Belarus

Reaktionen auf EU-Sanktionen

Minsk (n-ost) – Seit Montag werden Weißrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko und 30 weiteren Spitzenfunktionären des Landes keine Einreisevisa mehr für die EU erteilt. Von Lukaschenko selbst, der in der Vergangenheit gerne zum Skilaufen nach Österreich gefahren ist, liegen keine Reaktionen vor. Dagegen kommentierte der Leiter des Auswärtigen Ausschusses im weißrussischen Parlament, Nikolaj Tscherginez, höhnisch: „Falls ich das bekannte Lächeln der Mona Lisa vermissen sollte, kann ich das Lächeln meiner Frau genießen.“ Er sei froh, seinen Namen auf der EU-Liste zu finden. Es zeuge davon, dass Europa ihn schätze, so Tscherginez.

Auf das Einreiseverbot hatten sich die EU-Außenminister als Reaktion auf die manipulierten Präsidentenwahlen in Weißrussland verständigt. Lukaschenko hatte am 19. März nach offiziellen Zahlen 83 Prozent der Stimmen erhalten. Am vergangenen Samstag war er in einer Zeremonie in Minsk für eine dritte Amtszeit vereidigt worden. Alle Versuche der Opposition, die Wahl anzufechten, waren zuvor abgeschmettert worden.

Auf der Sanktionsliste der EU befinden sich Personen, die für die massive Einschüchterung der Opposition und den Wahlbetrug verantwortlich sein sollen. Neben Lukaschenko werden beispielsweise der Leiter des Staatssicherheitsdienstes, der Justizminister, zwei Richter, Mitglieder der zentralen Wahlkommission, der Vorsitzende des Unterhauses des Parlaments, der Leiter der Präsidialadministration, der Bildungsminister, der Chef des staatlichen Rundfunks und Fernsehens und der Leiter der weißrussischen Gewerkschaftsföderation genannt.

Weitere Maßnahmen wie das Einfrieren von Bankkonten und die Beschlagnahmung von Auslandsvermögen von Führungsleuten behält sich die EU ausdrücklich vor. Handelsaktionen wurden aber ausgeschlossen, da sie negative Auswirkungen auf die Zivilgesellschaft haben könnten.

Weißrussland nannte in einer offiziellen Mitteilung die EU-Sanktionen „unzivilisiert“ und kündigte ein Einreiseverbot für ranghohe Vertreter aus EU-Staaten an. Nur durch Dialog könne man ein echtes Verständnis für einander entwickeln, heißt es aus Minsk. Aber durch diese Entscheidung der EU sehe sich Weißrussland gezwungen, „mit angemessenen Maßnahmen“ zu antworten.

Die weißrussische Opposition begrüßte die EU-Sanktionen, forderte Brüssel aber gleichzeitig auf, die Liste zu ergänzen. Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch sagte, auf der Sanktionsliste müssten Hunderte Leute stehen und Tausende hätten es verdient. Der Stab von Milinkewitsch arbeitet zurzeit an zwei Listen – mit Personen, die unter Repressionen leiden, etwa indem sie ihre Arbeits- und Studienplätze verloren, und denjenigen, die dies zu verantworten haben.

Milinkewitsch ist weiter davon überzeugt, dass das Ende der Regierung Lukaschenko nicht mehr eine Frage von Jahren sondern nur von Monaten sei. Der Oppositionsführer kündigte eine Großdemonstration am 26. April in Minsk, anlässlich des 20. Jahrestages des Reaktorunglücks von Tschernobyl an.

Unabhängige weißrussische Politologen und Journalisten betrachten die EU-Sanktionen mit Skepsis. Sie hätten eher eine symbolische Wirkung. Umgekehrt würden schärfere Sanktionen aber nur eine weitere Isolierung des Landes von Europa, eine Stärkung der Regierung Lukaschenko und eine weiteren Annäherung an Russland hervorrufen. Generell führe der Weg von Minsk nach Westen nur über Moskau. Milinkewitsch setzt dagegen auf eine weitere Mobilisierung seiner Anhänger und auf Reformen aus dem Inneren des Landes.


*** Ende ***

----------------------------------------------------------------
Wenn Sie einen Artikel übernehmen oder neu in den n-ost-Verteiler aufgenommen werden möchten, genügt eine kurze E-Mail an n-ost@n-ost.org. Der Artikel wird sofort für Sie reserviert und für andere Medien aus Ihrem Verbreitungsgebiet gesperrt. Die Honorierung der Artikel und Fotos erfolgt nach den marktüblichen Sätzen. Das Honorar überweisen Sie bitte mit Stichwortangabe des Artikelthemas an die individuelle Kontonummer des Autors.

Angaben zur Autorin:

Name der Autorin: Maryna Rakhlei


Belegexemplare bitte UNBEDINGT an die folgende Adresse:

n-ost
Schillerstraße 57
10627 Berlin


Weitere Artikel