeit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zuletzt auf dem besten Weg. Im Dortmund verfolgten sie Mitte Juni Seite an Seite das Vorrundenspiel der Fußballweltmeisterschaft zwischen Deutschland und Polen.Im Umgang mit der Presse unterscheiden sich die Regierungen in Berlin und Warschau stark. Als die taz auf ihrer Satire-Seite „Wahrheit“ vor einem Jahr Bundespräsident Köhler und Bundeskanzlerin Merkel übel mitspielte führte dies zu keinen offiziellen Beschwerden. Als das Politmagazin „Wprost“ im September 2003 auf dem Titelbild die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach in Nazi-Uniform reitend auf dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder brachte, nannte der linke Premier Miller geschmacklos. Kaczynski und die Konservativen schlossen sich jedoch der Kritik nicht an.Für den Pressechef des polnischen Außenministeriums, Pawel Dobrowolski, hatte die taz-Satire harte Konsequenzen. Die Regierung entließ ihn, weil er eine Übersetzung des Artikels in die öffentliche Presseübersicht auf der Ministeriums-Website aufnahm. Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz verteidigte seine Entlassung: „Es gab keine andere Wahl.“ Denn der Artikel sei „ekelhaft“.Auch der taz-Korrespondentin in Warschau bläst der Wind ins Gesicht. Ihr droht die Regierung, ihre Akkreditierung zu entziehen. „Das polnische Außenministerium wird nie wieder mit einem Journalisten der tageszeitung sprechen“, zitierte die taz einen Ministeriumssprecher. Es ist nicht das erste Mal, dass die „taz“ in Warschau für Verärgerung sorgt. Im Herbst hatte die Zeitung Lech Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw, der Chef der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit ist, als Antisemiten bezeichnet. Davon hatte sich auch die Warschauer taz-Korrespondentin in der Gazeta Wyborcza sofort entschuldigt. Nach einem Besuch des Botschafters Byrt in der taz-Redaktion vor wenigen Monaten hatte sich das Verhältnis zuletzt wieder verbessert.Kaczynski selbst äußerte sich bisher nicht öffentlich zu der Satire. sein Staatssekretär Krawczyk teilte lediglich mit, der taz-Beitrag habe Kaczynski „wirklich sehr aufgeregt“.
In der gestrigen Ausgabe der taz entschuldigt sich die Redaktion der „Wahrheits“-Seite – allerdings nicht bei Kaczynski, sondern bei der Kartoffel. „Hiermit entschuldigen wir uns aufrichtig bei Dir, dass wir dich mit einem polnischen Präsidenten verglichen haben“, schreibt die Redaktion. „Es tut uns sehr leid, und zu Recht beschwerst du dich darüber, dass du mit jemandem wie Kaczynski in einem Atemzug genannt wirst.“Ende----------------------------------------------------------
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