Belarus

Gaspreis entscheidet über Lukaschenkos Zukunft

Gaspreis entscheidet über Lukaschenkos Zukunft Nachbar Russland setzt nach der Ukraine nun auch Weißrussland unter Druck

Von Tatjana Montik (montanja@voliacable.com, Tel. +38 050 382 92 83)

Minsk/Kiew (n-ost) – Weißrusslands Präsidenten Alexander Lukaschenko, der sich gerade in einer höchst umstrittenen Abstimmung mit 83 Prozent der Wählerstimmen eine dritte Amtszeit gesichert hat, droht ein wichtiger Pfeiler seiner Macht wegzubrechen:


In dieser Woche wurde eine Erklärung des Chefs des russischen Konzerns Gasprom, Alexej Miller, bekannt, in der dieser einen deutlichen Anstieg der Gaspreise für Weißrussland ankündigt. Wie die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf den stellvertretenden Unternehmenschef Rjasanow meldete, soll das Nachbarland künftig mindestens dreimal so viel für Erdgas zahlen wie bisher. Ein Termin für die Preis-Anhebung wurde nicht genannt. Derzeit zahlt Weißrussland knapp 47 Dollar für tausend Kubikmeter Erdgas, deutlich weniger als etwa die Ukraine, die im Januar von Gasprom derartig unter Druck gesetzt wurde, dass sie am Ende eine Vereinbarung unterschrieb, die Gaspreise zwischen 95 und 230 Dollar vorsieht.

Für Lukaschenko geht es um die Grundlage seiner Macht: Denn die gesamte weißrussische Wirtschaft stützt sich darauf, dass sie aus Russland Gas und Öl zu den innerhalb Russlands üblichen Preisen bezieht und das in Mengen, die dreimal größer sind, als die weißrussische Wirtschaft selbst benötigt. Die übrigen zwei Drittel werden in weißrussischen Raffinerien veredelt und auf den Weltmärkten mit gutem Gewinn verkauft. Darauf basieren, laut Experten, nicht nur das Wirtschaftswachstum Weißrusslands, das von der Weltbank auf fünf bis sechs Prozent geschätzt wird, sondern auch die Fähigkeit der Regierung, die Löhne und Renten rechtzeitig auszuzahlen und diese regelmäßig zu erhöhen.

Die Nachricht über die Preiserhöhung für Gas dürfte der Grund dafür sein, dass Lukaschenko anlässlich seines „Lieblingsfeiertages“, des am 2. April gefeierten Tages der russisch-weißrussischen Einheit, entgegen allen Erwartungen nicht nach Moskau gekommen ist. Auch sein überraschendes Verschwinden nach der Wahl – über eine Woche war Lukaschenko nicht im staatlichen Fernsehen zu sehen – und die überraschende Verschiebung seiner Amtseinführung von Ende März auf den 8. April könnte damit zusammenhängen.

In Moskau scheint man nun die Geduld mit dem auch von Wladimir Putin ungeliebten Staatschef zu verlieren und pünktlich nach überstandener Wahl die Rechnung für das Wohlwollen des Kreml zu präsentieren. Im Detail geht es um die von Lukaschenko seit langem versprochene Privatisierung des weißrussischen Unternehmens Beltransgas, das die Gasleitungen des Landes verwaltet und das Gasprom gerne übernehmen will. Die Verhandlungen dazu ziehen sich seit Jahren in die Länge.

Aber wie auch im Falle der Ukraine hat der Streit um den Gaspreis eine größere Dimension. Das große Russland führt Lukaschenko seine Abhängigkeit eindrucksvoll vor Augen. Eine deutliche Preiserhöhung würde die Blase des weißrussischen Wirtschaftswunders zum Platzen bringen. Und eine Wirtschaftskrise, glauben die Experten, würde nicht nur Tausende Unzufriedene, wie nach den manipulierten Wahlen, sondern Hunderttausende Menschen landesweit auf die Straße treiben. Der einzige Ausweg für Lukaschenko, einen für seine Regierung ruinösen Anstieg der Gaspreise zu verhindern, liegt in einer noch stärkeren Annäherung an Russland bis hin zu einer Integration beider Länder in einem Staatenbund.

Lukaschenko selbst hatte sich zu Zeiten des russischen Präsidenten Boris Jelzin bereits als Staatschef eines russisch-weißrussischen Bundes gesehen. Putin wird ihm hingegen allenfalls die Rolle eines Edelgouverneurs zugestehen. Schon jetzt wollen gut informierte Kreise wissen, dass Putin sich durch die Bildung eines gemeinsamen russisch-weißrussischen Staates selbst die Option für eine weitere Präsidentschaft sichern könnte, die ihm nach russischem Recht derzeit verwehrt ist.

*** Ende ***

----------------------------------------------------------------
Wenn Sie einen Artikel übernehmen oder neu in den n-ost-Verteiler aufgenommen werden möchten, genügt eine kurze E-Mail an n-ost@n-ost.org. Der Artikel wird sofort für Sie reserviert und für andere Medien aus Ihrem Verbreitungsgebiet gesperrt. Die Honorierung der Artikel und Fotos erfolgt nach den marktüblichen Sätzen. Das Honorar überweisen Sie bitte mit Stichwortangabe des Artikelthemas an die individuelle Kontonummer des Autors.

Angaben zur Autorin:
Name der Autorin: Tatjana Montik


Belegexemplare bitte UNBEDINGT an die folgende Adresse:
n-ost
Schillerstraße 57
10627 Berlin


Weitere Artikel