Ungarn bestätigen erstmals eine Regierung im Amt
Die junge Demokratie in Ungarn scheint die stürmischen ersten Jahre hinter sich zu haben und in ruhigere Gewässer zu steuern. Die sozial-liberale Regierungskoalition hat auch die zweite Runde der Parlamentswahlen am Sonntag für sich entschieden. Nach Auszählung von über 98 Prozent der Stimmen kommt sie auf 210 Sitze im Parlament, das sind 34 mehr als die Oppositionsparteien erhalten. Damit haben die Ungarn zum ersten Mal nach der Wende 1989 eine Regierung im Amt bestätigt.
Bisher war es typisch für die jungen Demokratien Osteuropas, dass die Menschen bei einer Wahl für die Kräfte stimmen, gegen die sie bei der letzten Wahl votiert hatten. Der deutsche Politikwissenschaftler Gerhard Simon sieht darin eine Voraussetzung für die Entstehung echter demokratischer Verhältnisse. Alles werde ausprobiert, sowohl die Parteien als auch ihr wechselndes Personal. Wahlen in Ungarn glichen für die antretenden Parteien bislang einer Achterbahnfahrt. Die Ergebnisse variierten um bis zu 40 Prozentpunkte. Nun hat Kontinuität eingesetzt. Die Wahlergebnisse vom Sonntag entsprechen weitgehend den Werten von vor vier Jahren mit der Ausnahme, dass die regierenden Sozialisten leicht zulegen konnten auf 48 Prozent der Mandate. Im künftigen Parlament werden dieselben vier Parteien vertreten sein wie seit 2002.
„Eine Regierung muss acht Jahre Zeit bekommen, um sich zu bewähren und all ihre Vorhaben umzusetzen“, begründete ein junger Ungar seine Entscheidung für die Sozialisten. „Sie sollen zeigen was sie können“, stimmte eine andere Wählerin ihm zu. Bei der brechend vollen Siegesfeier der Sozialisten rief der alte und neue Premierminister Ferenc Gyurcsány das Land zu Geschlossenheit auf. Seine Regierung werde „im Namen von zehn Millionen Ungarn“ arbeiten. Um die starke Spaltung zwischen dem konservativen und dem sozial-liberalen Lager zu überwinden, stellte er den Menschen in seiner Ansprache eine „bessere europäische Zukunft“ in Aussicht.
Der Chef der oppositionellen Partei Fidesz, Viktor Orbán, gestand die Niederlage seiner Partei ein und gratulierte Premier Gyurcsány zum Sieg. Die Hauptaufgabe für die Oppositionsarbeit sah Orbán im „Zusammenschluss der Rechten“. Kooperation sei auch für die Regierungskoalition der Schlüssel zum Erfolg gewesen. Damit spielte Orbán wohl auf den Streit mit dem Demokratischen Forum an, der zweiten konservativen Partei im Parlament. Die kleine Partei hatte sich vehement gegen eine Zusammenarbeit mit dem Fidesz gesträubt und forderte eine „moralische und politische Erneuerung“ von ihm. Vielleicht setzt das Forum auch darauf, aus vier Jahren parlamentarischer Opposition gestärkt hervorzugehen, wohingegen die Macht des Fidesz jetzt zu verfallen droht.
Elf Wahlkreise in Ungarn haben noch keinen Sieger. Hier liegen die Kandidaten so knapp beieinander, dass die Stimmen von im Ausland lebenden Ungarn entscheiden. Der Sieg der Regierungskoalition bleibt davon unberührt, doch die genaue Sitzverteilung im Parlament wird erst in einer Woche feststehen.
Die schwierigste Aufgabe der neuen alten Regierung wird es sein, den desolaten Staatshaushalt zu sanieren. Eine Herausforderung, zu der bisher alle Parteien wenige Angaben gemacht haben.