Tschechien

Mülleimer Tschechien - Skandal um deutsche Müllexporte

Prag (n-ost). Eine Woche mussten die Bewohner der nordböhmischen Kleinstadt Libceves sprichwörtlich den Atem anhalten. So lange brannte und schwelte die illegale Müllhalde an der Ausfahrtsstraße nach Louny und wehte schwarzen, bissigen Qualm brennenden Plastiks über die Stadt. Unbekannte hatten fast 3000 Tonnen Kunststoffabfälle mit Benzin übergossen und angezündet, um Spuren zu verwischen. Am 8. Mai soll der Abtransport von 750 Tonnen verbranntem Plastik beginnen. Aber nicht in die Verbrennungsanlage im nahegelegenen Liberec (Reichenberg) sondern nach Deutschland, konkret nach Sachsen-Anhalt. Der Müll ist nämlich deutscher Müll.

Im schwelenden so genannten deutsch-tschechischen Müllskandal wurde Libceves schon zu Beginn zum Symbol. Anfang Januar beobachteten dort tschechische Zöllner mehrere LKW der Prager Firma Bau24, die Plastikmüll der Firma Dux aus Halle auf einem verlassenen Gutshof entsorgten. Im Verlauf der nächsten Monate wurden noch 20 weitere illegale Deponien mit etwa 20.000 Tonnen Müll aus Deutschland entdeckt. Das entspricht ungefähr 1000 Lastwagenladungen. Meist handelt es sich um Plastikabfälle, Hausmüll oder Altkleider, die nicht mehr gewinnbringend weiterverwertet werden können. Grund für die illegalen Müllexporte war ein neues Abfallgesetze in Deutschland, das am 1.6.2005 in Kraft trat. Das machte die Entsorgung wesentlich komplizierter und damit auch teurer. Daraufhin boten tschechische Firmen eine kostengünstige Entsorgung in Verbrennungsanlagen jenseits der Grenze an. Dass der Müllexport nach Tschechien verboten ist, interessierte damals niemanden.

Seit zwei Wochen sitzt einer der für den Transport verantwortlichen Deutschen im tschechischen Litomerice in Untersuchungshaft. „Wenn sich die Vorwürfe erhärten sollten, drohen ihm bis zu fünf Jahr Haft“, sagt Jarmila Hrubesova, Polizeisprecherin von Usti nad Labem (Aussig). Außerdem laufen Ermittlungen gegen 20 tschechische Verdächtige. Auch in Deutschland hat sich die Justiz eingeschaltet. Die Staatsanwaltschaft Halle ermittelt gegen die Firma Dux. Doch noch sei mit keiner Anklageerhebung zu rechnen, wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Andreas Schieweck mitteilte: „Nach unserer Erkenntnis geht durch den exportierten Plastikmüll keine Gefahr für die Umwelt oder das Grundwasser aus.“ Der Export von ungefährlichem Müll sei in Deutschland nur eine Ordnungswidrigkeit, die nach dem Abfallverbringungsgesetz mit bis zu 50.000 Euro bestraft werden könne.

Die Hallenser Firma Dux hatte 2000 Tonnen Plastikmüll an die Firma Bau24 verkauft. Zwar liegen Dokumente vor, die belegen sollen, dass alles ordnungsgemäß in der Verbrennungsanlage T.O.P Eko in Pilsen entsorgt wurde. Dort ist jedoch nie etwas angekommen. Stattdessen wurde der Müll vermutlich auf der Deponie Libceves mit verbrannt. Gegen die Bau24 wurde inzwischen vom tschechischen Umweltministerium ein Ordnungsgeld von 350.000 Euro verhängt. Das hat aber eher symbolischen Charakter, da die Firma insolvent ist und der Geschäftsführer von Interpol gesucht wird.

In Libceves ist man das Tauziehen um „ihren“ deutschen Müll leid. Wohin der Müll gebracht wird, ist der Bürgermeisterin Vlasta Stanková egal. „Hauptsache er verschwindet endgültig und hier kehrt Ruhe ein“, sagt sie nach fast viermonatigen Verhandlungen zwischen tschechischen und deutschen Behörden. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekam einen Brief ihres tschechischen Kollegen Jiři Paroubek mit der Bitte um Hilfe. Merkel kann in der Angelegenheit allerdings nicht viel ausrichten, da für Abfallangelegenheiten die Länder zuständig sind. Auf der anderen Seite wollen sich diese die Verantwortung nicht einfach in die Schuhe schieben lassen. Zwar ist der Export von Müll in andere Staaten nach einer EU-Richtlinie illegal, welches Bundesland konkret für die Beseitigung zuständig ist, lässt sich jedoch nicht so einfach klären.

Grundsätzlich ist für die Entsorgung des Mülls die illegal exportierende Firma verantwortlich. Jedoch kann das Bundesland in Form der Ersatzvornahme den Müll beseitigen lassen und sich die Kosten vom Verursacher später zurückholen. Bisher gehen die Ermittler von Firmen aus Bayern, Brandenburg und Sachsen-Anhalt aus. Welcher Müll konkret aus welchem Land angekarrt wurde, läßt sich im Nachhinein aber nur schwer feststellen. So konnte auch eine im März entsandte Delegation des Umweltministeriums Sachsen-Anhalts auf der Deponie in Libceves keine Anhaltspunkte auf die Herkunft des Abfalls finden.

Von den 20.000 Tonnen deutschen Mülls in Tschechien konnten bislang nur zehn Prozent einem Verursacher zugeordnet werden. Eben jener Firma Dux aus Halle, die 2000 Tonnen über die Bau24 nach Tschechien schaffen ließ. Darum lässt Sachsen-Anhalt als Ersatzvornahme die 750 Tonnen verbrannter Plastikrückstände ab dem 8. Mai zurückführen. Um den Rest kümmert sich der Leiter der Sonderabfallagentur SAA Hermann Reinhardt. Diese ist laut Staatsvertrag für den Müll zuständig, der nicht zugeordnet werden kann. Auch ihm geht es zentral um die Herkunft des Abfalls. „Wir haben ein Interesse daran, die schwarzen Schafe der Branche zu finden. Es kann schließlich nicht sein, dass alle Bundesländer - und damit der Steuerzahler - für die Verfehlungen einer Firma zahlen müssen“, sagt er. Demnächst wird er sich auf den Weg machen, um sich vor Ort ein eigenes Bild von der Situation zu machen.

In Tschechien haben sich die Gemüter inzwischen wieder beruhigt, nachdem die Rückführung des Abfalls von deutscher Seite zugesagt wurde. Wochenlang hatte das Thema für nicht gerade deutschfreundliche Schlagzeilen gesorgt. Auch derzeit fallen an der Grenze immer noch deutsche LKW auf, die mit Müll beladen sind. Sie werden inzwischen einfach zurück geschickt.

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