Flaggen-Posse aus Sarajewo
Serbische Botschaft in Sarajewo wartet bis heute auf die Fahne aus Belgrad
Sarajewo (n-ost) –Man habe noch keine Flagge aus dem 200 Kilometer entfernten Belgrad erhalten, lautet die lapidare Erklärung bei der serbischen Botschaft in Sarajewo für das Festhalten an der serbisch-montenegrinischen Unions-Fahne. Immerhin wurde an der Fassade bereits ein neues, goldenes Schild mit der Aufschrift "Botschaft der Republik Serbien" und dem serbischen Wappen montiert. Vielleicht löst der serbische Präsident Boris Tadic das Problem und bringt eine Flagge Serbiens nach Sarajewo mit, wenn er Ende Juni Bosnien-Herzegowina den ersten offiziellen Besuch in seiner neuen Funktion als Staatsoberhaupt abstatten wird. Die serbische Flagge ist von oben nach unten in den Farben rot-blau-weiß gehalten, jene des aufgelösten Staatenbundes Serbien und Montenegro ist blau-weiß-rot.Aber auch ohne präsidiale Unterstützung aus Belgrad müsste es für die serbischen Diplomaten in Sarajewo eigentlich ein Leichtes sein, in Bosnien-Herzegowina eine serbische Flagge aufzutreiben. In der serbischen Teilrepublik von Bosnien-Herzegowina, der 49 Prozent des Gesamtterritoriums umfassenden Republika Srpska, schmücken diese zu Tausenden Gebäude und Strassen. Die Flagge des bei den meisten bosnischen Serben unbeliebten Gesamtstaates Bosnien-Herzegowina hingegen ist hier meist lediglich an den Rathäusern von Städten und Gemeinden zu sehen, wo sie – oft gegen den Willen der dort arbeitenden Amtsträger – aufgehängt werden muss.Serbische Botschaft in Sarajewo: Auch wenn es die Union Serbien und Montenegro – genauso wie die zerfallene Sowjetunion – nicht mehr gibt, weht noch immer die Flagge der Union Serbien und Montenegro vor dem Gebäude. Foto: Norbert RütscheDas serbische Fahnenmeer ist ein Ausdruck für die Stimmung, die zurzeit unter den bosnischen Serben herrscht, die in ihrer Teilrepublik 92 Prozent der Bevölkerung von 1,7 Millionen ausmachen. Milorad Dodik, der Ministerpräsident der Republika Srpska, hatte nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Montenegro für Aufregung gesorgt, als er laut über eine Abspaltung der serbischen Teilrepublik von Bosnien-Herzegowina nachdachte. In Anspielung auf die von der EU verlangten Zustimmung von 55 Prozent für die Unabhängigkeit Montenegros hatte Dodik unlängst gesagt: "Setzen Sie uns einen Wert von 80 Prozent, und wir werden ihn in einem Referendum locker überschreiten." Der Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina, Christian Schwarz-Schilling, verurteilte die Äußerungen Dodiks scharf und machte klar, dass ein Referendum über die Abspaltung der Republika Srpska von Bosnien-Herzegowina völlig ausgeschlossen sei. Die Situation in Bosnien-Herzegowina habe mit den Ereignissen in Serbien und Montenegro rein gar nichts zu tun.Serbien hat als Rechtsnachfolger der Union Serbien und Montenegro alle diplomatischen Vertretungen und Mitgliedschaften in internationalen Organisationen übernommen. Die Aufteilung von ehemals gemeinsamen Botschaftsgebäuden, aber auch von Militär- und Verwaltungseinrichtungen dürfte allerdings zu einem langwierigen Tauziehen werden. Vor der Auflösung des Staatenbundes betrieben die beiden ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken lediglich noch die Außen- und Verteidigungspolitik gemeinsam.
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