Extremisten übernehmen die Macht
Warschau (n-ost) – Polens Präsident Lech Kaczynski schlug alle Warnungen in den Wind. Im Präsidentenpalast ernannte das konservative Staatsoberhaupt am Freitag (5. Mai) den Populisten Andrzej Lepper und überraschend auch den Nationalisten Roman Giertych zu Vizepremierministern. Dagegen hatte unter anderem die US-amerikanische Anti-Defamation League (ADL) protestiert und beiden Politikern „Sympathie für rassistische und antisemitische Sichtweisen“ vorgeworfen. Aus Protest gegen Leppers Einzug in die Regierung erklärte bereits der parteilose Außenminister Stefan Meller seinen Rücktritt.
Doch die bisher allein regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), der Kaczynskis Zwillingsbruder Jaroslaw vorsteht, feierte das auch in Polen sehr umstrittene neue Bündnis. Denn sieben Monate nach den Wahlen verschaffte sich die PiS durch die Aufnahme von Leppers Bauernpartei Samoobrona (Selbstverteidigung) und Giertychs rechtsradikaler Liga Polnischer Familien (LPR) in die Regierung eine Mehrheit im Parlament. Bis zuletzt hatten die Parteien hoch gepokert. Die LPR trat der Koalition erst Stunden vor der Vereidigungszeremonie bei, obwohl ihr Vorstand zunächst gegen eine Regierungsbeteiligung gestimmt hatte.
Im Kabinett von Premierminister Kazimierz Marcinkiewicz (PiS) übernahm Lepper das Ministerium für Landwirtschaft, Giertych das für Nationalerziehung. Samoobrona stellt zudem die Arbeits- und Sozialministerin sowie den Bauminister, die LPR den Minister für Meeresangelegenheiten.
Leppers Politikstil ist in Polen berühmt-berüchtigt. Vor einigen Jahren lobte der ehemalige Kommunist noch die Arbeitsmarktpolitik Adolf Hitlers. Zudem arbeitet der 51-Jährige mit einer antisemitischen Privathochschule in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zusammen. Sie verlieh ihm vor zwei Jahren den Ehrendoktor. Die gegen Diskriminierungen kämpfende ADL warnte in diesem Zusammenhang in einem Brief an Regierungschef Marcinkiewicz: Die extremen Parteien brächten „der großen Nation Polen und Europa nur Instabilität“.
Wochenlang saß Bauernführer Lepper schon hinter Gittern. Vom Gefängnis aus leitete der Polit-Rüpel sechs Tage lang sogar seinen Präsidentschaftswahlkampf im Jahr 2000. Ein Gericht in Slubice an der Grenze zu Deutschland hatte ihn in der Parteizentrale festnehmen lassen, weil er wiederholt nicht zur Verhandlung um die Blockade des dortigen Zollterminals erschienen war. Mit vier Jahren Bewährung kam Lepper schließlich davon.
Anfang der neunziger Jahre stiftete der einstige Direktor einer Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG) seine Mitarbeiter an, einem Gärtnereichef den Kopf kahl zu scheren und ihn aus zu peitschten. Das brachte Lepper längere Zeit Untersuchungshaft und eine dreijährige Bewährungsstrafe ein.
Wegen seiner Vorstrafen müsste die Regierung den Exboxer eigentlich von heiklen Geheiminformationen - etwa der NATO - ausschließen. Doch davon wollen Leppers Steigbügelhalter von der PiS nichts wissen. Die Urteile gegen den Linkspopulisten seien politisch motiviert gewesen, meinen sie.
Lepper und seine Elf-Prozent-Partei macht lautstark Stimmung gegen die USA und schimpft: "Die heutige amerikanische Besatzung in Polen ist schlimmer als die sowjetische." Gleichzeitig gehen andere Samoobrona-Abgeordnete für die Rechte von Schwulen und Lesben auf die Straße. Entstanden ist die gleichnamige Bauerngewerkschaft schon 1991, als Lepper mit seinen Anhängern über mehrere Wochen das Parlament in Warschau belagerte, um gegen die niedrigen Abnahmepreise für Getreide zu protestieren.
"Ich bin das Kind der LPGs und schäme mich nicht dafür. Das waren Schmieden neuer Technologien", steht der gelernte Landwirt zu seinem Beruf, in dem der dreifache Vater nach der Wende mit hohen Schulden zu kämpfen hatte.
Sowohl Samoobrona als auch LPR-Abgeordnete sorgten schon für Tumulte im Parlament. So weigerte sich etwa 2002 ein LPR-Politiker, seine Rede zu beenden – aus Protest gegen den Verkauf des Warschauer Stromversorgers Stoen an die deutsche RWE. Als Leon Kieres, der für die Aufarbeitung des Judenpogroms von Jedwabne verantwortliche Leiter des "Instituts des Nationalen Gedenkens", 2002 seinen Rechenschaftsbericht vorlegte, nannte ihn ein LPR-Abgeordneter einen "Judenknecht". Er forderte ihn sogar auf, die Hosen herunterzulassen, um zu beweisen, dass er ein "echter Pole" sei.
Auch gegen Deutschland kämpft die LPR. Als am Tag vor dem EU-Beitritt am 1. Mai 2004 Bundespräsident Johannes Rau vor dem Sejm eine Rede hielt, verließen alle LPR-Abgeordneten den Saal. "Was wir feiern sollen, ist ein Grund zur Trauer, nicht zur Freude, denn die Bedingungen wurden uns diktiert, vor allem von Deutschland", begründete dies Giertych. Im vergangenen Wahlkampf sammelte die Partei Unterschriften gegen die Einführung des Euros, weil er von Deutschland bestimmt werde.
Laut protestierte der Europa-Abgeordnete Maciej Giertych, der Vater des LPR-Chefs, Anfang 2005 auch gegen die Einführung der Handkommunion in Polen, weil sie zu Hostienschändungen führen würde: "Aus Italien gibt es Hinweise, dass die Leute geweihte Oblaten in ihre Jackentasche stecken und sie anschließend an Satanisten verkaufen."
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