Klein-Dubai in Belgrad
Die Altstadt von Belgrad liegt malerisch an der Mündung zwischen Donau und Save. Doch die Ufer bieten ein eher trostloses Bild aus Industrie- und Gleisflächen. Das soll sich nun auf der Save-Seite schnell ändern: Im Frühjahr ist Baubeginn für das Projekt „Belgrad am Wasser“. Binnen weniger Jahre sollen hier ein 200 Meter hoher Glasturm und Hotels und Hochhäuser entstehen, sowie das größte Einkaufszentrum auf dem Balkan – eine Art Klein-Dubai.
Pläne für die Flussufer gibt es schon länger – doch bisher sind sie immer gescheitert: Vor vier Jahren etwa entwarf der Architekt Daniel Libeskind ein neues Stadtviertel an Donau. Das dortige Hafenareal ist aber in der Hand von Geschäftsleuten mit unterschiedlichen Interessen, weshalb sich dort bisher nichts bewegt hat. Die Save-Seite dagegen ist fast komplett in öffentlicher Hand. Jetzt hat sich auch ein potenter Investor gefunden, Mohamed Alabbar aus den Vereinigen Arabischen Emiraten. Drei Milliarden Dollar möchte der Chef der Emaar Properties am Save-Bogen investieren, den die Belgrader ihr „Amphitheater“ nennen. Die nachts erleuchteten Brücken hinüber in die Neustadt Novi Beograd staffeln sich zu einem spektakulären Panorama.
Das ganze Land soll glänzen
Dass es diesmal ernst ist, daran lassen der serbische Regierungschef Aleksandar Vucic und der Belgrader Oberbürgermeister Sinisa Mali, beide Vertreter der Fortschrittspartei SNS, keinen Zweifel. Die Regierung hat „Belgrad am Wasser“ zu einem Projekt von nationalem Rang erklärt. „Das ganze Land wird einmal glänzen wie dieses Hochhaus“, sagte Vucic, als er Ende Juni das Modell des glitzernden 200-Meter-Turms enthüllte.
Die Pläne werden in einem dreiflügeligen Prachtbau aus dem Jahr 1907 präsentiert, den die Projektgesellschaft Belgrade Waterfront eigens renoviert hat. Am nahen Save-Ufer entsteht gerade zusätzlich ein Ausstellungspavillon. 27 Kilometer Industriegleise sind bereits vom Gelände entfernt, ebenso wie alte Hallen sowie legale und illegale Wohnbauten. „Belgrad am Wasser ist unsere Zukunft“, sagt der Oberbürgermeister.
Serbien steht kurz vor dem Bankrott
Die Regierung erhofft sich von der Großinvestition an der Save eine Trendwende, einen Schub für die marode Wirtschaft des Landes und vor allem neue Arbeitsplätze. Serbien steht kurz vor dem Bankrott, der Staat hat nur noch für etwa ein halbes Jahr Geld. Im Oktober wurden Rentnern und Beamten die Bezüge gekürzt, um den Internationalen Währungsfonds gnädig zu stimmen. Serbien braucht einen neuen Kredit.
Unübersehbar werben türkisgrüne Werbefahnen mit dem Slogan „Feiern wir Belgrad“ für das Projekt an der Save. Vielen Menschen in der Stadt ist aber nicht nach Feiern zumute. Sie stoßen sich an der hemdsärmeligen Art der Regierung sowie an den bisher nicht absehbaren Kosten für die öffentliche Hand. „Wir haben keine Ahnung, welche Verpflichtungen das Land in den Verträgen mit dem Investor eingegangen ist”, sagte Nemanja Nenadic von Transparency Serbien bei einer Protestveranstaltung.
Noch ist unklar, was in den Verträgen mit dem Investor steht
Auch die internationale Vereinigung von Stadtplanern „Inura“ warnt in einem offenen Brief, das wirtschaftliche Risiko sei hoch und der Gewinn für die Stadt gering. Mitunterzeichner Ivan Kucina sagt, die Pläne für das neue Stadtviertel stammten aus der Retorte, sie orientierten sich nicht an den Bedürfnissen Belgrads. Die Pacht, die der Investor zahlen werde, brauche der Staat wahrscheinlich, um seine Kredite abzuzahlen, so der Architekt. Denn Serbien fehle das Geld, um das Gelände auf eigene Kosten zu räumen und zu erschließen.
Nur ein Kopfschütteln haben die Kritiker dafür übrig, dass „Belgrad am Wasser“ später den Hauptbahnhof und den Busbahnhof vom Save-Ufer in Außenbezirke verdrängen soll. Ob das Geld für weitere Bauabschnitte reicht, ist völlig offen. Die Regierung ist erst einmal glücklich über den Investor aus den Emiraten, der sich offenbar durch den Kurs von Premier Vucic hat überzeugen lassen.