Rumänien

Brüssel hält an Beitrittstermin fest

Sofia/Bukarest (n-ost) - In Brüssel soll lange Zeit ein Witz die Runde gemacht haben: Bulgarien und Rumänien würden der EU genauso beitreten, wie ein Balkan-Zöllner geschmuggelte Waren über die Grenze passieren lässt: Er schaut einfach weg und winkt durch – „schnell, weiter!“

An ein „Durchwinken“ wagte nach der Kritik, die in den letzten Wochen am Reformprozess der beiden Balkanstaaten Bulgarien und Rumänien laut wurde, jedoch niemand mehr so richtig zu denken. Umso größer war die Erleichterung in Bukarest und Sofia, als EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn gestern nachmittag seinen abschließenden Bericht präsentierte, in dem er das Ziel der EU-Kommission bekräftigte, die beiden Balkanstaaten zum vorgesehenen Termin am 1. Januar 2007 aufzunehmen. Eine endgültige Entscheidung werde jedoch erst im Oktober getroffen. „Wir wollen sicher gehen, dass die beiden Länder bis dahin ihre Probleme bewältigen“, sagte Rehn. Insbesondere Bulgarien attestiert der Bericht nämlich noch gravierende Mängel im Kampf gegen das organisierte Verbrechen, Korruption und Geldwäsche. Insgesamt seien es sechs Bereiche, in denen das Land noch nicht beitrittsreif sei. Im Falle Rumäniens nannte Rehn Mängel in vier Bereichen, die aber eher technischer Natur seien.

„Wir können mit dem Ergebnis zufrieden sein”, sagte die bulgarische Ministerin für europäische Angelegenheiten, Meglena Kuneva, in einer ersten Stellungnahme. Erleichtert ist man in Bulgarien insbesondere deshalb, weil es nicht zum Einsatz der angedrohten Schutzklauseln gekommen ist, durch die einzelne kritische Bereiche aus der künftigen Zusammenarbeit ausgenommen würden. Die bulgarische Regierung will die Empfehlung nun als Ansporn betrachten, betont ihr Sprecher Dimiter Tsanchev. „Für uns ist es jetzt wichtig, unseren politischen Willen zu beweisen und zu zeigen, dass wir dabei sind, unsere Reformen umzusetzen. Wenn dieser Reformprozess so weitergeht, dann werden auch die geforderten Ergebnisse folgen.“

Rumänische Politiker nahmen den EU-Bericht mit Genugtuung auf. Premierminister Calin Popescu-Tariceanu lobte ihn als „gerecht und objektiv. Der Beitritt zum 1. Januar ist absolut durchführbar”. Ähnlich äußerte sich die Justizministerin Monica Macovei: „Der Bericht ist gerecht, ich bin sehr einverstanden damit. Die Fortschritte im Bereich Justiz, sowie unser Kampf gegen Korruption wurden anerkannt. Das heißt aber nicht, dass wir uns nicht weiterhin bemühen werden.” Auch auf Bukarests Straßen ist die Erleichterung groß. „Wir brauchen Europa, genauso wie Europa uns braucht, und wir müssen alles machen, um ehrenvoll ein Teil der europäischen Familie zu werden”, sagte der 46-jährige Lehrer Ioan Dobrescu. „Das ist ein Ansporn weiterhin so gründlich wie bisher zu arbeiten. Wir haben noch viele Probleme zu lösen, besonders in der Landwirtschaft, im Bildungs- und Gesundheitssystem, aber das kommt noch”, ist der 19-jährige Marian Mihai zuversichtlich.

Auch wenn das endgültige Ja aus Brüssel noch bis Oktober auf sich warten lässt, ist man nun in Sofia und Bukarest zuversichtlich, dass die Uhren, die auf öffentlichen Plätzen die Tage bis zum geplanten Beitrittstermin am 1. Januar 2007 herunterzählen, nicht umgestellt werden müssen. Gerade in Bulgarien hat dies schon manch einer befürchtet - trotz gebetsmühlenartiger Beteuerung, fest mit grünem Licht aus Brüssel zu rechnen. Zu vehement war der Gegenwind, der vor allem der bulgarischen Regierung seit dem letzten EU-Zwischenbericht im April entgegenschlug. Bulgarien war darin in der Beurteilung erstmals hinter Rumänien zurückgefallen. Besonders der Zustand des Justizsystems war Gegenstand der Kritik der EU-Experten. Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption fände praktisch nicht statt. Besorgniserregend seien die vielen Auftragsmorde auf offener Strasse, denen kein Ermittlungsverfahren folgt. Allgemein fehle es an Transparenz und Effizienz. Ein interner EU-Bericht bezeichnet die im Gerichtswesen durchgeführten Reformen als „chaotisch“, Verfassungsänderungen wirkten „konfus“.

Dennoch begrüßen auch unabhängige Stimmen aus Bulgarien die Entscheidung der EU-Kommission, am geplanten Beitrittstermin vorerst festzuhalten. Ein Aufschub werde den Reformprozess nicht beschleunigen, ist Assya Kavrakova vom Open Society Institut überzeugt. Es würde allein den antieuropäischen Kräften im Land und der organisierten Kriminalität nützen: „Bulgarien kann die Kriminalität und Korruption besser bekämpfen, wenn es Teil einer größeren Gemeinschaft mit strengen Regeln ist.“

Doch dazu müsse der Reformprozess auch nach dem vollzogenen Beitritt entschieden vorangetrieben werden. Kritisiert wird vor allem die mangelnde Transparenz politischer Entscheidungen. Der Prozess der Öffnung finde sehr langsam statt, so Assya Kavrakova. Es müsse sich noch einiges ändern in den Köpfen vieler Politiker und Beamter. „Da herrscht oft noch die Haltung: wer zur Hölle seid ihr, dass ihr Informationen darüber wollt, was wir tun?“

Die beiden Länder haben nun noch vier Monate Zeit, um die angemahnten Reformen umzusetzen. Spätestens Anfang Oktober will die Kommission bewerten, ob die Länder die Beitrittsreife erlangt haben. Die endgültige Entscheidung über das Beitrittsdatum treffen anschließend die EU-Staats- und Regierungschefs.

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