Ursachen der Hochwasser-Katastrophe
Immer häufigere und dramatischere Hochwasser-Szenarien – das ist der Denkzettel, den die Donau der Menschheit verpasst, könnte man fast meinen. Jahrzehntelange Misspolitik und der Eingriff in den natürlichen Flussverlauf sind nicht ohne Folgen geblieben, wie Tausende von Menschen in Südosteuropa derzeit zu spüren bekommen. Der „Kampf gegen das Hochwasser“ wurde zum Leitmotiv und inspirierte bauwütige Politiker, immer höhere Dämme entlang der Donau zu errichten. In Rumänien sind es etwa 400. Aus Furcht, der Fluss könnte nach starken Regenfällen und der Schneeschmelze sein Bett verlassen und sich in die umliegenden Feuchtgebiete ergießen, wurde er in ein enges Korsett gezwängt.
Sümpfe und Auenwälder entlang der Donau wurden trocken gelegt, vor allem in Rumänien. Dort forcierte der damalige Staatschef Nicolae Ceaucescu in den 1960er Jahren eine intensive Landwirtschaft in den trockengelegten Feuchtgebieten. Sein Traum von einer Kornkammer entlang der Donau trieb ihn so weit, dass heute nur noch ein Fünftel der ursprünglichen Flussauen erhalten geblieben sind. Das gewünschte Resultat sei jedoch ausgeblieben, konstatiert der WWF Deutschland: Die Böden versalzten und die ständige Entwässerung mit Pumpen erwies sich als sehr kostspielig. Heute liegen weite Teile dieser Flussauen brach.
Darin liege das Hauptproblem der aktuellen Überschwemmungen entlang der Donau und ihrer Nebenflüsse: Den Gewässern fehle es an Rückhalteräumen, durch den Bau von Deichen seien die natürlichen Auen- und Überflutungsräume von den Flüssen abgetrennt worden, erklärt Christine Bratrich, Leiterin des Fachbereichs Frischwasser beim WWF Österreich. Dies sei vor allem im Unterlauf der Donau geschehen, in Südosteuropa.
„Die logische Konsequenz wäre nun, das politische Momentum zu nutzen und auf politische Worte Taten folgen zu lassen“, so die WWF-Expertin. Im Visier hat sie dabei die „Erklärung zum Schutz und der Renaturierung des Grünen Donaukorridors“ (Lower Danube Green Corridor). Dieses Abkommen wurde vor über fünf Jahren von Rumänien, Bulgarien, der Republik Moldau und der Ukraine unterzeichnet. Nun sollten sich die vier Länder endlich daran machen, das Hochwasser raus aus den Wohnzimmern und zurück in die natürlichen Auen- und Überschwemmungsgebiete der Donau zu bringen, sagt Bratrich.
Die rumänische Regierung hat bereits einen Schritt in diese Richtung getan: Sie ließ mehrere landwirtschaftlich genutzte ehemalige Flussauen, so genannte Polder, gezielt überfluten. Betroffen war eine Fläche von 15.000 Hektar. Bei der aktuellen Abflusssituation habe man das Ansteigen der Flut damit jedoch gerade mal für etwa zehn Stunden stabilisiert, sagt WWF-Expertin Bratrich. Auch am Eisernen Tor, dem größten Staudamm mit Reservoir entlang der Donau, habe man sich auf die Flutwelle vorbereitet, indem man den Stausee gänzlich entleert hatte. Dies sei zuletzt vor zwei Jahren geschehen, schreibt die „Allgemeine Deutsche Zeitung“ in Bukarest.
In Bulgarien sei es der Regierung unterdessen immer noch nicht gelungen, eine allgemeine Hochwasser-Strategie zu verabschieden. Dabei lägen die letzten massiven Fluten gerade mal ein Jahr zurück, beklagt der WWF Österreich in einer Pressemitteilung. Stattdessen sei es zu Vorwürfen der Opposition gekommen, dass beim Deichbau Unternehmen begünstigt worden seien, die der politischen Führung nahe stünden, heißt es weiter.
Im Nachbarland Serbien sieht die Situation derzeit auch nicht rosig aus: Marode Deiche bedrohen vielerorts die Bevölkerung. Trotz Kritik von Experten habe der Staat in den vergangenen zwölf Jahren nichts in die Instandhaltung von Schutzdämmen investiert, beklagt Branislav Radanovic, Direktor der Wasserwirtschaft „Vode Vojvodine“ nach Angaben der Belgrader Tageszeitung „Danas“. Das Hochwasser-Schutzsystem in der Provinz Vojvodina sei eine Milliarde Euro wert, weitere 70 Millionen würden jedoch benötigt, um einen 195 Kilometer langen Deich fertigzustellen, so Radanovic. Seine Aussage macht deutlich, dass nicht allerorts an die Renaturierung von Flussauen gedacht wird.
Oft habe das Problem eines Landes seine Ursachen in einem anderen Land, daher sei die internationale Zusammenarbeit bei der Hochwasser-Prävention sehr wichtig, sagt Phillip Weller. Er ist Executive Secretary bei der Internationalen Kommission zum Schutz der Donau (ICPDR) mit Sitz in Wien. Daher wurde ein Aktionsplan entworfen, der gemeinsame Ziele und Strategien der 13 Mitgliedsstaaten festlegt. Neben den zehn Donauländern wurden auch Tschechien, Slowenien und Bosnien-Herzegowina aufgenommen, durch deren Territorium sich Donau-Zuflüsse schlängeln.
Nachholbedarf herrsche vor allem in den Ländern am Unterlauf der Donau, räumt Weller ein. Hier seien in der Vergangenheit häufig Häuser und Betriebe in hochwassergefährdeten Gebieten entstanden, wo die Gefahr einer Überschwemmung besonders groß sei. Mit Risikozonen-Karten, in denen gefährdete Zonen eingezeichnet seien, wolle man vorbeugen. Solche Karten könnten künftig lokalen Behörden bei der Erteilung von Baugenehmigungen hilfreich sein. Grundbesitzern sind die Risikozonen allerdings ein Dorn im Auge, da ihr Eigentum dadurch im Wert sinkt. In Serbien beispielsweise ist vorgesehen, dass auch die Art des Baumaterials von der entsprechenden Risikozone abhängt.
Weiteres Augenmerk hat die Donauschutz-Kommission auf ein länderübergreifendes Frühwarnsystem gerichtet, auf der Basis meteorologischer Beobachtungsprozesse. Solche Systeme könnten die nationale Prävention in den einzelnen Ländern jedoch keinesfalls ersetzen, sagt Weller.