Polen

Auf der Suche nach verschollenen deutschen Soldaten

Der Posener Verein Pomost sucht deutscher WeltkriegsopferPolen (n-ost) - Tomasz Czabanski hat keinen Überblick mehr darüber, wie viele deutsche Soldaten er und seine Kollegen bereits gefunden und exhumiert haben. Es seien viele, sehr viele gewesen. Allein bei Ausgrabungen in den letzten beiden Aprilwochen 2006 sicherte Czabanskis Posener Verein „Pomost“ die Gebeine von fast 50 Soldaten. Hundert weitere werden allein auf dem Gelände des Posener Zoos vermutet.Als Tomasz Czabanski 1997 „Pomost“ mit ein paar Mitstreitern ins Leben rief, hätte er sich von dieser Arbeit nicht träumen lassen. Der Name „Pomost“ ist ein Wortspiel, eine Verknüpfung der polnischen Wörter für Hilfe und Brücke. Vereinsziel ist die Förderung der deutsch-polnischen Verständigung. Anfangs widmeten sich die Mitglieder neben wissenschaftlichen Forschungen zur deutschen Geschichte Posens und der Grenzregion auch der Pflege verfallener deutscher Friedhöfe. Heute fährt Czabanski mit seinen Mitarbeitern, die alle ehrenamtlich tätig sind, fast täglich zu Grabstellen von Deutschen, die gegen Ende des Zweiten Weltkrieges einfach irgendwo verscharrt worden sind. Von der Arbeit seien sie regelrecht überrollt worden, sagt Czabanski. Derzeit lägen ihnen über 200 Meldungen von möglichen Fundorten vor. Und Tag für Tag werde die Liste länger. „Das übersteigt unsere Kapazitäten.“ Dabei erstreckt sich das Einsatzgebiet von „Pomost“ nur über die Großstadt Poznan und die Wojewodschaften Wielkopolska und Ziemia Lubuska. Inzwischen gebe es ähnliche Vereine auch in Masuren und Schlesien.Erkennungsmarke eines Deutschen Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg, Foto: PomostDen genauen Fundort des Massengrabes auf dem Gelände des Posener Zoos will Czabanski nicht preisgeben - auch wegen der so genannten Schatzsucher, die nach Kennmarken und anderen Gegenständen der Toten graben, um diese dann im Internet zum Kauf anzubieten. Eigentlich hätte man das Massengrab bereits in den 1970er Jahren sichern können, erklärt der Vereinsvorsitzende. Damals sei eine neue Wasserleitung verlegt worden. „Wir haben die Informationen zum Massengrab von den damaligen Arbeitern erhalten, die von ihrem Bauleiter gezwungen wurden, einen Graben mitten durch die im Boden versteckten Knochen und Schädel zu schlagen. Das Geschehen hat ihnen bis heute keine Ruhe gelassen.“Da im Zoologischen Garten in Poznan derzeit viele Besucher flanieren, wurden die Exhumierungsarbeiten auf den Herbst verschoben. Bis dahin ist Czabanski mit seinen Leuten an anderer Stelle im Einsatz. Im Örtchen Promnice bei Posen erinnerten sich zwei Zeitzeugen, die 1945 noch Kinder waren, dass Ende des Krieges zwei Fuhrwerke voll mit toten Wehrmachtssoldaten an eine bestimmte Stelle im Wald gebracht und dort begraben wurden. Äußerlich sieht man der Fundstelle nichts mehr an. Bei Stichproben zeigte sich aber sehr schnell, dass hier tatsächlich Gebeine deutscher Soldaten liegen, daneben Reste von Uniformen und Waffen und alte Munition. Letztere macht die Ausgrabungsarbeiten mitunter zu einem besonderen Spiel mit den Nerven.Nach Zeugenaussagen handelt es sich in Promnice um Soldaten, die beim Kesselkampf um eine Brücke über die Warthe, der am 23. und 24. Januar 1945 zwischen Wehrmacht und der Roten Armee tobte, ihr Leben verloren haben. Am 24. Januar wurde die Brücke von den Deutschen gesprengt, dabei wurde aber auch einigen ihrer Soldaten der Fluchtweg abgeschnitten, was diesen zum Verhängnis wurde – keiner kam lebend heraus.Zeitgleich sind die Leute von Tomacz Czabanski an der Stadtgrenze von Posen bei Jaryszki im Einsatz. Hier wird ein großes Massengrab mit etwa 150 deutschen Soldaten und Zivilisten vermutet, die, wie Czabanskis Untersuchungen ergaben, im Januar 1945 von einer Panzerbrigade der Roten Armee „überrollt“ worden sind. Die Stelle befindet sich heute auf dem Gelände einer Kleingartenkolonie. Noch dauern die Verhandlungen mit den Inhabern an, die sich „diesmal als ausnahmsweise schwierig erweisen“. Die Mitglieder von Pomost hoffen aber auch hier bald mit den Arbeiten anfangen zu dürfen. Nach jeder Exhumierung werden alle gefundenen Gebeine dokumentiert und an die deutschen Behörden gemeldet. Die Beisetzung erfolgt dann auf dem Posener Milostowo-Friedhof. Die Identifizierung der Opfer gelingt in etwa 50 Prozent der Fälle anhand der Erkennungsmarken, die in den Gräbern gefunden werden. Angehörige erfahren manchmal erst nach 60 Jahren, was tatsächlich mit dem Familienvater, einem Onkel oder Großvater passiert ist. „Vor kurzem hatten wir wieder einen solchen Fall. Wir fanden eine ganze Marke von einem Soldaten, von dem wir wussten, dass er von der Familie immer noch gesucht wurde. Nun konnten wir ein würdiges Begräbnis auf dem Milostowo-Friedhof für ihn organisieren. Seine ganze Familie, alle Nachkommen sind aus Deutschland angereist. Sein Sohn, der ihn nie gesehen hat und nur von Fotos kannte, weinte am Grab wie ein Kind.“Man merkt Czabanski an, dass ihm solche Szenen unter die Haut gehen. Die schwierigsten Augenblicke in seiner Arbeit sind aber diejenigen, in denen er und seine Mitarbeiter in den untersuchten Gräbern mehr finden, als zuerst vermutet. „Wenn man die Gebeine von Frauen und Kinder, zum Teil auch mit Spielzeug an der Seite, zu Gesicht bekommt, dann geht es einem wirklich an die Substanz.“ Solche Funde seien in der Region keine Seltenheit. „Die Massengräber entstanden, nachdem die Rote Armee durch diese Gebiete gezogen ist. 1945 gab es vom Januar bis zum Sommer ein halbes Jahr lang ein reines Chaos. Die Rote Armee ermordete zu der Zeit zahlreiche Deutsche, Zivilisten, Frauen, auch Kinder.“Pomost-Mitglieder haben viele Gespräche mit Zeitzeugen geführt und in Büchern dokumentiert. „Die Polen interessierten sich für die Geschichte ihrer Region, auch dann, wenn sie schmerzhaft war“, sagt der Vereinsvorsitzende. Die Abneigungen gegen die Deutschen scheinen überwunden zu sein. Das meint auch Beata Mackowiak, eine 38-Jährige Historikerin aus Posen, die das Engagement von „Pomost“ für die deutsch-polnische Verständigung lobt: „Alle, auch die Deutschen, waren damals Opfer eines mörderischen Systems. Die Geschichte wird von Menschen geschaffen und die Zeit heilt eben nicht immer alle Wunden, umso wichtiger ist es, richtig mit den Überresten der damaligen deutschen Soldaten umzugehen.“ „Pomost“ pflegt einen regen Austausch mit Deutschland, vor allem mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. „Die Deutschen bemühen sich umgekehrt auf unsere Anregung hin um das Auffinden der Gräber polnischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter. Sie exhumieren sie und bestatten sie dann auf einem würdigen Friedhof“, beschreibt Czabanski die freundschaftliche Zusammenarbeit. Er selbst packt dabei entschlossen sein Werkzeug ins Auto: „Morgen graben wir am alten evangelischen Friedhof in Bnin.“. ***ENDE***-----------------------------------------------------------------------------
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