Glanzlose Defensive
Kaiserslautern (n-ost) - Würde sich geteiltes Leid tatsächlich halbieren, wäre die Angelegenheit mit der international zweitklassigen Abwehr auch nur halb so schlimm. Für den polnischen Trainer Pawel Janas und für seinen deutschen Kollegen Jürgen Klinsmann. Aber beide müssen ihre desolaten Defensiven im Sommer nicht nur gegeneinander antreten lassen; immerhin wollen sie sich mit den übrigen 30 besten Mannschaften der Welt messen. Die Bilanz in der Vorbereitung sieht dabei für beide Teams nicht so gut aus.
Während sich gestern die deutsche Nationalmannschaft in Florenz von den Italienern überrollen ließ, verwandelten die Polen in Kaiserslautern ihre ansehnlichen Angriffsbemühungen gegen die USA in eine schmucklose 0:1 Niederlage. Die tragische Figur war dabei der polnische Torhüter Artur Boruc, der durch einen Fehler das Spiel entschied.
Trainer Pawel Janas meldete sich nach dem Spiel zum ersten Wortbeitrag: „Artur Boruc muss sich schon konzentrieren, wenn er für die Nationalmannschaft im Tor stehen will“. Polen hat inzwischen so etwas wie einen Fall Kahn-Lehmann, nur dass die beiden Protagonisten nicht mit einer derartigen Sandkastenrhetorik aufeinander losgehen, wie ihre deutschen Kollegen das so gerne mögen: Der Championsleague-Gewinner Jerzy Dudek ist ein Medienliebling, sitzt aber beim FC Liverpool seit Monaten zumeist auf der Bank. Sein Konkurrent Artrur Boruc spielt regelmäßig für Celtic Glasgow, hat aber über den Winter seine gute Form verloren – und gestern durch seinen Fehler das wichtige Testspiel gegen die USA.
Während Dudek in der ersten Halbzeit fehlerfrei war, verschätzte sich der eingewechselte Boruc zwei Minuten nach Wiederanpfiff bei einer scharfen Hereingabe; der Amerikaner Clint Dempsey nutzte den Patzer zum Endstand. Boruc entschuldigte sich am Ende, Dudek sagte achselzuckend: „Ich habe das Tor gar nicht gesehen“.
Auch für Boruc´ Vorderleute suchte Janas keine sanfte Umschreibung, wie die polnische Sprache sie zahlreich ermöglicht. „Wie unsere Abwehr heute gespielt hat, gefiel mir gar nicht“, sagte Janas, der noch weit von der Aufstellung entfernt ist, mit der Polen bei der WM zum ersten Spiel in Gelsenkirchen gegen Ecuador aufläuft. „In dieser Form werden einige von uns nicht zur Weltmeisterschaft fahren“.
Damit meinte er wohl die Form der Innenverteidiger, von denen vor allem Mariusz Jop (FK Moskau) ein Totalausfall war. Mit einem miserablen Stellungsspiel und einem ebensolchen Spielaufbau war ihm die mangelnde Spielpraxis anzusehen. Die russische Liga ist immer noch in der Winterpause.
Auf der rechten Verteidigerposition mühte sich Marcin Baszczynski (Wisla Krakau) redlich. Aber auch er wirkte nicht fit; in der polnischen Liga endet die Winterpause erst an diesem Wochenende, und schon jetzt wurden wegen des Schnees einige Spiele abgesagt. Baszczynski war der einzige in der Startelf aus der „Ekstraklasa“. Später stabilisierte Tomasz Klos (Wisla
Krakau) die Abwehr. Der ehemalige Lauterer gilt als Routinier in der polnischen Nationalmannschaft. Im erweiterten Abwehraufgebot stehen außerdem Dariusz Zuraw (Hannover 96) und Bartosz Bosacki, der gerade in Nürnberg seinen Vertrag aufgelöst hat und nach Polen zurückgekehrt ist (Lech Posen).
30 Spieler durften zum WM-Test mit ins Gastgeberland fahren. Einen festen Platz in der WM-Elf hat Euzebiusz Smolarek (Borussia Dortmund), dessen Vater Wlodzimierz (ehemals Eintracht Frankfurt) in der gleichen Mannschaft 1982 in Spanien hinter Deutschland WM-Dritter wurde, wie Pawel Janas. US-Trainer Bruce Arena lobte Polens Fußballer des Jahres nach dem Spiel als den polnischen Spieler, der ihm am besten gefallen habe. Smolarek taucht zwar in der offiziellen Mannschaftsaufstellung der Polen stets als Mittelfeldspieler auf, dafür aber erstaunlich häufig vor dem Tor des Gegners. Pawel Janas variiert mit Smolareks Position, der für den Gegner schwer auszurechnen ist, weil er laufend rochiert, aber meist spielt er rechts. Seine Beweglichkeit im Spielsystem erklärt wohl auch die bislang zwölf Bundesligatore. Seit dem ersten Rückrundenspieltag trifft Smolarek allerdings nicht mehr.
Anders Maciej Zurawski. Der Stürmer von Celtic Glasgow hatte in der schottischen Liga zuletzt einen Lauf. Vor einigen Tagen traf er in einem Ligaspiel vier Mal. Wegen einer Zerrung konnte er gegen die USA nicht spielen. Der dritte im Bunde der namhaften Stürmer ist Tomasz Frankowski, der in der Winterpause vom spanischen Zweitligisten Elche zum englischen Zweitligisten Wolverhampton wechselte, bislang spielt er dort erfolglos. In der WM-Qualifikation trafen er und Zurawski je sieben Mal, anschließend trieb es das ehemalige Krakauer Sturmduo ins Ausland.
Das zentrale Mittelfeld besetzt Miroslaw Szymkowiak, der an guten Tagen in der Rolle des klassischen Spielmachers gefällt. Seine präzisen Pässe öffnen das polnische Spiel: Gegen die USA überraschte er aus dem Fußgelenk auf den zentral spielenden Frankowski, der daraufhin meistens ins Abseits stürmte.
Die linke Mittelfeldseite besetzt der Leverkusener Linksfuß Jacek Krzynowek, der diese Position in der Nationalmannschaft sicher hat. Er ist läuferisch stark und als Freistoßschütze gefährlich, bei denen er vor allem von der halbrechten Position den direkten Abschluss sucht. In der Bundesliga steckt er in einem Formtief, das seine Ausläufer bis zur Nationalmannschaft hat.
Das Spiel gegen die USA erschien gleichsam als Tauglichkeitstest für den WM-Austragungsort Kaiserslautern. Die rund 14 000 Zuschauer waren für Polizei und Organisatoren kein Problem. Einzig ein Übersetzer für den polnischen Trainer Pawel Janas fehlte. Viele der polnischen Fans kamen in den rot-weißen Landesfarben und einige mit Tröten und Fanfaren, wie sie sonst beim Absprung von Volksheld Adam Malysz an der großen Schanze im polnischen Zakopane geblasen werden. Die aber liegt für die meisten in einem anderen Land. In Kaiserslautern waren die Polen aus Deutschland zu Gast.
*** Ende ***