Belarus

Bunter Protest gegen die Angst

Minsk (n-ost) – Nach den Wahlen im März in Weißrussland scheinen die Hoffnungen auf einen schnellen Übergang zur demokratischen Entwicklung des Landes zerstoben zu sein. Zwar wird Lukaschenkos Regime inzwischen vom Westen durch Einreiseverbote und das Einfrieren von Konten isoliert. Doch an der Wirksamkeit staatlicher Unterdrückungsmaßnahmen gegen die Opposition hat sich nichts geändert.

Die Jugendorganisation Subr (Bison), die während der Präsidentenwahl mit einem Zeltlager auf dem zentralen Oktoberplatz die offene Konfrontation mit Lukaschenko suchte, hat Anfang Mai ihre Selbstauflösung beschlossen. Ein Grund wurde zwar nicht angegeben, liegt aber auf der Hand: Anfang Januar trat in Weißrussland ein Gesetz in Kraft, wonach die Arbeit von nicht registrierten Organisationen automatisch als kriminell eingestuft wird.

Dennoch gehen die Proteste gegen Lukaschenko weiter. Viele der weißrussischen Jugendlichen, die während der Präsidentenwahl im März vergeblich nach „dem Neuen“ verlangten, haben eine bis jetzt für sie noch ungefährliche Methode entdeckt, um auf sich und die Probleme in ihrem Land aufmerksam zu machen. Kurz vor der Wahl ist in Weißrussland die Flashmob-Bewegung entstanden.

Flashmob steht für „flash“ (Blitz) und „mob“ (Pöbel), wurde 2003 in den USA entwickelt und bedeutet, dass sich blitzschnell an einem bestimmten Ort Menschen ansammeln und für eine sehr kurze Zeit die gleiche, meist offenbar sinn- und inhaltslose Handlung ausführen. Die überwiegend jungen Leute, die sich in der Regel nicht kennen, benachrichtigen sich per SMS oder E-Mail über die nächste bevorstehende Aktion.

Die Flashmob-Aktionen haben nicht vorrangig politische Ziele, sondern sollen in erster Linie Spaß und Freude zeigen. Das ist auch der Grund, warum auf die blitzschnellen Flashmob-Handlungen die Miliz noch nicht so aggressiv wie auf andere Aktionen reagiert, die sich gegen das Regime wenden. Die Flashmob-Aktivisten werden gewöhnlich nur für kurze Identitätskontrollen festgenommen und dann wieder freigelassen.

„Die Flashmob-Bewegung ist gerade sehr populär und wird immer bekannter“, sagt Olga, eine 22-jährigen Philologiestudentin aus Minsk. Die Präsidentenwahl habe die Jugend verändert und die Gesellschaft geöffnet. „ Die Hoffnung ist größer als die Angst.“ Die Studentin weist darauf hin, dass die Menschen heute viel häufiger blaue Bänder und Abzeichen tragen, um sich damit zu den demokratischen Werten zu bekennen.

Der Minsker Pädagogikstudent Wadim nimmt selbst an Flashmob-Aktionen teil. Die Jugendlichen hätten verschiedene Ziele, sagt er. „ Einige haben keine Wahl. Sie wollen handeln, sich gegen die Zustände wehren. Für andere sind die Aktionen spannende Spielereien.“ Die Flashmobs seien eine tolle Möglichkeit, einfach und kreativ die Öffentlichkeit auf Probleme aufmerksam zu machen.

Wadim erzählt von verschiedenen Aktivitäten, die bereits stattfanden. Zum Beispiel die Aktion „Berühre die Freiheit“, bei der die Teilnehmer fünf Minuten lang auf dem Platz saßen, auf dem einst das Zeltlager stand, und sich an den Händen hielten. Oder die Aktion „Das weißrussische Fernsehen lügt“, bei der Jugendliche vor einem öffentlichen Bildschirm im Zentrum von Minsk mit geschlossenen Augen und Ohren „fernsahen“.

In Grodno hat man sich vor einem Lenin-Denkmal mit Glühbirnen versammelt und auf diese Weise gegen die Erhöhung der Strompreise protestiert. Als der Verband der weißrussischen Schriftsteller kurz vor der Schließung stand, lasen Jugendliche vor dem Obersten Gericht in Minsk demonstrativ die Werke weißrussischer Schriftsteller. Während einer anderen Aktion packten sie vor dem KGB-Gebäude Bücher mit der weißrussischen Verfassung aus.

„Weil es heute keine unabhängige Presse mehr gibt, machen wir Passanten auf ganz normale Sachen aufmerksam – zum Beispiel, dass bis vor einem Jahr die Hauptstraße von Minsk den Namen eines großen weißrussischen Aufklärers trug und dass es Schüler und Studenten gibt, die auf Weißrussisch lernen wollen“, so Wadim. Der Student ist überzeugt davon, dass die Flashmob-Aktionen Zukunft haben. „Dadurch sind endlich mal Rechte, Freiheiten und die Wahrheit in Weißrussland Mode."


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