Eine kleine Landzunge soll zur „Terra Golfica“ werden
Iva Šverko wirkt aufgebracht, wenn sie über die Pläne der kroatischen Regierung spricht: „Da muss jemand willkürlich Nadeln in eine Landkarte gestochen haben, anders lassen sich die Standorte nicht erklären“. Die junge Umweltschützerin engagiert sich bei „Zelena Istra“ (Grünes Istrien), einer Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Pula. Dort dreht sich derzeit alles um ein Thema: Den massiven Ausbau von Golfplätzen, der im kroatischen Teil der Halbinsel Istrien vorgesehen ist. Eine Landzunge in der Adria, mit 2.800 Quadratkilometern gerade mal ein wenig größer als das Saarland. In den kommenden Jahren sollen hier 22 Golfplätze entstehen, inmitten freier Natur. „Solch eine Dichte an Golfplätzen gibt es nirgendwo auf der Welt, das braucht kein Mensch“, sagt Iva Šverko. Da ist die kroatische Regierung jedoch anderer Meinung. Denn diese hat sich die Entwicklung des Golfsports als strategisches Tourismusziel auf die Fahnen geschrieben. Damit könne die Reisesaison ausgedehnt werden, zudem hoffe man auf gehobene, kaufkräftige Gäste, heißt es in einer Erklärung.
Neu ist die Idee keinesfalls: Bereits vor sieben Jahren wurde ein entsprechender Bebauungsplan verabschiedet, ohne nennenswerte Proteste aus der Bevölkerung. 66 Golfanlagen sind darin im ganzen Land vorgesehen. Allein ein Drittel davon im touristisch gut besuchten Istrien, das jährlich doppelt so viele Gäste empfängt, wie es Einwohner hat. Gut 200.000 Menschen leben hier, viele verstehen den Unmut der Naturschützer nicht: „Die meisten denken, dass Sport schließlich eine gute Sache sei, außerdem würde es sich doch nur um einige Wiesen handeln“, erzählt Iva Šverko. Dass mit jeder geplanten 18-Loch-Anlage zwischen 75 und 110 Hektar wichtiger Lebensraum für Flora und Fauna verschwinde, sei durchaus nicht immer bewusst. Hinzu kommt die entsprechende Infrastruktur, die im Bebauungsplan ebenfalls vorgesehen ist: Hotels, Appartments, Villen. Die Golfplätze seien nur ein fadenscheiniger Vorwand für die Urbanisierung und den weiteren Ausbau von Übernachtungsmöglichkeiten in Istrien, heißt es auf einem Handzettel von „Grünes Istrien“. Mit solchen Flyern, einem Anti-Golf-Tag und dem Pflanzen von 22 symbolischen Bäumen will man nun die Bevölkerung aufklären.
Der Bau einer Golfanlage bleibt nicht ohne Folgen: Zusammenhängende Ökosysteme werden durchbrochen, die Natur reagiert äußerst empfindlich darauf, reduziert ihre Artenvielfalt. Hinzu kommt die Bewässerung: Die Rasenflächen fordern sehr viel Flüssigkeit, werden teilweise auch mit Trinkwasser besprenkelt. Ein Gut, das vor allem in den Sommermonaten in Kroatiens Küstenregion knapp ist. Jeder 18-Loch-Golfplatz habe binnen 24 Stunden den gleichen Wasserbedarf wie eine Kleinstadt mit 8.000 Einwohnern, so die Rechnung der Umweltschützer aus Pula. Daher fordere man dringend Alternativen, wie die vorrangige Nutzung von stillgelegten Brunnen oder auch die Entsalzung von Meerwasser. Hinzu gesellt sich ein weiteres Wasserproblem, fürchten die Aktivisten: Um den perfekten grünen Rasen zu bestellen, kommen nicht selten große Mengen an Düngemitteln und Pestiziden zum Einsatz – die in die Erde sickern und das Grundwasser gefährden könnten. Josip Zidarić bemüht sich, die Wogen zu glätten. Der Bebauungsplan sei eine Kann-Regel, niemand behaupte, dass in Istrien auch tatsächlich 22 Golfplätze entstehen müssten, sagt der Leiter der Abteilung für Raumplanung und Instandhaltung bei der Regionalverwaltung in Pula. Sollte die Nachfrage von Investoren jedoch vorhanden sein, werde man dies auch umsetzen. Möglichkeit zum Einspruch hätten die Bürger dabei immer, so Zidarić. Sechs Genehmigungen sind bislang erteilt worden, für Umag, Avudrija, Ližnjan, Barbariga und zwei Plätze bei Grožnjan. Genug, fordert „Grünes Istrien“, dabei könne man es auch belassen. Doch was war bislang?
Der einzige Golfplatz, den es in Istrien gibt, befindet sich seit fast einem Jahrhundert auf den Brijuni-Inseln, einem Nationalpark, in dem einst Staatschef Tito sein Feriendomizil hatte. Drei Mal jährlich wird der 18-Loch-Rasen nur gemäht, dient ansonsten als Weidefläche für Rehe und andere freilaufende Tiere. Prädikat: Umweltgerechter Golfplatz. Da stimmt auch Iva Šverko zu. Ähnliche Proteste wie in Kroatien gab es im Vorjahr auch im türkischen Urlaubsparadies Antalya: Dort machte die türkische Sektion der Naturschutzorganisation WWF darauf aufmerksam, dass 200.000 Pinienbäume der Entstehung von Golfplätzen weichen müssen. Bislang gibt es neun Anlagen im ganzen Land, davon sechs in Antalya. Doch die Türkei teilt ihr Schicksal mit Kroatien: In den nächsten Jahren sind hier gar 100 neue Golfterrains vorgesehen.