Belarus

Maßlose Vorwürfe gegen die Opposition

Moskau (n-ost) - Als der weißrussische Oppositionskandidat Aleksandr Milinkewitsch ins Fußballstadion von Gomel einzieht, bejubeln ihn die über Tausend Zuschauer auf der Tribüne wie einen Helden. Viele haben Stirnbänder mit der Aufschrift „Belarus nach Europa“. Andere tragen blaue Schals. „Blau ist die Farbe der Freiheit“, erklärt eine Frau gegenüber dem russischen Fernsehkanal NTW. Die Stimmung ist friedlich und fröhlich. Sogar Leute mit Kinderwagen sind gekommen. Milinkewitsch winkt wie ein Staatsmann mit dem Arm über dem Kopf. „Wir wollen die Freiheit und zu Europa gehören“, ruft er.

Der Oppositionskandidat hat einen harten Wahlkampf hinter sich. Außer den obligatorischen Fernsehansprachen, die dem Kandidaten vom Gesetz her zustehen, haben die Medien Milinkewitsch totgeschwiegen. Viele Versammlungssäle wurden dem Physik-Professor kurzfristig abgesagt, so dass er mit dem Megaphon auf der Straße sprechen musste. Die Mitarbeiter des weißrussischen KGB filmten jede Versammlung. Wer die verbotene weiß-rote Fahne aus der Zeit der weißrussischen Unabhängigkeitserklärung schwenkt oder mehrmals an Versammlungen der Opposition teilnimmt, dem lauern Sicherheitsbeamte nach dem Ende der Veranstaltung an Bushaltestellen und Metro-Stationen auf. „Täglich werden bei uns Leute verhaftet“, berichtet eine Sprecherin der Vereinigten Bürger Partei gegenüber dieser Zeitung am Telefon.

Mit Blumen in die Innenstadt

Die Macht tue alles, damit die von der Opposition am Wahlabend geplante Demonstration in Minsk nicht zustande kommt. Milinkewitsch habe dazu aufgerufen, am Wahlsonntag mit Blumen und Liedern friedlich in die Stadt zu kommen und auf die Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu warten, berichtet die Sprecherin der Oppositions-Partei. Um eine Beteiligung von Studenten an der geplanten Kundgebung zu verhindern, gebe es in vielen Universitäten am Freitag und Montag keine Vorlesungen. Die Studenten wurden zu vorgezogenen Abstimmungen in die Wahllokale geschickt.

Abstruser Terror-Plan

Offenbar um die Opposition in Weißrussland einzuschüchtern, präsentierte Stepan Suchorenko, der Chef des weißrussischen KGB, am Donnerstag einen angeblichen Umsturzplan der Opposition. „Die Aktionen derjenigen, die das Risiko auf sich nehmen und auf die Straße gehen und versuchen die Situation zu destabilisieren, wird man als Terrorismus qualifizieren.“ Auf Terrorismus steht nicht nur lebenslanges Gefängnis, sondern auch die Todesstrafe.

Suchorenko sparte nicht mit Details. Aufrührer der Opposition wollten am Wahltag Brände legen und Bomben zünden. In dem entstehenden Chaos wolle dann die Opposition die Macht ergreifen. Mitarbeiter der Botschaften Georgiens, Litauens und der Ukraine würden die Aufrührer beraten. Als „Beweis“ für seine abenteuerlichen Thesen lies der KGB-Chef ein Video über die Vernehmung eines verhafteten jungen Mannes abspielen, der erklärte, er sei in Georgien in einem Trainingscamp ausgebildet worden. Ausbilder waren ehemalige Angehörige der sowjetischen Armee und „vier Araber“. Zur Ausbildung gehörte Faustkampf, Schutz vor C-Waffen und Sprengstofftechnik. Der Name des Verhafteten wurde nicht genannt.

Die Rolle von Oppositionskandidat Milinkewitsch im Zusammenhang mit dem angeblichen Umsturzplan werde man aber erst nach der Wahl untersuchen, erklärte der KGB-Chef. Milinkewitsch erklärte, man wünsche dem KGB Erfolg beim Kampf gegen Terroristen, bitte jedoch darum, nicht friedliche Bürger mit Terroristen zu verwechseln. Man werde sich am Wahltag nicht das Recht nehmen lassen, friedlich gegen Gesetzesverletzungen zu protestieren.

Bereits vor zwei Wochen gab der KGB die Beschlagnahmung von gedruckten Exit-Poll-Ergebnissen mit Datum vom 19. März bekannt, wonach Milinkewitsch 53,7 Prozent, Amtsinhaber Lukaschenko aber nur acht Prozent bekommt. Mit diesen Ergebnissen – so der KGB – wolle die Opposition das Signal zum Aufstand gegeben.

Auf einer Wahlveranstaltung in einer Kleinstadt im Gebiet Gomel kündigte Präsident Lukaschenko an, er werde das Land vor den „Otmoroski“ (Verrückten) schützen. Gemeint waren die Oppositionsführer. Bereits vorher hatte er die Führer der Opposition als geldgierige Leute bezeichnet, die vom Ausland bezahlt würden. Unter den Klängen eines Frauenchors überreichte eine Babuschka dem Landesvater ein selbstgemaltes Präsidentenporträt. „Batka“ Lukaschenko mit hoher schwarzer Pelzmütze lächelte milde.

Ende

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