Ukraine

„Das Beispiel Schewtschenko ist ein Anreiz“ / Interview mit Anatolij Tymoschtschuk

Die Ukraine hatte sich als erste europäische Mannschaft für die WM qualifiziert – und sie ist die einzige Mannschaft, die während der WM in Ostdeutschland residiert, in Potsdam. Für viele Experten ist die Truppe, die von der sowjetischen Fußballlegende Oleg Blochin trainiert wird, ist die Überraschungsmannschaft schlechthin. Mittelfeldregisseur Anatolij Tymoschtschuk (25), Mannschaftskapitän des ukrainischen Meisters Schachtjor Donezk, ist der Mann, der für den Weltklassestürmer Andreij Schewtschenko die Bälle auflegt. Olaf Sundermeyer sprach mit Tymoschtschuk in Donezk vor seiner Abreise nach Potsdam.

Herr Tymoschtschuk, kennen Sie Deutschland?


Tymoschtschuk:
Ja, vor allem Bad Salzuflen (lacht), dort habe ich Freunde – und bei ein paar Uefa-Cup Spielen in Deutschland war ich ja auch schon. Ich spreche auch ein paar Brocken deutsch. Aber in Berlin, wo wir ja auch mit der Nationalmannschaft spielen, oder in Potsdam war ich noch nie, ich habe nur gehört, dass unsere Unterkunft und die Trainingsbedingungen in Potsdam sehr gut sein sollen.

Sie spielen in einer Liga, in dem ausschließlich der direkte Vergleich zwischen Dynamo Kiew und Schachtjor Donezk die Meisterschaft entscheidet, freuen Sie sich da besonders auf die Spiele bei der WM in Deutschland?

Tymoschtschuk: Ich bin Maximalist und erwarte auch von allen anderen Spielern, stets das Maximale zu versuchen. Es macht für mich also keinen Unterschied gegen Schwarzmeer Odessa oder die spanische Nationalmannschaft zu spielen. Ich kämpfe immer für meinen Namen, meine Mannschaft – und auch für mein Land, egal gegen wir spielen.

Viele Experten sagen, dass die Ukraine bei dieser Weltmeisterschaft das Überraschungsteam sein könnte – so wie die Türkei oder der Senegal bei der vergangenen WM, ist ihrer Mannschaft das bewusst?

Tymoschtschuk: Ja, durchaus. Ich sehe das übrigens auch so. Das hat aber nichts mit einzelnen Spielern zu tun, sondern damit, dass wir als Mannschaft funktionieren. Und wir haben ja als Erster in einer starken Qualifikationsgruppe mit dem Europameister Griechenland, dem WM-Dritten Türkei und mit Dänemark bereits für eine Überraschung gesorgt. Nun wollen wir diesen Weg des Überraschungsteams auch bei der WM weiter verfolgen.

Wie sehen Sie die Chance auch in Deutschland bei der WM Gruppenerster zu werden – immerhin müssen Sie außer gegen Saudi-Arabien und Tunesien auch gegen Spanien spielen?


Tymoschtschuk: Die Chancen sind für alle gleich und auch Tunesien und Saudi-Arabien werden für eine Überraschung gut sein. Gegen Spanien habe ich bereits gespielt und weiß wie erfahren diese Mannschaft ist: Für uns sollte der zweite oder der erste Platz drin sein, aber Du weißt eben niemals vorher, was auf dem Spielfeld passiert.

Sie spielen in der Nationalmannschaft unter Oleg Blochin, der ja die lebende Fußballlegende der Sowjetunion ist. Ist das etwas Besonderes?

Tymoschtschuk:
Na ja, zu der Zeit als Blochin ein Star war, habe ich ja noch gar nicht gelebt (lacht!). Aber natürlich ist er eine Legende und jeder von uns Spielern fühlt das. Für ihn ist es natürlich schon ein riesiger Erfolg, die Mannschaft zur WM nach Deutschland zu bringen. Das war vorher sein Traum und nun wurden seine Erwartungen bereits bestätigt.

Und wie fühlt es sich an, den finalen Pass auf den Ausnahmestürmer Andreij Schewtschenko zu spielen?

Tymoschtschuk:
Es ist nicht wichtig, wem ich wann die entscheidende Vorlage gebe. Wichtig ist, was man gemeinsam erreicht und dass man gemeinsam gut spielt …

…aber Schewtschenko hängt in der Nationalmannschaft vor allem auch von Ihren Zuspielen ab…

Tymoschtschuk:
Ja, wir sind auch Kumpels und haben auch außerhalb des Spielfelds miteinander zu tun, da funktioniert unser Zusammenspiel automatisch ganz gut.

Schewtschenko gehört zu den besten Fußballern der Welt, während die übrigen ukrainischen Spieler noch nicht so bekannt sind. Hilft das der Mannschaft sich zu entwickeln, weil alle Welt sich auf Schewtschenko stürzt, oder ist die restliche Mannschaft neidisch?

Tymoschtschuk:
Natürlich ist er ein Weltstar. Deshalb ist es auch normal, dass er all diese Aufmerksamkeit bekommt. Und alle anderen ukrainischen Spieler versuchen, auch dorthin zu kommen und auf diesem Niveau zu spielen. Dieser Anreiz hilft uns allen.


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