Polen

“Wir werden nach verhandeln“

WARSCHAU (n-ost). FRAGE: Herr Lepper, ihre Regierungsbeteiligung und die von Roman Giertych bedeutet einen großen politischen Schaden für die polnische Außenpolitik. Wie wollen Sie den reparieren?

LEPPER: Ich sehe keinen außenpolitischen Schaden. Das ist nur eine Erfindung der Medien. Schließlich gab es bislang keine politischen Reaktionen der EU, so wie im Falle Österreichs, als die FPÖ von Jörg Haider in die Regierung gewählt wurde.

FRAGE: Aber Sie waren einer der größten Widersacher des polnischen EU-Beitritts. Nun sind Sie Vize-Premierminister und Landwirtschaftsminister. Wollen Sie den Beitrittsvertrag nach verhandeln?

LEPPER: In der Geschichte der Europäischen Union gab es ja bereits Neuverhandlungen und auch Änderungen in den Vereinbarungen mit verschiedenen Ländern. Wir wollen nicht an den Grundfesten der Vereinbarungen rütteln. Schließlich sind wir uns bewusst, dass wir bereits in der EU sind – und da wollen wir auch bleiben. Aber mit einigen Dingen stimmen wir nicht überein. Deswegen schlagen wir eine Änderung der Quoten vor: Bei Milch, Zucker, Kartoffeln, Glukose und Kartoffelmehl.

FRAGE: Wie realistisch ist es denn, dass sie mit diesen Änderungen durchkommen?

LEPPER: Es gibt 25 Mitgliedsstaaten in der EU. Natürlich hat jeder dieser Staaten auch eigene Interessen. Aber ich werde schon am Montag mit der EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel über diese Quoten sprechen. Ich werde auch mit allen Agrarministern der EU sprechen, um diese Frage voranzubringen. Wir werden beispielsweise über Milchquoten sprechen: Als wir den Beitrittsvertrag mit der EU unterzeichnet haben, lag die polnische Milchproduktion bei 12 Millionen Tonnen. Jetzt haben wir eine Quote von 8,5 Millionen bekommen. Unsere Produktionsmöglichkeiten sind viel größer.

FRAGE: Um wie viel größer sollten denn die Milchquoten sein?

LEPPER: Zufrieden stellend wären 11 Millionen Tonnen Milch. Aber natürlich müssen wir unseren Bauern auch sagen, dass sie ihre Produktion nicht noch weiter steigern sollten.

FRAGE: Sie sind stets für die Verstaatlichung einzelner Industriezweige und der Banken eingetreten. Wollen Sie das jetzt als Vize-Premierminister durchsetzen?

LEPPER: Wir haben nicht vor, jemandem etwas weg zu nehmen, das rechtmäßig erworben wurde. Wir stehen aber für eine Stärkung der staatlichen polnischen Banken, wie beispielsweise der PKO BP. Denn eine Stärkung der polnischen Banken ist gut für Polen. Ich möchte aber nochmals deutlich sagen: Wir haben nicht vor, Investoren irgendetwas weg zu nehmen. Davor braucht sich niemand im Westen zu fürchten, wenn es um diese Regierungskoalition geht.

FRAGE: Sie stehen als vorbestrafter Vize-Ministerpräsident in einer Regierung, die sich die moralische Erneuerung Polens auf die Fahnen geschrieben hat. Wie passt das zusammen?

LEPPER: (lacht) Ich würde mir wünschen, dass alle Politiker die gleichen Probleme mit der Justiz haben würden, wie ich. Ich möchte aber sagen, dass ich niemals für ein ordinäres Verbrechen verurteilt wurde, ob wegen Mordes, Vergewaltigung oder weil ich jemandem wirklich geschadet habe. Ich habe immer im Namen des Bauernverbandes gehandelt und verschiedene Aktionen gemacht. Dabei habe ich Dinge gesagt, deretwegen es Probleme mit der Justiz gab. Ich habe nie eine schmutzige Politik betrieben.

FRAGE: Ihre Koalitionspartner, der Vorsitzende der Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) Jaroslaw Kaczynski und Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz haben immer gesagt, dass eine Koalition mit Ihnen als Vorbestraften unmöglich sei. Woher kommt der plötzliche Sinnenswandel?

LEPPER: Sie haben es noch mal überdacht und anders entschieden.

FRAGE: Und weshalb?

LEPPER: Weil sie anerkannt haben, dass all diese Prozesse, die gegen mich geführt worden sind, keiner strafrechtlichen, sondern zivilrechtlichen Natur waren. Sie haben anerkannt, dass es bloß ein Protest gegen die herrschenden Zustände war.
 

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